Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sehr geneigt. Ganz wicLeibnitz: denn auch dieser, im Princip unerschütterlich,
wußte in der Anwendung desselben den Umständen außerordentlich Rechnung
zu tragen; seine Mittel gingen nicht aus dem Zweck hervor, sondern waren
für sich.

Nun starb Johann Friedrich 1679 und sein Nachfolger Ernst August
nahm sich mit größerm Eiser der Sache an. Im Gegensatz zu seinem ver¬
storbnen Bruder, der ganz von Ludwig dem Vierzehnten abhing, war er gut
kaiserlich gesinnt; in religiösen Dingen gleichgiltig, und dem Skandal eines
persönlichen Glaubenswcchsels abgeneigt, wollte er gern durch Union der Kir¬
chen den Kaiser verbinden, der ihn zum Kurfürsten machen sollte. Seine Ge¬
mahlin Sophie war eine der bedeutendsten Frauen der Zeit: nicht so gelehrt wie
ihre Schwester Elisabeth, die, um Cartesius ganz zu studiren, die Krone Polens
ausgeschlagen hatte; nicht so wild wie ihre Schwester Hollandine, katho¬
lische Aebtissin von Maubuisson. die kein Bedenken trug, Mr ce veutrs Mi
a xoi't6 yug.t!'ö vnd'eine.s! zu schwören, und die nur taube Nonnen um sich
duldete, um sich nicht mit ihnen zu langweilen (Bischof Bossuet pries sie noch
bei Lebzeiten als künftige Heilige!*): stolz wie die echte Enkelin eines Königs,
und doch im Stande, politischen Rücksichten ihren Ekel vor einer Mesalliance
zu opfern; von brennendem Ehrgeiz und doch sehr vorsichtig in Geschäften,
dem überlegenen Geist ihres kühlen Gemahls gegenüber; leidenschaftlich, und
doch duldsam gegen alle Maitressen Ernst Augusts, um ihren Einfluß nicht zu
beeinträchtigen; geistreich genug, um mit Leibnitz über alle mögliche Dinge zu
Philosophiren, und grade genug Weltdame, um nicht mitunter ihren Spaß
mit ihm zu haben; von sehr Hellem Verstand, ohne alles religiöse Vorurtheil:
sie wartete mit der Konfirmation ihrer Tochter bis zur Heirath, um den un¬
nützen Umständen einer etwa nöthigen zweiten Confirmation zu entgehn. So
war sie ganz für die Unterhandlungen gemacht; ihre Schwester Hollandine, ihre
Schwägerin Anna (die ihren Mann bekehrt hatte) und ihre Nichte Benedicte
nebst den andern Blaustrümpfen ihres Umgangs drangen oft in sie, sich
zu bekehren; sie antwortete artig und spöttisch; aber durch ein Kompromiß die
Zänkereien der Pfarrer zum Schweigen zu bringen: -- "ist ja doch, sagte sie
einmal zu Leibnitz, das Christenthum durch ein Weib zur Welt gekommen, viel¬
leicht gelingt es mir, es wieder herzustellen."

Anfang 1683 kam Spinola mit neuen Vollmachten nach Hannover, und
brachte große Zugeständnisse mit. Nach seinen mündlichen Aeußerungen sollte
in der Säcularisation der geistlichen Güter (für die Fürsten die Hauptsache!)
und in der Priesterehc nichts geändert werden; an einem neu einzuberufenden
Concil sollten die "Ncukatholiken" als Beisitzer theilnehmen, bis dahin sollten



") -- alone, los vsrtus tont vclater x^r doues I'oZIiLe ig. gloirs an hö-me mong,Levi's
av MmbuiWon!! (1684).

sehr geneigt. Ganz wicLeibnitz: denn auch dieser, im Princip unerschütterlich,
wußte in der Anwendung desselben den Umständen außerordentlich Rechnung
zu tragen; seine Mittel gingen nicht aus dem Zweck hervor, sondern waren
für sich.

Nun starb Johann Friedrich 1679 und sein Nachfolger Ernst August
nahm sich mit größerm Eiser der Sache an. Im Gegensatz zu seinem ver¬
storbnen Bruder, der ganz von Ludwig dem Vierzehnten abhing, war er gut
kaiserlich gesinnt; in religiösen Dingen gleichgiltig, und dem Skandal eines
persönlichen Glaubenswcchsels abgeneigt, wollte er gern durch Union der Kir¬
chen den Kaiser verbinden, der ihn zum Kurfürsten machen sollte. Seine Ge¬
mahlin Sophie war eine der bedeutendsten Frauen der Zeit: nicht so gelehrt wie
ihre Schwester Elisabeth, die, um Cartesius ganz zu studiren, die Krone Polens
ausgeschlagen hatte; nicht so wild wie ihre Schwester Hollandine, katho¬
lische Aebtissin von Maubuisson. die kein Bedenken trug, Mr ce veutrs Mi
a xoi't6 yug.t!'ö vnd'eine.s! zu schwören, und die nur taube Nonnen um sich
duldete, um sich nicht mit ihnen zu langweilen (Bischof Bossuet pries sie noch
bei Lebzeiten als künftige Heilige!*): stolz wie die echte Enkelin eines Königs,
und doch im Stande, politischen Rücksichten ihren Ekel vor einer Mesalliance
zu opfern; von brennendem Ehrgeiz und doch sehr vorsichtig in Geschäften,
dem überlegenen Geist ihres kühlen Gemahls gegenüber; leidenschaftlich, und
doch duldsam gegen alle Maitressen Ernst Augusts, um ihren Einfluß nicht zu
beeinträchtigen; geistreich genug, um mit Leibnitz über alle mögliche Dinge zu
Philosophiren, und grade genug Weltdame, um nicht mitunter ihren Spaß
mit ihm zu haben; von sehr Hellem Verstand, ohne alles religiöse Vorurtheil:
sie wartete mit der Konfirmation ihrer Tochter bis zur Heirath, um den un¬
nützen Umständen einer etwa nöthigen zweiten Confirmation zu entgehn. So
war sie ganz für die Unterhandlungen gemacht; ihre Schwester Hollandine, ihre
Schwägerin Anna (die ihren Mann bekehrt hatte) und ihre Nichte Benedicte
nebst den andern Blaustrümpfen ihres Umgangs drangen oft in sie, sich
zu bekehren; sie antwortete artig und spöttisch; aber durch ein Kompromiß die
Zänkereien der Pfarrer zum Schweigen zu bringen: — „ist ja doch, sagte sie
einmal zu Leibnitz, das Christenthum durch ein Weib zur Welt gekommen, viel¬
leicht gelingt es mir, es wieder herzustellen."

Anfang 1683 kam Spinola mit neuen Vollmachten nach Hannover, und
brachte große Zugeständnisse mit. Nach seinen mündlichen Aeußerungen sollte
in der Säcularisation der geistlichen Güter (für die Fürsten die Hauptsache!)
und in der Priesterehc nichts geändert werden; an einem neu einzuberufenden
Concil sollten die „Ncukatholiken" als Beisitzer theilnehmen, bis dahin sollten



