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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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rakter der Landesuniversität hat, aber von den Dünen grade deshalb, weil es
in dieser Eigenschaft an den Zusammenhang von Schleswig und Holstein
erinnert, gehaßt wird. Ein wesentlicher Mißstand ist, daß jene eingewanderten
Beamten und Pfarrer, da ihnen in der Regel die Localverhältnisse und Com-
munaleinrichtungen unbekannt sind, vieles was von den im Königreich beste¬
henden Gewohnheiten und Verhältnissen Abweichendes von ihnen vorgefunden
wird, unberücksichtigt lassen oder als einen ohne Weiteres zu' beseitigenden
Mißbrauch behandeln. Endlich aber ist zu bemerken, daß die Mehrzahl dieser
Eindringlinge überhaupt gesetzlich zur Anstellung in Schleswig nicht qualificirt
ist, weil sie den bis heute noch giltigen Verordnungen von 1768 und 1774
nicht nachgekommen ist, nicht die in diesen Verordnungen vorgeschriebnen zwei
Jahre in Kiel studirt hat. Das Gesetz ist mit diesem Verfahren gradezu auf
den Loys gestellt: Schleswiger, welche die vorschriftsmäßige Zeit in Kiel stu-
dirten, schließt man von der Anstellung aus, Dänen, welche der Forderung
des Gesetzes nicht nachkamen, erhalten unter allen Umstünden den Vorzug.

Man sucht aber auch in noch directerer Weise den Besuch der Landes¬
universität für Schleswig-Holstein zu hindern. Ebenfalls im vollkommnen
Widerspruch mit der Zusage der Gleichberechtigung hat man in neuester Zeit
die Abgangszeiten an den Gelehrtenschulen Schleswigs so verändert, daß sie
nicht mehr wie früher mit dem Anfang der Vorlesungen in Kiel, "sondern mit
dem Beginn der Semester in Kopenhagen zusammenfallen. Die Folge ist, daß
die Schüler nach ihrem Abiturientenexamen entweder mehre Monate müßig
bleiben oder sich entschließen müssen, die dänische Universität zu beziehen, wo¬
hin sie ohnedies gewiesen sind, wenn sie nicht auf ein Amt im Heimatslande
verzichten wollen.

Und wie kläglich steht es mit der Pflege der deutschen Sprache an die¬
sen Gelehrtenschulen Schleswigs! Fast alle Stellen in den Lehrcollegien sind
in den letzten acht Jahren mit Dänen besetzt, die lediglich an die Förderung
ihrer Sprache denken, die für ein gutes Deutsch beim besten Willen nichts
thun könnten, beim besten Können nichts zu thun gewillt sein würden. Man
!ehe sich, um nur ein Beispiel anzuführen, das mit Unterstützung des schles-
wigschen Ministeriums von dem Adjuncten Lorenzen hcrausgcgebne deutsche
Lesebuch an. Der Herr ertheilt an der Domschule der S,labt Schleswig, dem
einzigen Gymnasium des Herzogthums mit rem deutscher Unterrichtssprache,
den Unterricht im Deutschen. Man wird erstaunen, was für ein Unterricht
das sein muß.

Wir sehen, alle Maßregeln der Negierung in Schleswig sind darauf be¬
rechnet, die Gleichberechtigung der Nationalitäten im Herzogthum bei Seite
zu drängen, jede sich darbietende Lücke mit dänischen Wesen auszufüllen, allen
Verhältnissen mehr und mehr eine dünische Färbung zu geben, alle Anknüpf-


Grenzboten III. 1660. 58

rakter der Landesuniversität hat, aber von den Dünen grade deshalb, weil es
in dieser Eigenschaft an den Zusammenhang von Schleswig und Holstein
erinnert, gehaßt wird. Ein wesentlicher Mißstand ist, daß jene eingewanderten
Beamten und Pfarrer, da ihnen in der Regel die Localverhältnisse und Com-
munaleinrichtungen unbekannt sind, vieles was von den im Königreich beste¬
henden Gewohnheiten und Verhältnissen Abweichendes von ihnen vorgefunden
wird, unberücksichtigt lassen oder als einen ohne Weiteres zu' beseitigenden
Mißbrauch behandeln. Endlich aber ist zu bemerken, daß die Mehrzahl dieser
Eindringlinge überhaupt gesetzlich zur Anstellung in Schleswig nicht qualificirt
ist, weil sie den bis heute noch giltigen Verordnungen von 1768 und 1774
nicht nachgekommen ist, nicht die in diesen Verordnungen vorgeschriebnen zwei
Jahre in Kiel studirt hat. Das Gesetz ist mit diesem Verfahren gradezu auf
den Loys gestellt: Schleswiger, welche die vorschriftsmäßige Zeit in Kiel stu-
dirten, schließt man von der Anstellung aus, Dänen, welche der Forderung
des Gesetzes nicht nachkamen, erhalten unter allen Umstünden den Vorzug.

