Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.land erwerben, es soll den Vorjprung vor Oestreich gewinnen, es soll Schles¬ Man hat den Freiherr v. Stein vielfach gefeiert; es dürfte zweckmäßig In ganz ruhigen Zeiten könnte man diesen Zustand, wo man sich dar¬ Ist im gegenwärtigen Augenblick Preußen innerlich so geordnet, um einer Die neuen Ernennungen zum Herrenhause, die man seit einem halben land erwerben, es soll den Vorjprung vor Oestreich gewinnen, es soll Schles¬ Man hat den Freiherr v. Stein vielfach gefeiert; es dürfte zweckmäßig In ganz ruhigen Zeiten könnte man diesen Zustand, wo man sich dar¬ Ist im gegenwärtigen Augenblick Preußen innerlich so geordnet, um einer Die neuen Ernennungen zum Herrenhause, die man seit einem halben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110484"/> <p xml:id="ID_352" prev="#ID_351"> land erwerben, es soll den Vorjprung vor Oestreich gewinnen, es soll Schles¬<lb/> wig-Holstein befreien, es soll die Franzosen und Russen schlagen n, s, w. Das<lb/> alles sind Wünsche, die man zum Theil billigen kann und die auch nicht<lb/> außer dem Bereich der Möglichkeit liegen; aber ehe man irgend eins von<lb/> ihnen anfängt, muß vorher etwas anderes geschehn: — Preußen muß in<lb/> seinem eigenen Lande Herr sein, oder um eine gemeine Redensart zu brau¬<lb/> chen, man muß wissen, wer Koch und wer Kellner ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_353"> Man hat den Freiherr v. Stein vielfach gefeiert; es dürfte zweckmäßig<lb/> sein, an einen Zug seiner früheren politischen Wirksamkeit zu erinnern. Er<lb/> war Minister und machte mit mehrern seiner Kollegen eine Eingabe, in wel¬<lb/> cher er dem König auseinandersetzte, daß Preußen zu Grunde gehn müsse,<lb/> wenn die bisherige Doppelregierung fortbestände, die Regierung dnrch das<lb/> Ministerium einerseits, die Regierung durch das Cabinet andrerseits. Diese<lb/> Eingabe zog ihm die allerhöchste Ungnade zu, aber der Erfolg zeigte, daß er<lb/> recht gesehn. In der That, wie kann namentlich in einer Monarchie die<lb/> Staatsmaschine sich fortbewege», wenn ein Rad das andre hemmt? wenn<lb/> eine Partei im Namen des Königs handelt und die andere entgegengesetzte<lb/> dasselbe zu thun vorgibt? wenn beide sich gegenseitig als die Feinde des<lb/> Vaterlandes anklagen und beide das Königthum in ihre Parteikämpfe herein-<lb/> ziehn?</p><lb/> <p xml:id="ID_354"> In ganz ruhigen Zeiten könnte man diesen Zustand, wo man sich dar¬<lb/> über streitet, was der höchste souveräne Wille eigentlich will, noch ertragen;<lb/> unerträglich aber wird er in einer Zeit, wo jeden Augenblick eine Katastrophe<lb/> eintreten kann, die den Staat zwingt, mit seiner ganzen Lebenskraft um Sieg<lb/> oder Untergang zu spielen.</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Ist im gegenwärtigen Augenblick Preußen innerlich so geordnet, um einer<lb/> solchen Katastrophe mit Ruhe entgegen zu sehn? — Wir wollen einzelne Punkte<lb/> hervorheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_356" next="#ID_357"> Die neuen Ernennungen zum Herrenhause, die man seit einem halben<lb/> Jahr erwartete, sind erfolgt. Man hat sie von beiden Seiten mit Antheil,<lb/> hier mit Neigung, dort mit Abneigung besprochen; eine große Aufregung aber<lb/> haben sie unsers Wissen nicht hervorgebracht. Vor einem halben Jahr wären<lb/> sie ein ungeheures Ereigniß gewesen. Denn da sie nicht vom Ministerium,<lb/> sondern von der Krone ausgehn, so wäre durch sie die Insinuation der Junker¬<lb/> partei, als bestände zwischen der Krone und dem Ministerium Uneinigkeit,<lb/> schlagend widerlegt worden; die Krone hätte dem Herrenhaus gezeigt, daß sie<lb/> im Verein mit den Landesvertretern die Macht besitzt, seinen principiellen Wi¬<lb/> derstand zu brechen, und den Willen, von dieser Macht Gebrauch zu machen.