Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.lassung erbärmlich verkamen, ebenfalls als Handwerker ein erträgliches Fort¬ Daß bei dem Drucke, der auf dem Handwerkerstande lastete, und bei der lassung erbärmlich verkamen, ebenfalls als Handwerker ein erträgliches Fort¬ Daß bei dem Drucke, der auf dem Handwerkerstande lastete, und bei der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110498"/> <p xml:id="ID_393" prev="#ID_392"> lassung erbärmlich verkamen, ebenfalls als Handwerker ein erträgliches Fort¬<lb/> kommen suchen mußten, fügen wir dazu die Härte und Grausamkeit, mit der<lb/> die Römer ihre Sklaven zu behandeln pflegten und vielleicht zu behandeln ge¬<lb/> nöthigt waren, vergessen wir endlich nicht, wie viel die Proscnptioncn, die<lb/> Bürgerkriege, die Militärkolonien zur Verarmung und Entsittlichung des Volks<lb/> beitrugen, und wie alle diese Uebel die untersten, die Arbeiterclassen, doch zuletzt<lb/> am härtesten trafen, so werden wir den gleichzeitigen Schriftstellern, wenn sie<lb/> von diesen Handwerkern nur in wegwerfenden Tone sprechen, beistimmen und<lb/> Shakespeare bewundern müssen, der uns in seinen Dramen aus der römischen<lb/> Geschichte mit so richtigem Tacte dieses Geschlecht gezeichnet, ganz so bornirt<lb/> und feige, so dreist, so wetterwendisch und so schäbig, wie es wirklich war.<lb/> nur vielleicht weniger verrucht und verkommen. Freilich ist es nicht die Plebs<lb/> aus der Zeit des Coriolan. es ist die Plebs überhaupt nicht, es ist vielmehr<lb/> der Handwerkerpöbel, der es zu einem Handwerkerstande nicht bringen konnte,<lb/> jener Pöbel aus der Zeit Cäsars, ohne Credit, ohne Hoffnung, ohne Heimat<lb/> und ohne Vermögen, der über Brod und Fechterspielen die Ehre verloren hatte,<lb/> das Gefühl der Pflicht und den Sinn für das Vaterland und für die Götter<lb/> der Ahnen. War er schon in alter Zeit durch die Ungunst der Verhältnisse<lb/> erniedrigt, so daß die Tochter eines Handwerkers ebenso wenig wie die eines<lb/> Sklaven Hüterin des heiligen Feuers der Vesta werden konnte, so war jetzt durch<lb/> eigne Schuld die Erniedrigung eine so tiefe und völlige geworden, daß an eine<lb/> Erhebung aus eigner Kraft nicht mehr zu denken war. Die Hilfe mußte von<lb/> Außen kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_394" next="#ID_395"> Daß bei dem Drucke, der auf dem Handwerkerstande lastete, und bei der<lb/> nüchternen und aus das Praktische gerichteten Anschauungsweise der Quinten<lb/> die Kunst sich nicht selbständig aus dem Handwerke entwickeln und zu hoher<lb/> Geltung gelangen konnte, war natürlich. Der Römer erkannte in früherer<lb/> Zeit wol gar keinen, und auch später nur einen geringen Unterschied an zwi¬<lb/> schen banauser Thätigkeit und höherem künstlerischen Schaffen, was uns um<lb/> so weniger Wunder nehmen wird, wenn wir bedenken, daß selbst bis auf die<lb/> neueste Zeit „Künstler, Professionisten und Handwerkern" von der Gesetzgebung<lb/> wett intelligenterer Staaten oft genug zusammengeworfen worden sind, wie<lb/> dies unter andern in „Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Sachsen :c. Man¬<lb/> dat die Generalinnungsarticul der sächsischen Lande betreffend" geschehen ist,<lb/> das heißt in einem Statute, welches zwar im Januar 1780 ausgestellt wurde,<lb/> aber in der Hauptsache noch heute als maßgebend für Künstler- und Hand¬<lb/> werksgenossenschaften gilt. Wie schwer es das Vorurtheil der Römer dem<lb/> Fabius Pictor gemacht hat. seinem Drange zu künstlerischer Gestaltung zu ge¬<lb/> nügen, darüber haben wir hinreichende Andeutungen. Zu eigentlich römischen<lb/> Kunstschöpfungen kam es daher nie: Etrusker und Griechen waren wol die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