Man sucht aber auch in noch directerer Weise den Besuch der Landes¬
universität für Schleswig-Holstein zu hindern. Ebenfalls im vollkommnen
Widerspruch mit der Zusage der Gleichberechtigung hat man in neuester Zeit
die Abgangszeiten an den Gelehrtenschulen Schleswigs so verändert, daß sie
nicht mehr wie früher mit dem Anfang der Vorlesungen in Kiel, «sondern mit
dem Beginn der Semester in Kopenhagen zusammenfallen. Die Folge ist, daß
die Schüler nach ihrem Abiturientenexamen entweder mehre Monate müßig
bleiben oder sich entschließen müssen, die dänische Universität zu beziehen, wo¬
hin sie ohnedies gewiesen sind, wenn sie nicht auf ein Amt im Heimatslande
verzichten wollen.

Und wie kläglich steht es mit der Pflege der deutschen Sprache an die¬
sen Gelehrtenschulen Schleswigs! Fast alle Stellen in den Lehrcollegien sind
in den letzten acht Jahren mit Dänen besetzt, die lediglich an die Förderung
ihrer Sprache denken, die für ein gutes Deutsch beim besten Willen nichts
thun könnten, beim besten Können nichts zu thun gewillt sein würden. Man
!ehe sich, um nur ein Beispiel anzuführen, das mit Unterstützung des schles-
wigschen Ministeriums von dem Adjuncten Lorenzen hcrausgcgebne deutsche
Lesebuch an. Der Herr ertheilt an der Domschule der S,labt Schleswig, dem
einzigen Gymnasium des Herzogthums mit rem deutscher Unterrichtssprache,
den Unterricht im Deutschen. Man wird erstaunen, was für ein Unterricht
das sein muß.

Wir sehen, alle Maßregeln der Negierung in Schleswig sind darauf be¬
rechnet, die Gleichberechtigung der Nationalitäten im Herzogthum bei Seite
zu drängen, jede sich darbietende Lücke mit dänischen Wesen auszufüllen, allen
Verhältnissen mehr und mehr eine dünische Färbung zu geben, alle Anknüpf-


Grenzboten III. 1660. 58
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[0469] rakter der Landesuniversität hat, aber von den Dünen grade deshalb, weil es in dieser Eigenschaft an den Zusammenhang von Schleswig und Holstein erinnert, gehaßt wird. Ein wesentlicher Mißstand ist, daß jene eingewanderten Beamten und Pfarrer, da ihnen in der Regel die Localverhältnisse und Com- munaleinrichtungen unbekannt sind, vieles was von den im Königreich beste¬ henden Gewohnheiten und Verhältnissen Abweichendes von ihnen vorgefunden wird, unberücksichtigt lassen oder als einen ohne Weiteres zu' beseitigenden Mißbrauch behandeln. Endlich aber ist zu bemerken, daß die Mehrzahl dieser Eindringlinge überhaupt gesetzlich zur Anstellung in Schleswig nicht qualificirt ist, weil sie den bis heute noch giltigen Verordnungen von 1768 und 1774 nicht nachgekommen ist, nicht die in diesen Verordnungen vorgeschriebnen zwei Jahre in Kiel studirt hat. Das Gesetz ist mit diesem Verfahren gradezu auf den Loys gestellt: Schleswiger, welche die vorschriftsmäßige Zeit in Kiel stu- dirten, schließt man von der Anstellung aus, Dänen, welche der Forderung des Gesetzes nicht nachkamen, erhalten unter allen Umstünden den Vorzug. Man sucht aber auch in noch directerer Weise den Besuch der Landes¬ universität für Schleswig-Holstein zu hindern. Ebenfalls im vollkommnen Widerspruch mit der Zusage der Gleichberechtigung hat man in neuester Zeit die Abgangszeiten an den Gelehrtenschulen Schleswigs so verändert, daß sie nicht mehr wie früher mit dem Anfang der Vorlesungen in Kiel, «sondern mit dem Beginn der Semester in Kopenhagen zusammenfallen. Die Folge ist, daß die Schüler nach ihrem Abiturientenexamen entweder mehre Monate müßig bleiben oder sich entschließen müssen, die dänische Universität zu beziehen, wo¬ hin sie ohnedies gewiesen sind, wenn sie nicht auf ein Amt im Heimatslande verzichten wollen. Und wie kläglich steht es mit der Pflege der deutschen Sprache an die¬ sen Gelehrtenschulen Schleswigs! Fast alle Stellen in den Lehrcollegien sind in den letzten acht Jahren mit Dänen besetzt, die lediglich an die Förderung ihrer Sprache denken, die für ein gutes Deutsch beim besten Willen nichts thun könnten, beim besten Können nichts zu thun gewillt sein würden. Man !ehe sich, um nur ein Beispiel anzuführen, das mit Unterstützung des schles- wigschen Ministeriums von dem Adjuncten Lorenzen hcrausgcgebne deutsche Lesebuch an. Der Herr ertheilt an der Domschule der S,labt Schleswig, dem einzigen Gymnasium des Herzogthums mit rem deutscher Unterrichtssprache, den Unterricht im Deutschen. Man wird erstaunen, was für ein Unterricht das sein muß. Wir sehen, alle Maßregeln der Negierung in Schleswig sind darauf be¬ rechnet, die Gleichberechtigung der Nationalitäten im Herzogthum bei Seite zu drängen, jede sich darbietende Lücke mit dänischen Wesen auszufüllen, allen Verhältnissen mehr und mehr eine dünische Färbung zu geben, alle Anknüpf- Grenzboten III. 1660. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/469>, abgerufen am 04.07.2024.