Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.weit auf Leiterwagen gefahren, die mit Kränzen, Fahnen, Bändern, Bogen Mit dem ersten Donnerstag im Advent beginnen die schon erwähnten In der Thomasnacht, am 21. December, treiben die Weiber allerlei Lie¬ In der Christnacht gießt man in eine während des Avemaria gefüllte weit auf Leiterwagen gefahren, die mit Kränzen, Fahnen, Bändern, Bogen Mit dem ersten Donnerstag im Advent beginnen die schon erwähnten In der Thomasnacht, am 21. December, treiben die Weiber allerlei Lie¬ In der Christnacht gießt man in eine während des Avemaria gefüllte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110591"/> <p xml:id="ID_671" prev="#ID_670"> weit auf Leiterwagen gefahren, die mit Kränzen, Fahnen, Bändern, Bogen<lb/> und Gewinden von Laub und Tannen aufs Festlichste geschmückt sind. Auch<lb/> die vorgespannten vier schönen Pferde prangen im besten Geschirr, Mähnen<lb/> und Schweif mit Bändern durchflochten, und ihre Lenker haben Hut und Geißel<lb/> mit Strauß und Schleife geschmückt. Wohlhäbige Bauern besitzen für diese<lb/> Fahrt besonders gebaute Wagen, sogenannte „Leonhnrdsiruhcn/' bunt und<lb/> zierlich, meist blau, bemalt mit den Herzen Jesu und Maria, mit den Bildern<lb/> des heiligen Leonhard und seiner Wunder. Diese Leonhnrdstruhen, deren man<lb/> oft über 50 bei solchen Festen zählt, fassen zwanzig bis dreißig Personen und<lb/> werden von Vorreitern geleitet. Alle diese Gespanne umfahren nun hinter<lb/> einander in raschem Trabe die Kapelle, die Mädchen singen fromme Lieder,<lb/> die Burschen machen mit ihren Instrumenten in kurzem Anhalten vor der off¬<lb/> nen Kirchenthür Musik. Nach der letzten Messe um 12 Uhr fahren die ehr¬<lb/> samen Bauern mit Weib und Kind nach Hause, das lustige junge Volk aber<lb/> beginnt jetzt die zweite, weltliche Hälfte des Festes zu feiern; denn bei dem<lb/> einsamen Kirchlein stehn für diesen Tag flüchtig erbaute Krambuden, Bier«<lb/> Hütten, Kochheerde, Tanzboden und hier wird nun fröhlich wie am „Kirta"<lb/> gelebt, und die Lustbarkeit, unter grünem Waldesschatten im Freien begonnen<lb/> wird am Abend im nächsten Wirthshaus mit allem Fleiß fortgesetzt. Bei<lb/> diesem Fest versammeln sich oft über tausend Menschen, und so tief liegt die<lb/> Feier dem Volk im Sinn, daß es ebenso oft nach Leonhard als nach Georgi<lb/> und Michaeli die Zeit berechnet und ebenso herzlich einen guten Leonhard<lb/> wünscht, als gute Weihnachten oder Ostern."</p><lb/> <p xml:id="ID_672"> Mit dem ersten Donnerstag im Advent beginnen die schon erwähnten<lb/> Klöpfels- oder Gennächtc. Am 6. December erscheint der heilige Nikolaus,<lb/> die braven Kinder zu beschenken und die bösen seinem Knecht Klaubauf oder<lb/> Buttenmann, wie er im Berchtcsgadnerlnnd heißt, zur Bestrafung zu übergeben.<lb/> Letzterer ist dieselbe Person wie der sächsische Knecht Ruprecht und verbreitet wie<lb/> dieser mit seinem Pelzrock, seiner Ruthe und seinem Zwerchsack unter dem<lb/> kleinen Volk großen Schrecken. Oft wird der wilde Herr und der wilde Knecht<lb/> in eine Person zusammengezogen, bisweilen aber tritt mit ihnen auch die<lb/> Perche auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_673"> In der Thomasnacht, am 21. December, treiben die Weiber allerlei Lie¬<lb/> beszauber, Schuhwerfcn, Bettschcmmeltreten und Aehnliches. In manchen<lb/> Gegenden geht für böse Buben, die