") — alone, los vsrtus tont vclater x^r doues I'oZIiLe ig. gloirs an hö-me mong,Levi's
av MmbuiWon!! (1684).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110524"/>
          <p xml:id="ID_481" prev="#ID_480"> sehr geneigt. Ganz wicLeibnitz: denn auch dieser, im Princip unerschütterlich,<lb/>
wußte in der Anwendung desselben den Umständen außerordentlich Rechnung<lb/>
zu tragen; seine Mittel gingen nicht aus dem Zweck hervor, sondern waren<lb/>
für sich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_482"> Nun starb Johann Friedrich 1679 und sein Nachfolger Ernst August<lb/>
nahm sich mit größerm Eiser der Sache an. Im Gegensatz zu seinem ver¬<lb/>
storbnen Bruder, der ganz von Ludwig dem Vierzehnten abhing, war er gut<lb/>
kaiserlich gesinnt; in religiösen Dingen gleichgiltig, und dem Skandal eines<lb/>
persönlichen Glaubenswcchsels abgeneigt, wollte er gern durch Union der Kir¬<lb/>
chen den Kaiser verbinden, der ihn zum Kurfürsten machen sollte. Seine Ge¬<lb/>
mahlin Sophie war eine der bedeutendsten Frauen der Zeit: nicht so gelehrt wie<lb/>
ihre Schwester Elisabeth, die, um Cartesius ganz zu studiren, die Krone Polens<lb/>
ausgeschlagen hatte; nicht so wild wie ihre Schwester Hollandine, katho¬<lb/>
lische Aebtissin von Maubuisson. die kein Bedenken trug, Mr ce veutrs Mi<lb/>
a xoi't6 yug.t!'ö vnd'eine.s! zu schwören, und die nur taube Nonnen um sich<lb/>
duldete, um sich nicht mit ihnen zu langweilen (Bischof Bossuet pries sie noch<lb/>
bei Lebzeiten als künftige Heilige!*): stolz wie die echte Enkelin eines Königs,<lb/>
und doch im Stande, politischen Rücksichten ihren Ekel vor einer Mesalliance<lb/>
zu opfern; von brennendem Ehrgeiz und doch sehr vorsichtig in Geschäften,<lb/>
dem überlegenen Geist ihres kühlen Gemahls gegenüber; leidenschaftlich, und<lb/>
doch duldsam gegen alle Maitressen Ernst Augusts, um ihren Einfluß nicht zu<lb/>
beeinträchtigen; geistreich genug, um mit Leibnitz über alle mögliche Dinge zu<lb/>
Philosophiren, und grade genug Weltdame, um nicht mitunter ihren Spaß<lb/>
mit ihm zu haben; von sehr Hellem Verstand, ohne alles religiöse Vorurtheil:<lb/>
sie wartete mit der Konfirmation ihrer Tochter bis zur Heirath, um den un¬<lb/>
nützen Umständen einer etwa nöthigen zweiten Confirmation zu entgehn. So<lb/>
war sie ganz für die Unterhandlungen gemacht; ihre Schwester Hollandine, ihre<lb/>
Schwägerin Anna (die ihren Mann bekehrt hatte) und ihre Nichte Benedicte<lb/>
nebst den andern Blaustrümpfen ihres Umgangs drangen oft in sie, sich<lb/>
zu bekehren; sie antwortete artig und spöttisch; aber durch ein Kompromiß die<lb/>
Zänkereien der Pfarrer zum Schweigen zu bringen: &#x2014; &#x201E;ist ja doch, sagte sie<lb/>
einmal zu Leibnitz, das Christenthum durch ein Weib zur Welt gekommen, viel¬<lb/>
leicht gelingt es mir, es wieder herzustellen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_483" next="#ID_484"> Anfang 1683 kam Spinola mit neuen Vollmachten nach Hannover, und<lb/>
brachte große Zugeständnisse mit. Nach seinen mündlichen Aeußerungen sollte<lb/>
in der Säcularisation der geistlichen Güter (für die Fürsten die Hauptsache!)<lb/>
und in der Priesterehc nichts geändert werden; an einem neu einzuberufenden<lb/>
Concil sollten die &#x201E;Ncukatholiken" als Beisitzer theilnehmen, bis dahin sollten</p><lb/>
          <note xml:id="FID_19" place="foot"> ") &#x2014; alone, los vsrtus tont vclater x^r doues I'oZIiLe ig. gloirs an hö-me mong,Levi's<lb/>
av MmbuiWon!! (1684).</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] sehr geneigt. Ganz wicLeibnitz: denn auch dieser, im Princip unerschütterlich, wußte in der Anwendung desselben den Umständen außerordentlich Rechnung zu tragen; seine Mittel gingen nicht aus dem Zweck hervor, sondern waren für sich. Nun starb Johann Friedrich 1679 und sein Nachfolger Ernst August nahm sich mit größerm Eiser der Sache an. Im Gegensatz zu seinem ver¬ storbnen Bruder, der ganz von Ludwig dem Vierzehnten abhing, war er gut kaiserlich gesinnt; in religiösen Dingen gleichgiltig, und dem Skandal eines persönlichen Glaubenswcchsels abgeneigt, wollte er gern durch Union der Kir¬ chen den Kaiser verbinden, der ihn zum Kurfürsten machen sollte. Seine Ge¬ mahlin Sophie war eine der bedeutendsten Frauen der Zeit: nicht so gelehrt wie ihre Schwester Elisabeth, die, um Cartesius ganz zu studiren, die Krone Polens ausgeschlagen hatte; nicht so wild wie ihre Schwester Hollandine, katho¬ lische Aebtissin von Maubuisson. die kein Bedenken trug, Mr ce veutrs Mi a xoi't6 yug.t!'ö vnd'eine.s! zu schwören, und die nur taube Nonnen um sich duldete, um sich nicht mit ihnen zu langweilen (Bischof Bossuet pries sie noch bei Lebzeiten als künftige Heilige!*): stolz wie die echte Enkelin eines Königs, und doch im Stande, politischen Rücksichten ihren Ekel vor einer Mesalliance zu opfern; von brennendem Ehrgeiz und doch sehr vorsichtig in Geschäften, dem überlegenen Geist ihres kühlen Gemahls gegenüber; leidenschaftlich, und doch duldsam gegen alle Maitressen Ernst Augusts, um ihren Einfluß nicht zu beeinträchtigen; geistreich genug, um mit Leibnitz über alle mögliche Dinge zu Philosophiren, und grade genug Weltdame, um nicht mitunter ihren Spaß mit ihm zu haben; von sehr Hellem Verstand, ohne alles religiöse Vorurtheil: sie wartete mit der Konfirmation ihrer Tochter bis zur Heirath, um den un¬ nützen Umständen einer etwa nöthigen zweiten Confirmation zu entgehn. So war sie ganz für die Unterhandlungen gemacht; ihre Schwester Hollandine, ihre Schwägerin Anna (die ihren Mann bekehrt hatte) und ihre Nichte Benedicte nebst den andern Blaustrümpfen ihres Umgangs drangen oft in sie, sich zu bekehren; sie antwortete artig und spöttisch; aber durch ein Kompromiß die Zänkereien der Pfarrer zum Schweigen zu bringen: — „ist ja doch, sagte sie einmal zu Leibnitz, das Christenthum durch ein Weib zur Welt gekommen, viel¬ leicht gelingt es mir, es wieder herzustellen." Anfang 1683 kam Spinola mit neuen Vollmachten nach Hannover, und brachte große Zugeständnisse mit. Nach seinen mündlichen Aeußerungen sollte in der Säcularisation der geistlichen Güter (für die Fürsten die Hauptsache!) und in der Priesterehc nichts geändert werden; an einem neu einzuberufenden Concil sollten die „Ncukatholiken" als Beisitzer theilnehmen, bis dahin sollten ") — alone, los vsrtus tont vclater x^r doues I'oZIiLe ig. gloirs an hö-me mong,Levi's av MmbuiWon!! (1684).

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/176
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/176>, abgerufen am 15.01.2025.