<lb/> In diesem Augenblick dagegen hat man wenig an das Herrenhaus gedacht,<lb/> und wenn auch im ersten Unwillen von der Kreuzzeitungspartei manche our-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
land erwerben, es soll den Vorjprung vor Oestreich gewinnen, es soll Schles¬
wig-Holstein befreien, es soll die Franzosen und Russen schlagen n, s, w. Das
alles sind Wünsche, die man zum Theil billigen kann und die auch nicht
außer dem Bereich der Möglichkeit liegen; aber ehe man irgend eins von
ihnen anfängt, muß vorher etwas anderes geschehn: — Preußen muß in
seinem eigenen Lande Herr sein, oder um eine gemeine Redensart zu brau¬
chen, man muß wissen, wer Koch und wer Kellner ist.
Man hat den Freiherr v. Stein vielfach gefeiert; es dürfte zweckmäßig
sein, an einen Zug seiner früheren politischen Wirksamkeit zu erinnern. Er
war Minister und machte mit mehrern seiner Kollegen eine Eingabe, in wel¬
cher er dem König auseinandersetzte, daß Preußen zu Grunde gehn müsse,
wenn die bisherige Doppelregierung fortbestände, die Regierung dnrch das
Ministerium einerseits, die Regierung durch das Cabinet andrerseits. Diese
Eingabe zog ihm die allerhöchste Ungnade zu, aber der Erfolg zeigte, daß er
recht gesehn. In der That, wie kann namentlich in einer Monarchie die
Staatsmaschine sich fortbewege», wenn ein Rad das andre hemmt? wenn
eine Partei im Namen des Königs handelt und die andere entgegengesetzte
dasselbe zu thun vorgibt? wenn beide sich gegenseitig als die Feinde des
Vaterlandes anklagen und beide das Königthum in ihre Parteikämpfe herein-
ziehn?
In ganz ruhigen Zeiten könnte man diesen Zustand, wo man sich dar¬
über streitet, was der höchste souveräne Wille eigentlich will, noch ertragen;
unerträglich aber wird er in einer Zeit, wo jeden Augenblick eine Katastrophe
eintreten kann, die den Staat zwingt, mit seiner ganzen Lebenskraft um Sieg
oder Untergang zu spielen.
Ist im gegenwärtigen Augenblick Preußen innerlich so geordnet, um einer
solchen Katastrophe mit Ruhe entgegen zu sehn? — Wir wollen einzelne Punkte
hervorheben.
Die neuen Ernennungen zum Herrenhause, die man seit einem halben
Jahr erwartete, sind erfolgt. Man hat sie von beiden Seiten mit Antheil,
hier mit Neigung, dort mit Abneigung besprochen; eine große Aufregung aber
haben sie unsers Wissen nicht hervorgebracht. Vor einem halben Jahr wären
sie ein ungeheures Ereigniß gewesen. Denn da sie nicht vom Ministerium,
sondern von der Krone ausgehn, so wäre durch sie die Insinuation der Junker¬
partei, als bestände zwischen der Krone und dem Ministerium Uneinigkeit,
schlagend widerlegt worden; die Krone hätte dem Herrenhaus gezeigt, daß sie
im Verein mit den Landesvertretern die Macht besitzt, seinen principiellen Wi¬
derstand zu brechen, und den Willen, von dieser Macht Gebrauch zu machen.
In diesem Augenblick dagegen hat man wenig an das Herrenhaus gedacht,
und wenn auch im ersten Unwillen von der Kreuzzeitungspartei manche our-
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