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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Ob der Herr Commissär denn gar keine Vorstellung davon gehabt hat.
wie überaus lächerlich sich die Emphase ausnahm, mit der er diesen ab¬
geschmackten Beweis führte!

Aehnliches gilt von den zahlreichen Verboten von Büchern und Land¬
karten, die nur von Schleswig verbannt sind -- Verbote, die jedem Bewoh¬
ner dieses Herzogthums, wenn er sicher sein will, nicht unwissentlich gegen
den Willen der Regierung zu verstoßen und in Strafe zu verfallen, die Noth¬
wendigkeit auferlegen, sich das mit jedem Jahre wachsende Verzeichnis; der
Schriften anzuschaffen, deren Besitz untersagt ist.

In gleichem Sinne wird die Tagespresse behandelt, und so ist es völlig
unmöglich, in Schleswig ein Organ zu halten, welches die Interessen und
Wünsche der Majorität der Bewohner des Herzogthums vertritt. Druckschrif¬
ten unter sieben Bogen, mithin alle Zeitungen, müssen vor der Vertheilung
der Ortspolizcibehörde vorgelegt werden. Die Wochen- und Tagesblätter be¬
dürfen noch außerdem eines besondern Privilegiums, das jeden Augenblick
genommen werden kann, sowie einer speciellen Erlaubniß für die Aufnahme
politischer Aufsätze und Berichte. Auswärts gedruckten Schriften und Zeitun¬
gen ergeht es nicht besser, obwol für sie kein gesetzliches Hinderniß besteht.
Die einheimische Presse in Schleswig besitzt fast nur solche Blätter, die Local-
anzeigen bringen. Nur zwei Zeitungen politischen Inhalts erscheinen täglich:
Die "Flensburger Zeitung" und die "Dannevirke", zwei kleine garstige Schlamm¬
vulkane, deren Hauptaufgabe darin besteht, Alles, was an deutsches Wesen und
deutsche Bestrebungen in und außer dem Herzogthum erinnert, auf das Niederträch¬
tigste zu besudeln. Diese haben nicht nur vollständigste Preßfreiheit. sondern
sie werden sogar auf Kosten des Landes mit jährlich 4000 Rthlrn. subven-
tionirt, und wenn sie täglich in Persönlichkeiten, Verleumdungen und Belei¬
digungen Erstaunliches leisten, so steht den von ihnen Gemißhandelten keinerlei
Erwiderung oder Vertheidigung frei. Selbst die Hamburger Blätter äußern
sich, um nicht im Herzogthum verboten zu werden, nur selten, und dann mit
großer Vorsicht über Schleswiger Zustände und Ereignisse.

Ein Petitionsrecht besteht nur insofern, als jeder Bewohner Schleswigs
für sich einzeln eine Bittschrift einreichen kann. Das Recht freier Versamm¬
lung oder Vereinigung existirt gar nicht. "Zur gemeinsamen mündlichen oder
schriftlichen Vorbringung eines, öffentliche Angelegenheiten betreffenden An¬
liegens." sagt die Verfassung, "dürfen nur die verfassungsmäßigen Vertreter
einer gesetzlich anerkannten Corporation, und auch diese nur dann sich ver¬
einigen, wenn der Gegenstand des Anliegens (der Petition oder Adresse) nicht
eine allgemeine Landesangelegenheit ist, sondern lediglich das besondere In¬
teresse der von den Bittstellern vertretenen Corporation betrifft." Jede andere
Vereinigung zu dem gedachten Zwecke, jede Unterzeichnung einer Massen-


Ob der Herr Commissär denn gar keine Vorstellung davon gehabt hat.
wie überaus lächerlich sich die Emphase ausnahm, mit der er diesen ab¬
geschmackten Beweis führte!

Aehnliches gilt von den zahlreichen Verboten von Büchern und Land¬
karten, die nur von Schleswig verbannt sind — Verbote, die jedem Bewoh¬
ner dieses Herzogthums, wenn er sicher sein will, nicht unwissentlich gegen
den Willen der Regierung zu verstoßen und in Strafe zu verfallen, die Noth¬
wendigkeit auferlegen, sich das mit jedem Jahre wachsende Verzeichnis; der
Schriften anzuschaffen, deren Besitz untersagt ist.

In gleichem Sinne wird die Tagespresse behandelt, und so ist es völlig
unmöglich, in Schleswig ein Organ zu halten, welches die Interessen und
Wünsche der Majorität der Bewohner des Herzogthums vertritt. Druckschrif¬
ten unter sieben Bogen, mithin alle Zeitungen, müssen vor der Vertheilung
der Ortspolizcibehörde vorgelegt werden. Die Wochen- und Tagesblätter be¬
dürfen noch außerdem eines besondern Privilegiums, das jeden Augenblick
genommen werden kann, sowie einer speciellen Erlaubniß für die Aufnahme
politischer Aufsätze und Berichte. Auswärts gedruckten Schriften und Zeitun¬
gen ergeht es nicht besser, obwol für sie kein gesetzliches Hinderniß besteht.
Die einheimische Presse in Schleswig besitzt fast nur solche Blätter, die Local-
anzeigen bringen. Nur zwei Zeitungen politischen Inhalts erscheinen täglich:
Die „Flensburger Zeitung" und die „Dannevirke", zwei kleine garstige Schlamm¬
vulkane, deren Hauptaufgabe darin besteht, Alles, was an deutsches Wesen und
deutsche Bestrebungen in und außer dem Herzogthum erinnert, auf das Niederträch¬
tigste zu besudeln. Diese haben nicht nur vollständigste Preßfreiheit. sondern
sie werden sogar auf Kosten des Landes mit jährlich 4000 Rthlrn. subven-
tionirt, und wenn sie täglich in Persönlichkeiten, Verleumdungen und Belei¬
digungen Erstaunliches leisten, so steht den von ihnen Gemißhandelten keinerlei
Erwiderung oder Vertheidigung frei. Selbst die Hamburger Blätter äußern
sich, um nicht im Herzogthum verboten zu werden, nur selten, und dann mit
großer Vorsicht über Schleswiger Zustände und Ereignisse.

Ein Petitionsrecht besteht nur insofern, als jeder Bewohner Schleswigs
für sich einzeln eine Bittschrift einreichen kann. Das Recht freier Versamm¬
lung oder Vereinigung existirt gar nicht. „Zur gemeinsamen mündlichen oder
schriftlichen Vorbringung eines, öffentliche Angelegenheiten betreffenden An¬
liegens." sagt die Verfassung, „dürfen nur die verfassungsmäßigen Vertreter
einer gesetzlich anerkannten Corporation, und auch diese nur dann sich ver¬
einigen, wenn der Gegenstand des Anliegens (der Petition oder Adresse) nicht
eine allgemeine Landesangelegenheit ist, sondern lediglich das besondere In¬
teresse der von den Bittstellern vertretenen Corporation betrifft." Jede andere
Vereinigung zu dem gedachten Zwecke, jede Unterzeichnung einer Massen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/497>, abgerufen am 25.07.2024.