lassung erbärmlich verkamen, ebenfalls als Handwerker ein erträgliches Fort¬
kommen suchen mußten, fügen wir dazu die Härte und Grausamkeit, mit der
die Römer ihre Sklaven zu behandeln pflegten und vielleicht zu behandeln ge¬
nöthigt waren, vergessen wir endlich nicht, wie viel die Proscnptioncn, die
Bürgerkriege, die Militärkolonien zur Verarmung und Entsittlichung des Volks
beitrugen, und wie alle diese Uebel die untersten, die Arbeiterclassen, doch zuletzt
am härtesten trafen, so werden wir den gleichzeitigen Schriftstellern, wenn sie
von diesen Handwerkern nur in wegwerfenden Tone sprechen, beistimmen und
Shakespeare bewundern müssen, der uns in seinen Dramen aus der römischen
Geschichte mit so richtigem Tacte dieses Geschlecht gezeichnet, ganz so bornirt
und feige, so dreist, so wetterwendisch und so schäbig, wie es wirklich war.
nur vielleicht weniger verrucht und verkommen. Freilich ist es nicht die Plebs
aus der Zeit des Coriolan. es ist die Plebs überhaupt nicht, es ist vielmehr
der Handwerkerpöbel, der es zu einem Handwerkerstande nicht bringen konnte,
jener Pöbel aus der Zeit Cäsars, ohne Credit, ohne Hoffnung, ohne Heimat
und ohne Vermögen, der über Brod und Fechterspielen die Ehre verloren hatte,
das Gefühl der Pflicht und den Sinn für das Vaterland und für die Götter
der Ahnen. War er schon in alter Zeit durch die Ungunst der Verhältnisse
erniedrigt, so daß die Tochter eines Handwerkers ebenso wenig wie die eines
Sklaven Hüterin des heiligen Feuers der Vesta werden konnte, so war jetzt durch
eigne Schuld die Erniedrigung eine so tiefe und völlige geworden, daß an eine
Erhebung aus eigner Kraft nicht mehr zu denken war. Die Hilfe mußte von
Außen kommen.
Daß bei dem Drucke, der auf dem Handwerkerstande lastete, und bei der
nüchternen und aus das Praktische gerichteten Anschauungsweise der Quinten
die Kunst sich nicht selbständig aus dem Handwerke entwickeln und zu hoher
Geltung gelangen konnte, war natürlich. Der Römer erkannte in früherer
Zeit wol gar keinen, und auch später nur einen geringen Unterschied an zwi¬
schen banauser Thätigkeit und höherem künstlerischen Schaffen, was uns um
so weniger Wunder nehmen wird, wenn wir bedenken, daß selbst bis auf die
neueste Zeit „Künstler, Professionisten und Handwerkern" von der Gesetzgebung
wett intelligenterer Staaten oft genug zusammengeworfen worden sind, wie
dies unter andern in „Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Sachsen :c. Man¬
dat die Generalinnungsarticul der sächsischen Lande betreffend" geschehen ist,
das heißt in einem Statute, welches zwar im Januar 1780 ausgestellt wurde,
aber in der Hauptsache noch heute als maßgebend für Künstler- und Hand¬
werksgenossenschaften gilt. Wie schwer es das Vorurtheil der Römer dem
Fabius Pictor gemacht hat. seinem Drange zu künstlerischer Gestaltung zu ge¬
nügen, darüber haben wir hinreichende Andeutungen. Zu eigentlich römischen
Kunstschöpfungen kam es daher nie: Etrusker und Griechen waren wol die
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