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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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schleswigschen Ständeversammlung, der sicher selbst nach dänischen Urtheil sehr
loyale, stark nach der Seite der Regierung hinneigende, vollkommen gcsammt-
staatlich gesinnte Propst Otzen von Fehmarn sagen.

Er sagte unter andern,: "In dem geistlichen District, den ich vertrete,
wozu auch die Propstei Gottorf gehört, liegen neun Kirchspiele, welche von
dem Sprachrescript hart betroffen worden sind." -- "Ich habe die bittersten
Klagen gehört über diesen Zustand. Ich habe heiße Thränen gesehen, die da
geflossen sind über dielen erbarmungslosen Zustand, welcher durch das Sprach¬
rescript in manchen Gemeinden herbeigeführt worden ist. Ich habe Tausende
von Petitionen gesehn, und aus diesen Tausenden von Petitionen habe ich
Tausende von Stimmen und Bitten gehört, welche um Abänderung der Kir¬
chen- und Schulsprache bitten. (Bis zur dreißigsten Sitzung der Versammlung
waren deren nicht weniger als 12,900, darunter 200 aus dem theilweise
Plattdünisch redenden Kirchspiel Medelby, eingegangen, später soll die Zahl
derselben auf ziemlich 14,000 gestiegen sein). Und ist denn zu solchen Klagen,
zu solchen Thränen, zu solchen Bitten kein Anlaß vorhanden. O ja, ganz
gewiß! Wer das Wort Gottes lieb hat, wer da lieb hat die Stätte des Hau¬
ses Gottes, o wie sollte der nicht klagen, wenn er sieht, daß in manchen
Gemeinden dieses unsres Herzogthums das Wort Gottes in einer Sprache
verkündigt wird, die ihre Glieder nicht verstehen, daß eben deshalb auch an
der Hälfte der Sonn- und Festtage die Kirchen ihnen so gut wie verschlossen sind!"
Der Redner widerlegt nun den Einwurf, daß die Angler eine dänische Predigt
verstehen könnten, wenn sie nur wollten, und fährt dann fort: "Es muß also
eine Aenderung in dieser Sache geschehen. Man hat gesagt, die Sprachvcr-
hältnisse seien durch die Verfassung geordnet, und es sei bedenklich und ge¬
fährlich, an der Verfassung etwas zu ändern. Das vermag ich nicht einzu¬
sehen." "Eine Veränderung in der Verfassung halte ich nicht für bedenklich.
Viel bedenklicher und viel gefährlicher ist es, wenn man über die Verfassung
hinausgeht. Das ist, wie ich meine geschehen." Der Redner weist dann
nach, wie die Bestimmungen der Verfassung zunächst in Betreff der Konfir¬
mation, dann durch die Einführung der dänischen Unterrichtssprache in den
Schulen Flensburgs überschritten worden. Dann fährt er fort: "wenn der¬
gleichen Uebergriffe von dem königlichen Ministerium -- ich weiß nicht, ob
befohlen oder geduldet worden, wo bleibt dann die Bürgschaft dafür, daß
man nicht noch immer schrittweise weiter vorwärts geht?" "So wie die Sache
hier steht, verhält es sich so, daß die Sprache, die ja doch die Menschen ver¬
einigen soll, eine Trennung unter ihnen wird. Die Sprachrescripte haben ge¬
wiß einen guten Zweck gehabt, sie sind gewiß in der Absicht erlassen worden,
um die Bewohner des Herzogthums unter sich und mit Dänemark näher zu
verbinden. Allein ich habe es schon früher gesagt und wiederhole es, daß


schleswigschen Ständeversammlung, der sicher selbst nach dänischen Urtheil sehr
loyale, stark nach der Seite der Regierung hinneigende, vollkommen gcsammt-
staatlich gesinnte Propst Otzen von Fehmarn sagen.

