Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Eine politische Betrachtung bei Gelegenheit des berliner Jnbilnnlns. Manch Wort des Jubels wird in diesen Tagen in Berlin ertönen, wenn Nicht im Sinn der französischen Centralisation hat sich die berliner Ani> Grenzboten IV. 1860. 16
Eine politische Betrachtung bei Gelegenheit des berliner Jnbilnnlns. Manch Wort des Jubels wird in diesen Tagen in Berlin ertönen, wenn Nicht im Sinn der französischen Centralisation hat sich die berliner Ani> Grenzboten IV. 1860. 16
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110481"/> </div> <div n="1"> <head> Eine politische Betrachtung bei Gelegenheit des berliner<lb/> Jnbilnnlns.</head><lb/> <p xml:id="ID_340"> Manch Wort des Jubels wird in diesen Tagen in Berlin ertönen, wenn<lb/> man auf die fünfzig Jahre zurückblickt, die seit Gründung der Universität ver¬<lb/> flossen sind. Wol hat man Grund dazu, denn seit dieser Periode steht Ber¬<lb/> lin, das vorher in dem geistigen Leben der Nation fast nur eine negative<lb/> Stellung einnahm, entschieden in dem Mittelpunkt desselben. Nicht etwa in<lb/> dem Sinn, wie die Hauptstadt Frankreichs den Provinzen das geistige Lebens¬<lb/> blut aussaugt: so ist es nie bei uns gewesen und dahin soll es nie kommen.<lb/> Die Vertheidiger der Kleinstaaterei mögen darüber außer Sorge sein: auch<lb/> wenn es einmal dahin kommt, daß den heißen Wünschen des Rolls gemäß<lb/> Deutschland sich zu einem Einheitsstaat entwickelt, wird doch die centrifugale<lb/> Kraft des deutschen Lebens sich in der Wissenschaft und Literatur ebenso gel¬<lb/> tend machen, als in allen übrigen Gebieten. Nicht die Höfe sind die Träger<lb/> der individuellen Entwicklung Deutschlands gewesen, sondern die Universitäten,<lb/> die Pflanzstätten der Tradition sowol als die Tummelplätze aller großen geisti¬<lb/> gen Kämpfe. Preußen hat in seinem Gebiet eine Reihe tüchtiger Universitäten<lb/> ertragen; schon lange hatten Königsberg und Halle geblüht, ehe Berlin an die<lb/> Reihe kam, und nach der Gründung der berliner Universität haben nicht blos<lb/> jene beiden, sondern auch Bonn und Breslau ihre volle Selbständigkeit ge¬<lb/> wahrt. Das individuelle Leben der deutschen Hochschulen wird sich nicht ab¬<lb/> schwächen, sondern erhöhen, sobald ihre Beziehung zu den kleinen Residenzen<lb/> aufhört.</p><lb/> <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Nicht im Sinn der französischen Centralisation hat sich die berliner Ani><lb/> persieae in die Mitte der deutschen Cultur gestellt, sondern in dem Sinn, daß<lb/> jedes Moment der deutschen Bildung in Berlin seinen würdigen Vertreter fand.<lb/> Bereits die erste Gründung der Universität ist durch eine Reihe glänzender<lb/> Namen aus allen Richtungen verherrlicht; Berlin war der Mittelpunkt der<lb/> historischen wie der philosophischen Schule, und dies dauerte fort bis in die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1860. 16</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
Eine politische Betrachtung bei Gelegenheit des berliner
Jnbilnnlns.
Manch Wort des Jubels wird in diesen Tagen in Berlin ertönen, wenn
man auf die fünfzig Jahre zurückblickt, die seit Gründung der Universität ver¬
flossen sind. Wol hat man Grund dazu, denn seit dieser Periode steht Ber¬
lin, das vorher in dem geistigen Leben der Nation fast nur eine negative
Stellung einnahm, entschieden in dem Mittelpunkt desselben. Nicht etwa in
dem Sinn, wie die Hauptstadt Frankreichs den Provinzen das geistige Lebens¬
blut aussaugt: so ist es nie bei uns gewesen und dahin soll es nie kommen.
Die Vertheidiger der Kleinstaaterei mögen darüber außer Sorge sein: auch
wenn es einmal dahin kommt, daß den heißen Wünschen des Rolls gemäß
Deutschland sich zu einem Einheitsstaat entwickelt, wird doch die centrifugale
Kraft des deutschen Lebens sich in der Wissenschaft und Literatur ebenso gel¬
tend machen, als in allen übrigen Gebieten. Nicht die Höfe sind die Träger
der individuellen Entwicklung Deutschlands gewesen, sondern die Universitäten,
die Pflanzstätten der Tradition sowol als die Tummelplätze aller großen geisti¬
gen Kämpfe. Preußen hat in seinem Gebiet eine Reihe tüchtiger Universitäten
ertragen; schon lange hatten Königsberg und Halle geblüht, ehe Berlin an die
Reihe kam, und nach der Gründung der berliner Universität haben nicht blos
jene beiden, sondern auch Bonn und Breslau ihre volle Selbständigkeit ge¬
wahrt. Das individuelle Leben der deutschen Hochschulen wird sich nicht ab¬
schwächen, sondern erhöhen, sobald ihre Beziehung zu den kleinen Residenzen
aufhört.
Nicht im Sinn der französischen Centralisation hat sich die berliner Ani>
persieae in die Mitte der deutschen Cultur gestellt, sondern in dem Sinn, daß
jedes Moment der deutschen Bildung in Berlin seinen würdigen Vertreter fand.
Bereits die erste Gründung der Universität ist durch eine Reihe glänzender
Namen aus allen Richtungen verherrlicht; Berlin war der Mittelpunkt der
historischen wie der philosophischen Schule, und dies dauerte fort bis in die
Grenzboten IV. 1860. 16
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |