Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.tont; auch Edelmann blieb ihr nicht fern, der in seinen Irrfahrten mystischen (Schluß im nächsten Heft.) Von der preußischen Grenze. Nachdem wir im vorigen Heft über den bevorstehenden Congreß des National¬ 60*
tont; auch Edelmann blieb ihr nicht fern, der in seinen Irrfahrten mystischen (Schluß im nächsten Heft.) Von der preußischen Grenze. Nachdem wir im vorigen Heft über den bevorstehenden Congreß des National¬ 60*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110293"/> <p xml:id="ID_1474" prev="#ID_1473"> tont; auch Edelmann blieb ihr nicht fern, der in seinen Irrfahrten mystischen<lb/> Stoff genug gesammelt hatte. Wenn Spinoza wenigstens anscheinend sein<lb/> ganzes System auf den Syllogismus gründet, glaubte Edelmann die Haupt-<lb/> quelle für die Idee des Uebersinnlichen im unmittelbaren Gefühl zu finden,<lb/> das er für untrüglich hielt, weil es ihm einen allseligen Gott und eine all¬<lb/> selige Welt zeigte, in der kein Teufel und keine Sünde vorkäme. Die Welt<lb/> ist gut. die menschliche Natur ist gut, beides sind die unmittelbaren Offen¬<lb/> barungen Gottes: dies waren die Hauptpunkte seines Glaubens. Spinoza<lb/> hatte dieselben mit Ruhe und sogar mit einer gewissen Milde vorgetragen: in<lb/> Edelmann, der sich so lange in pietistische Grübeleien vertieft hatte, erweckte<lb/> es einen grimmigen Haß gegen das, was er allein im Christenthum kannte,<lb/> gegen die Lehre von der Verderbnis) der menschlichen Natur. Im letzten Heft<lb/> der unschuldigen Wahrheiten, mit dem er diese Sammlungen schloß, ruft er<lb/> aus: „Ich will kein Sektenflicker sein; viel weniger will ich einen albernen<lb/> Baumeister abgeben, der auf den alten Trümmern ein neues Gebäude aufführt.<lb/> Jetzt habe ich wie Jeremias keinen andern Beruf, als daß ich ausreißen, zer¬<lb/> brechen, zerstören und verderben soll alles, was nur Orthodoxie und falscher<lb/> Gottesdienst, pharisäische Theologie und falsche Mystik ist. — Man muß es,<lb/> das ist unsere erste Pflicht, mit der Lüge verderben, man darf sie nicht mit<lb/> Bescheidenheit tractiren. — Verdrießt es auch die Welt, daß man sie nicht<lb/> schont, so bleibt doch allemal ein heimlicher Stachel im Herzen übrig, der sie<lb/><note type="byline"> I. S.</note> mit der Zeit schon empfindlich genug rühren wird." </p><lb/> <p xml:id="ID_1475"> (Schluß im nächsten Heft.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Von der preußischen Grenze.</head><lb/> <p xml:id="ID_1476"> Nachdem wir im vorigen Heft über den bevorstehenden Congreß des National¬<lb/> vereins unsere Wünsche ausgesprochen, sind wir nach Abschluß desselben unsern Le¬<lb/> sern schuldig anzugeben, wie weit wir. dieselben befriedigt finden. Es ist nur der<lb/> Form wegen; denn wer mit einiger Aufmerksamkeit den koburgrr Verhandlungen<lb/> gefolgt ist, wird sich selber sagen können, daß wir in dem alten Verhältniß stehn.<lb/> Die Nntionalzcitung hat in No. 423 eine Kritik dieser Verhandlungen gegeben, der<lb/> wir uns in allen Punkten anschließen. Einiges sei uns hier noch verstattet hinzu¬<lb/> zufügen.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 60*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
tont; auch Edelmann blieb ihr nicht fern, der in seinen Irrfahrten mystischen
Stoff genug gesammelt hatte. Wenn Spinoza wenigstens anscheinend sein
ganzes System auf den Syllogismus gründet, glaubte Edelmann die Haupt-
quelle für die Idee des Uebersinnlichen im unmittelbaren Gefühl zu finden,
das er für untrüglich hielt, weil es ihm einen allseligen Gott und eine all¬
selige Welt zeigte, in der kein Teufel und keine Sünde vorkäme. Die Welt
ist gut. die menschliche Natur ist gut, beides sind die unmittelbaren Offen¬
barungen Gottes: dies waren die Hauptpunkte seines Glaubens. Spinoza
hatte dieselben mit Ruhe und sogar mit einer gewissen Milde vorgetragen: in
Edelmann, der sich so lange in pietistische Grübeleien vertieft hatte, erweckte
es einen grimmigen Haß gegen das, was er allein im Christenthum kannte,
gegen die Lehre von der Verderbnis) der menschlichen Natur. Im letzten Heft
der unschuldigen Wahrheiten, mit dem er diese Sammlungen schloß, ruft er
aus: „Ich will kein Sektenflicker sein; viel weniger will ich einen albernen
Baumeister abgeben, der auf den alten Trümmern ein neues Gebäude aufführt.
Jetzt habe ich wie Jeremias keinen andern Beruf, als daß ich ausreißen, zer¬
brechen, zerstören und verderben soll alles, was nur Orthodoxie und falscher
Gottesdienst, pharisäische Theologie und falsche Mystik ist. — Man muß es,
das ist unsere erste Pflicht, mit der Lüge verderben, man darf sie nicht mit
Bescheidenheit tractiren. — Verdrießt es auch die Welt, daß man sie nicht
schont, so bleibt doch allemal ein heimlicher Stachel im Herzen übrig, der sie
I. S. mit der Zeit schon empfindlich genug rühren wird."
(Schluß im nächsten Heft.)
Von der preußischen Grenze.
Nachdem wir im vorigen Heft über den bevorstehenden Congreß des National¬
vereins unsere Wünsche ausgesprochen, sind wir nach Abschluß desselben unsern Le¬
sern schuldig anzugeben, wie weit wir. dieselben befriedigt finden. Es ist nur der
Form wegen; denn wer mit einiger Aufmerksamkeit den koburgrr Verhandlungen
gefolgt ist, wird sich selber sagen können, daß wir in dem alten Verhältniß stehn.
Die Nntionalzcitung hat in No. 423 eine Kritik dieser Verhandlungen gegeben, der
wir uns in allen Punkten anschließen. Einiges sei uns hier noch verstattet hinzu¬
zufügen.
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