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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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die Quelle des Uebelstandes zu bezeichnen, indem sie die Organisation
des Zollvereins beklagt, "welche eine Einstimmigkeit sämmtlicher Zoll¬
vereinsregierungen und nebstdem die Zustimmung der Stände eines jeden ein¬
zelnen Staates erheische, um einen derartigen Act zu Stande zu bringen."
Schließlich behält sich Baden weitere Aeußerungen über die Möglichkeit
und Zweckmäßigkeit einer andern Einrichtung vor, und wir dürfen
daher annehmen, daß die von Preußen als nothwendig erkannte Reform von
Seiten der badischen Negierung Unterstützung zu erwarten hat. Die Abhilfe
liegt, wie wir sehn, zunächst nicht sowol im Interesse Preußens, welches na¬
turgemäß die auswärtigen Angelegenheiten des Zollvereins leitet, sondern sie
ist ein berechtigtes Begehren der übrigen Vereinsglieder, zur Theilnahme an
den Verhandlungen in angemessener Weise zugelassen zu werden. Dafür gibt
es nur ein Mittel; eine ständige C ent r alö erw a ltung für den Zoll¬
verein, und diese folgt von selbst, sobald der Verein die Herstellung eines
deutschen Bundesstaates sich ausdrücklich und mit Bewußtsein zum Ziele setzt.
Dann ist es seine Aufgabe, sich ein Organ zu schaffen, in welchem alle Be¬
theiligte direct oder indirect vertreten sind, und dahin zu wirken, daß sein
Leben nicht nur auf kurze Vertragsperivden gefristet, sondern dauernd gesi¬
chert sei.

Wäre ein Handelsbund nicht seiner Natur nach ein politischer Körper,
so müßte er es werden, sobald er dahin gelangt, seine gemeinsamen Interes¬
sen nach Außen zu vertreten. Man kann als Beispiel die deutsche Hansa
anführen, aber außerhalb Deutschlands sind neuere Beispiele kaum zu finden,
weil es keinen Föderativstaat mehr gibt, welcher die Leitung seiner Handels¬
politik nicht der Bundesgewalt übertragen, welcher jedem seiner Glieder über¬
lassen hätte, zu thun was es will. Die politische Bedeutung des Handels¬
bundes betrafen die Verhandlungen von 1851 bis 1353. Oder lagen vielleicht
financielle Motive dem Andrange zum Eintritts Oestreichs zu Grunde? --
So wenig, daß die wohlbegründeten financiellen Besorgnisse der Darmstädter
durch die östreichische Garantie eines Minimums der Zollrevenuen beschwich¬
tigt werden mußten. Waren es volkswirthschaftliche Vortheile, die man
durch eine Mischung der östreichischen mit der vereinsländischen Wirthschaft
zu erzielen hoffte? -- Aber dann hätte man nicht auf den Eintritt Oestreichs
innerhalb vier Jahren gedrungen, ohne nur irgendwie die national-ökonomi¬
sche" Gesichtspunkte sich klar gemacht zu haben; man hätte nicht die Aufnahme
Oestreichs zur Bedingung für die Erneuerung des Zollvereins gemacht. Nein!
die Politik war es. welche den Verein beinahe zerrissen hätte; die Stärke
der volkswirtschaftlichen Interessen war es. welche ihn zusammen¬
hielt. Schon vor Olmütz. im Februar 1850, hatte Fürst Schwarzenberg ver¬
langt, daß die Bundesc entralcommi ssio n eine Conferenz von Bevoll-


Gicnzboten IV. 1860, 2

die Quelle des Uebelstandes zu bezeichnen, indem sie die Organisation
des Zollvereins beklagt, „welche eine Einstimmigkeit sämmtlicher Zoll¬
vereinsregierungen und nebstdem die Zustimmung der Stände eines jeden ein¬
zelnen Staates erheische, um einen derartigen Act zu Stande zu bringen."
Schließlich behält sich Baden weitere Aeußerungen über die Möglichkeit
und Zweckmäßigkeit einer andern Einrichtung vor, und wir dürfen
daher annehmen, daß die von Preußen als nothwendig erkannte Reform von
Seiten der badischen Negierung Unterstützung zu erwarten hat. Die Abhilfe
liegt, wie wir sehn, zunächst nicht sowol im Interesse Preußens, welches na¬
turgemäß die auswärtigen Angelegenheiten des Zollvereins leitet, sondern sie
ist ein berechtigtes Begehren der übrigen Vereinsglieder, zur Theilnahme an
den Verhandlungen in angemessener Weise zugelassen zu werden. Dafür gibt
es nur ein Mittel; eine ständige C ent r alö erw a ltung für den Zoll¬
verein, und diese folgt von selbst, sobald der Verein die Herstellung eines
deutschen Bundesstaates sich ausdrücklich und mit Bewußtsein zum Ziele setzt.
Dann ist es seine Aufgabe, sich ein Organ zu schaffen, in welchem alle Be¬
theiligte direct oder indirect vertreten sind, und dahin zu wirken, daß sein
Leben nicht nur auf kurze Vertragsperivden gefristet, sondern dauernd gesi¬
chert sei.

Wäre ein Handelsbund nicht seiner Natur nach ein politischer Körper,
so müßte er es werden, sobald er dahin gelangt, seine gemeinsamen Interes¬
sen nach Außen zu vertreten. Man kann als Beispiel die deutsche Hansa
anführen, aber außerhalb Deutschlands sind neuere Beispiele kaum zu finden,
weil es keinen Föderativstaat mehr gibt, welcher die Leitung seiner Handels¬
politik nicht der Bundesgewalt übertragen, welcher jedem seiner Glieder über¬
lassen hätte, zu thun was es will. Die politische Bedeutung des Handels¬
bundes betrafen die Verhandlungen von 1851 bis 1353. Oder lagen vielleicht
financielle Motive dem Andrange zum Eintritts Oestreichs zu Grunde? —
So wenig, daß die wohlbegründeten financiellen Besorgnisse der Darmstädter
durch die östreichische Garantie eines Minimums der Zollrevenuen beschwich¬
tigt werden mußten. Waren es volkswirthschaftliche Vortheile, die man
durch eine Mischung der östreichischen mit der vereinsländischen Wirthschaft
zu erzielen hoffte? — Aber dann hätte man nicht auf den Eintritt Oestreichs
innerhalb vier Jahren gedrungen, ohne nur irgendwie die national-ökonomi¬
sche» Gesichtspunkte sich klar gemacht zu haben; man hätte nicht die Aufnahme
Oestreichs zur Bedingung für die Erneuerung des Zollvereins gemacht. Nein!
die Politik war es. welche den Verein beinahe zerrissen hätte; die Stärke
der volkswirtschaftlichen Interessen war es. welche ihn zusammen¬
hielt. Schon vor Olmütz. im Februar 1850, hatte Fürst Schwarzenberg ver¬
langt, daß die Bundesc entralcommi ssio n eine Conferenz von Bevoll-


Gicnzboten IV. 1860, 2
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/21>, abgerufen am 15.01.2025.