Er sagte unter andern,: „In dem geistlichen District, den ich vertrete,
wozu auch die Propstei Gottorf gehört, liegen neun Kirchspiele, welche von
dem Sprachrescript hart betroffen worden sind." — „Ich habe die bittersten
Klagen gehört über diesen Zustand. Ich habe heiße Thränen gesehen, die da
geflossen sind über dielen erbarmungslosen Zustand, welcher durch das Sprach¬
rescript in manchen Gemeinden herbeigeführt worden ist. Ich habe Tausende
von Petitionen gesehn, und aus diesen Tausenden von Petitionen habe ich
Tausende von Stimmen und Bitten gehört, welche um Abänderung der Kir¬
chen- und Schulsprache bitten. (Bis zur dreißigsten Sitzung der Versammlung
waren deren nicht weniger als 12,900, darunter 200 aus dem theilweise
Plattdünisch redenden Kirchspiel Medelby, eingegangen, später soll die Zahl
derselben auf ziemlich 14,000 gestiegen sein). Und ist denn zu solchen Klagen,
zu solchen Thränen, zu solchen Bitten kein Anlaß vorhanden. O ja, ganz
gewiß! Wer das Wort Gottes lieb hat, wer da lieb hat die Stätte des Hau¬
ses Gottes, o wie sollte der nicht klagen, wenn er sieht, daß in manchen
Gemeinden dieses unsres Herzogthums das Wort Gottes in einer Sprache
verkündigt wird, die ihre Glieder nicht verstehen, daß eben deshalb auch an
der Hälfte der Sonn- und Festtage die Kirchen ihnen so gut wie verschlossen sind!"
Der Redner widerlegt nun den Einwurf, daß die Angler eine dänische Predigt
verstehen könnten, wenn sie nur wollten, und fährt dann fort: „Es muß also
eine Aenderung in dieser Sache geschehen. Man hat gesagt, die Sprachvcr-
hältnisse seien durch die Verfassung geordnet, und es sei bedenklich und ge¬
fährlich, an der Verfassung etwas zu ändern. Das vermag ich nicht einzu¬
sehen." „Eine Veränderung in der Verfassung halte ich nicht für bedenklich.
Viel bedenklicher und viel gefährlicher ist es, wenn man über die Verfassung
hinausgeht. Das ist, wie ich meine geschehen." Der Redner weist dann
nach, wie die Bestimmungen der Verfassung zunächst in Betreff der Konfir¬
mation, dann durch die Einführung der dänischen Unterrichtssprache in den
Schulen Flensburgs überschritten worden. Dann fährt er fort: „wenn der¬
gleichen Uebergriffe von dem königlichen Ministerium — ich weiß nicht, ob
befohlen oder geduldet worden, wo bleibt dann die Bürgschaft dafür, daß
man nicht noch immer schrittweise weiter vorwärts geht?" „So wie die Sache
hier steht, verhält es sich so, daß die Sprache, die ja doch die Menschen ver¬
einigen soll, eine Trennung unter ihnen wird. Die Sprachrescripte haben ge¬
wiß einen guten Zweck gehabt, sie sind gewiß in der Absicht erlassen worden,
um die Bewohner des Herzogthums unter sich und mit Dänemark näher zu
verbinden. Allein ich habe es schon früher gesagt und wiederhole es, daß


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[0465] schleswigschen Ständeversammlung, der sicher selbst nach dänischen Urtheil sehr loyale, stark nach der Seite der Regierung hinneigende, vollkommen gcsammt- staatlich gesinnte Propst Otzen von Fehmarn sagen. Er sagte unter andern,: „In dem geistlichen District, den ich vertrete, wozu auch die Propstei Gottorf gehört, liegen neun Kirchspiele, welche von dem Sprachrescript hart betroffen worden sind." — „Ich habe die bittersten Klagen gehört über diesen Zustand. Ich habe heiße Thränen gesehen, die da geflossen sind über dielen erbarmungslosen Zustand, welcher durch das Sprach¬ rescript in manchen Gemeinden herbeigeführt worden ist. Ich habe Tausende von Petitionen gesehn, und aus diesen Tausenden von Petitionen habe ich Tausende von Stimmen und Bitten gehört, welche um Abänderung der Kir¬ chen- und Schulsprache bitten. (Bis zur dreißigsten Sitzung der Versammlung waren deren nicht weniger als 12,900, darunter 200 aus dem theilweise Plattdünisch redenden Kirchspiel Medelby, eingegangen, später soll die Zahl derselben auf ziemlich 14,000 gestiegen sein). Und ist denn zu solchen Klagen, zu solchen Thränen, zu solchen Bitten kein Anlaß vorhanden. O ja, ganz gewiß! Wer das Wort Gottes lieb hat, wer da lieb hat die Stätte des Hau¬ ses Gottes, o wie sollte der nicht klagen, wenn er sieht, daß in manchen Gemeinden dieses unsres Herzogthums das Wort Gottes in einer Sprache verkündigt wird, die ihre Glieder nicht verstehen, daß eben deshalb auch an der Hälfte der Sonn- und Festtage die Kirchen ihnen so gut wie verschlossen sind!" Der Redner widerlegt nun den Einwurf, daß die Angler eine dänische Predigt verstehen könnten, wenn sie nur wollten, und fährt dann fort: „Es muß also eine Aenderung in dieser Sache geschehen. Man hat gesagt, die Sprachvcr- hältnisse seien durch die Verfassung geordnet, und es sei bedenklich und ge¬ fährlich, an der Verfassung etwas zu ändern. Das vermag ich nicht einzu¬ sehen." „Eine Veränderung in der Verfassung halte ich nicht für bedenklich. Viel bedenklicher und viel gefährlicher ist es, wenn man über die Verfassung hinausgeht. Das ist, wie ich meine geschehen." Der Redner weist dann nach, wie die Bestimmungen der Verfassung zunächst in Betreff der Konfir¬ mation, dann durch die Einführung der dänischen Unterrichtssprache in den Schulen Flensburgs überschritten worden. Dann fährt er fort: „wenn der¬ gleichen Uebergriffe von dem königlichen Ministerium — ich weiß nicht, ob befohlen oder geduldet worden, wo bleibt dann die Bürgschaft dafür, daß man nicht noch immer schrittweise weiter vorwärts geht?" „So wie die Sache hier steht, verhält es sich so, daß die Sprache, die ja doch die Menschen ver¬ einigen soll, eine Trennung unter ihnen wird. Die Sprachrescripte haben ge¬ wiß einen guten Zweck gehabt, sie sind gewiß in der Absicht erlassen worden, um die Bewohner des Herzogthums unter sich und mit Dänemark näher zu verbinden. Allein ich habe es schon früher gesagt und wiederhole es, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/465>, abgerufen am 25.07.2024.