Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Landleben überwog auch bei den Plebejern. Sie hatten dieselbe vermuthlich in der War es demnach den vornehmen Plebejern bei ihren scheinbar volks- Grenzlwten IV. 18LV, 17
Landleben überwog auch bei den Plebejern. Sie hatten dieselbe vermuthlich in der War es demnach den vornehmen Plebejern bei ihren scheinbar volks- Grenzlwten IV. 18LV, 17
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Landleben überwog auch bei den Plebejern. Sie hatten dieselbe vermuthlich in der
Periode der römischen Geschichte, die durch die Königsnamen Altens Marcius,
Tarquinius Priscus, Servius Tullius und Tarquinius Superbus bezeichnet
wird, aus ihrer ladinischen Heimat mit nach Rom gebracht, und sie war so
tief und innig mit ihrem ganzen Wesen verwachsen, daß sie kaum ihre Selb¬
ständigkeit und privatrechtliche Ebenbürtigkeit den alten Adelsgeschlechtern
gegenüber erlangt hatten, als sie auch die staatsrechtliche Gleichstellung mit
diesen zu erreichen suchten nicht wie die deutschen Städter durch Bildung von
geschlossenen Körperschaften, welche stark genug waren von den adligen Herren
und ritterbürtigem Patriciern die Anerkennung billiger Gemeinderechte zu er¬
zwingen, sondern vielmehr durch Erwerbung von Grundbesitz, welcher dem
der Altbürger Roms an Ausdehnung nicht nachstehn sollte. Bekanntlich wur¬
den ihre Bestrebungen von vollständigem Erfolge gekrönt: verstärkt durch neue
Zuflüsse aus den benachbarten Städten und Stadtgebieten erlangten die Ple¬
bejer, die anfangs wol schwerlich um Vieles besser gestellt waren als die
Schutzverwandten in den griechischen Staaten, schon im Jahre 388 nach Er¬
bauung der Stadt das Consulat und gewannen rasch und ohne bedeutende
legislative Kämpfe Zutritt zu den übrige» hohen Staatsämtern, welche das
überwundene Patriciat vergebens für sich zu retten gehofft hatte. Für den
ärmern Standesgenossen, der den Mangel von Grundbesitz etwa durch Fleiß
und Geschick auszugleichen suchte, hatte der vornehme Plebejer kein Herz und
kein Interesse: drückte ihn der Hunger, schmachtete seine Familie in Noth und
Dürftigkeit, so konnte er ja sich und den Seinen das tägliche Brod mit seiner
Selbständigkeit erkaufen und in die Clientel eines patricischen oder plebeji¬
schen Grundherrn treten. Zu darben brauchte er da nicht, und obendrein
bekam er wol noch ein kleines Stück Land angewiesen, von welchem er für
seinen Patron und für sich den Segen der Ceres erwarten konnte. Wie hart
es für den Freien sei, das Brod der Knechtschaft zu essen, daran dachte die
neue Nobilitüt nicht, woran sie vielmehr dachte, das beweist der Umstand,
daß der edelmüthige Borkämpfer der Plebs, Licinius Stolo, in die von ihm
selbst angeordnete Strafe verfiel, weil er mit hinterlistiger Umgehung seines
eigenen Gesetzes tausend Morgen Landes besaß und fünfhundert davon durch
einen Scheinvertrag an seinen zu diesem Zwecke emancipirten Sohn abge¬
treten hatte.
War es demnach den vornehmen Plebejern bei ihren scheinbar volks-
thümlichen Bestrebungen vielmehr um Erweiterung ihrer eigenen Standes¬
rechte eilf um die Verbesserung der gedrückten socialen Lage ihrer ärmern
Mitbürger zu thun, so können wir doch auch die letzteren von dem Vorwürfe
nicht frei sprechen, daß sie keine oder nur geringe Anstrengungen machten zur
Beseitigung des Druckes, der auf ihnen lastete. Frei von Steuern und vom
Grenzlwten IV. 18LV, 17
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