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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Andern, nicht weil sie das Nämliche, sondern weil sie das Gegentheil,
die Erstarkung des Zollvereins fürchten. Es ist daher nothwendig, die politische
Seite der Frage näher zu betrachten.

Der deutsche Zollverein ist ein politischer Körper, und indem er sich selbst
als einen Fortschritt zur Herstellung eines Bundesstaates darstellt, wird er nicht
mehr und nicht weniger politisch als bisher. Die Sorge um die Entfaltung
der Production, des Handels, der Bewegung von Menschen und Gütern ist
als die wichtigste Sorge des Staates in seinen auswärtigen Beziehungen an
die Stelle der Pflege von Familien-Interessen getreten. Die Politik der ande¬
ren Staaten ist vorzugsweise eine Handels- und Verkchrspolitik. Erleichte¬
rungen des internationalen Handels, der Schisfarth, Eisenbahn- und Telegra¬
phen-Linien bilden seht die wichtigsten Gegenstände diplomatischer Verhand¬
lungen und Vereinbarungen, und bringen den glücklichen Unterhändlern mehr
Orden ein als ihre übrigen nichtmilitärischen Verdienste. Wenn Vorgänge
aus unsern Tagen zur Bestreitung dieses Satzes angeführt werden können, so
nehmen wir dieselben zu seiner Bekräftigung in Anspruch. Denn selbst das
Oberhaupt, welches der Wille der Nation Frankreich gegeben hat. betrachtet
die Verwicklungen in Italien und im Oriente nicht als erwünschte Anbisse,
sondern als verdrießliche Störungen für die Entwicklung einer ersprießlichen
politischen Thätigkeit, Die Unterlage für letztere ist ihm der Friede, so hat
er unlängst wiederholt verkündet. Er bietet England und dem Zollverein Han¬
delsverträge, er mahnt die Franzosen zum Wetteifer mit den andern Natio¬
nen im Austausche von Erzeugnissen der Industrie, der Kunst, der Wissen¬
schaft. Er weiß, daß dies überwiegend das Interesse und der Wille der Na-
tionen ist, und daß Abweichungen der Politik von diesen Zielen auf das Ge¬
biet der Annexionen, Interventionen. Eroberungen nur Wenigen Wohlgefallen
und daher als durch die Verirrungen Anderer aufgenöthigte, vorübergehende
Ausnahmsfälle, keineswegs aber als stätige und normale Objecte politischer
Thätigkeit angesehen werden dürfen.

Indem Regierungen souveräner deutscher Staaten im Einklange mit der
Bundesverfassung einen Vertrag abschlossen, welker die Bedingungen des Han¬
delsverkehrs unter ihnen und nach außen regelt, haben sie einen politischen
Act vollzogen, ihre gemeinsamen Bemühungen für die Förderung der Vereins¬
zwecke sind politischer Natur und betreffen grade diejenigen Angelegenheiten,
welche unter den Aufgaben der Politik zu einer hervorragenden Stelle vorge¬
schritten sind, die Angelegenheiten des internationalen Verkehrs. Die Minister
der auswärtigen Angelegenheiten spielen dabei die Hauptrolle, und was sie
treiben, das ist eben Politik. Aber der Zollverein als solcher ist auch längst
in die Reihe der politischen Körper eingetreten, indem er mit auswärtigen
Staaten Verträge abgeschlossen hat, indem er Expeditionen aussendet und


Andern, nicht weil sie das Nämliche, sondern weil sie das Gegentheil,
die Erstarkung des Zollvereins fürchten. Es ist daher nothwendig, die politische
Seite der Frage näher zu betrachten.

Der deutsche Zollverein ist ein politischer Körper, und indem er sich selbst
als einen Fortschritt zur Herstellung eines Bundesstaates darstellt, wird er nicht
mehr und nicht weniger politisch als bisher. Die Sorge um die Entfaltung
der Production, des Handels, der Bewegung von Menschen und Gütern ist
als die wichtigste Sorge des Staates in seinen auswärtigen Beziehungen an
die Stelle der Pflege von Familien-Interessen getreten. Die Politik der ande¬
ren Staaten ist vorzugsweise eine Handels- und Verkchrspolitik. Erleichte¬
rungen des internationalen Handels, der Schisfarth, Eisenbahn- und Telegra¬
phen-Linien bilden seht die wichtigsten Gegenstände diplomatischer Verhand¬
lungen und Vereinbarungen, und bringen den glücklichen Unterhändlern mehr
Orden ein als ihre übrigen nichtmilitärischen Verdienste. Wenn Vorgänge
aus unsern Tagen zur Bestreitung dieses Satzes angeführt werden können, so
nehmen wir dieselben zu seiner Bekräftigung in Anspruch. Denn selbst das
Oberhaupt, welches der Wille der Nation Frankreich gegeben hat. betrachtet
die Verwicklungen in Italien und im Oriente nicht als erwünschte Anbisse,
sondern als verdrießliche Störungen für die Entwicklung einer ersprießlichen
politischen Thätigkeit, Die Unterlage für letztere ist ihm der Friede, so hat
er unlängst wiederholt verkündet. Er bietet England und dem Zollverein Han¬
delsverträge, er mahnt die Franzosen zum Wetteifer mit den andern Natio¬
nen im Austausche von Erzeugnissen der Industrie, der Kunst, der Wissen¬
schaft. Er weiß, daß dies überwiegend das Interesse und der Wille der Na-
tionen ist, und daß Abweichungen der Politik von diesen Zielen auf das Ge¬
biet der Annexionen, Interventionen. Eroberungen nur Wenigen Wohlgefallen
und daher als durch die Verirrungen Anderer aufgenöthigte, vorübergehende
Ausnahmsfälle, keineswegs aber als stätige und normale Objecte politischer
Thätigkeit angesehen werden dürfen.

Indem Regierungen souveräner deutscher Staaten im Einklange mit der
Bundesverfassung einen Vertrag abschlossen, welker die Bedingungen des Han¬
delsverkehrs unter ihnen und nach außen regelt, haben sie einen politischen
Act vollzogen, ihre gemeinsamen Bemühungen für die Förderung der Vereins¬
zwecke sind politischer Natur und betreffen grade diejenigen Angelegenheiten,
welche unter den Aufgaben der Politik zu einer hervorragenden Stelle vorge¬
schritten sind, die Angelegenheiten des internationalen Verkehrs. Die Minister
der auswärtigen Angelegenheiten spielen dabei die Hauptrolle, und was sie
treiben, das ist eben Politik. Aber der Zollverein als solcher ist auch längst
in die Reihe der politischen Körper eingetreten, indem er mit auswärtigen
Staaten Verträge abgeschlossen hat, indem er Expeditionen aussendet und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/19>, abgerufen am 15.01.2025.