der Furcht vor dem Klaubauf entwach¬<lb/> sen sind, die vermummte Schrcckensgestalt des „ungläubigen Thoma" um und<lb/> schüttelt sie tüchtig bei den Ohren, wobei es freilich mehr auf wirkliche Straft<lb/> als aus bloßen Schreck abgesehn ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_674" next="#ID_675"> In der Christnacht gießt man in eine während des Avemaria gefüllte<lb/> Wasserschüssel Blei oder Eidotter und weissagt aus den daraus entstehenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
weit auf Leiterwagen gefahren, die mit Kränzen, Fahnen, Bändern, Bogen
und Gewinden von Laub und Tannen aufs Festlichste geschmückt sind. Auch
die vorgespannten vier schönen Pferde prangen im besten Geschirr, Mähnen
und Schweif mit Bändern durchflochten, und ihre Lenker haben Hut und Geißel
mit Strauß und Schleife geschmückt. Wohlhäbige Bauern besitzen für diese
Fahrt besonders gebaute Wagen, sogenannte „Leonhnrdsiruhcn/' bunt und
zierlich, meist blau, bemalt mit den Herzen Jesu und Maria, mit den Bildern
des heiligen Leonhard und seiner Wunder. Diese Leonhnrdstruhen, deren man
oft über 50 bei solchen Festen zählt, fassen zwanzig bis dreißig Personen und
werden von Vorreitern geleitet. Alle diese Gespanne umfahren nun hinter
einander in raschem Trabe die Kapelle, die Mädchen singen fromme Lieder,
die Burschen machen mit ihren Instrumenten in kurzem Anhalten vor der off¬
nen Kirchenthür Musik. Nach der letzten Messe um 12 Uhr fahren die ehr¬
samen Bauern mit Weib und Kind nach Hause, das lustige junge Volk aber
beginnt jetzt die zweite, weltliche Hälfte des Festes zu feiern; denn bei dem
einsamen Kirchlein stehn für diesen Tag flüchtig erbaute Krambuden, Bier«
Hütten, Kochheerde, Tanzboden und hier wird nun fröhlich wie am „Kirta"
gelebt, und die Lustbarkeit, unter grünem Waldesschatten im Freien begonnen
wird am Abend im nächsten Wirthshaus mit allem Fleiß fortgesetzt. Bei
diesem Fest versammeln sich oft über tausend Menschen, und so tief liegt die
Feier dem Volk im Sinn, daß es ebenso oft nach Leonhard als nach Georgi
und Michaeli die Zeit berechnet und ebenso herzlich einen guten Leonhard
wünscht, als gute Weihnachten oder Ostern."
Mit dem ersten Donnerstag im Advent beginnen die schon erwähnten
Klöpfels- oder Gennächtc. Am 6. December erscheint der heilige Nikolaus,
die braven Kinder zu beschenken und die bösen seinem Knecht Klaubauf oder
Buttenmann, wie er im Berchtcsgadnerlnnd heißt, zur Bestrafung zu übergeben.
Letzterer ist dieselbe Person wie der sächsische Knecht Ruprecht und verbreitet wie
dieser mit seinem Pelzrock, seiner Ruthe und seinem Zwerchsack unter dem
kleinen Volk großen Schrecken. Oft wird der wilde Herr und der wilde Knecht
in eine Person zusammengezogen, bisweilen aber tritt mit ihnen auch die
Perche auf.
In der Thomasnacht, am 21. December, treiben die Weiber allerlei Lie¬
beszauber, Schuhwerfcn, Bettschcmmeltreten und Aehnliches. In manchen
Gegenden geht für böse Buben, die der Furcht vor dem Klaubauf entwach¬
sen sind, die vermummte Schrcckensgestalt des „ungläubigen Thoma" um und
schüttelt sie tüchtig bei den Ohren, wobei es freilich mehr auf wirkliche Straft
als aus bloßen Schreck abgesehn ist.
In der Christnacht gießt man in eine während des Avemaria gefüllte
Wasserschüssel Blei oder Eidotter und weissagt aus den daraus entstehenden
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