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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Verwaltung, dänische Sprache und sogar dänische Ortsnamen zu sehen, und
zwar bediente man sich bei Durchführung dieser Absicht in Culturstaaten un¬
erhörter Gewaltmittel. Die große Mehrzahl -- durchschnittlich zwei Drittel
-- der Mitglieder dreier Ständeversammlungen erklärte sich mit aller Energie
gegen die einzelnen Maßnahmen dieser Richtung, vergebens, auch nicht die
geringste Milderung des Systems ist erreicht worden, ja die Härte desselben
hat sich mit dem Widerstand dagegen nur gesteigert.

Das Patent von 1852 enthielt unter den wenigen vollkommen unzwei¬
deutigen Versprechungen, die es gab, auch die, es solle den Ständen Schles¬
wigs eine solche Entwicklung gegeben werden, daß das Herzogthum hinsicht¬
lich der Angelegenheiten, die bisher zum Wirkungskreis der berathenden Stände
gehört, eine ständische Vertretung mit beschließender Befugniß erhalte. Jener
Wirkungskreis umfaßte alle allgemeinen Gesetze, welche Veränderungen in den
Personen- und Eigenthumsrechtcn sowie in den Steuern und öffentlichen Lasten
betreffen. Ebenso war es in den Zusagen der Jahre 1851 und 1852 mit
Bestimmtheit verheißen, daß die Umwandlung der Monarchie in einen Ge-
sammtstaat erst nach Berathung mit den Ständen statthaben solle -- ein
Versprechen, daß entweder bedeutungslos war oder so verstanden werden
mußte, daß eine derartige Neugestaltung nur mit der Zustimmung der schles-
wigschen Stände unternommen werden würde.

Auch diese Zusicherungen blieben unerfüllt. Gegen den Wunsch der
Landesvertretung erhielt das Herzogthum 1854 eine Sonderverfassung, deren
wichtigste Paragraphen der Beurtheilung der Stande nicht vorgelegt worden
waren, und welche den Ständen die bedeutsamsten früher zum Wirkungskreis
derselben gehörigen Gegenstände entzog. Durchaus verfassungswidrig, ohne vor¬
herige Befragung der Volksvertretung erging im Herbst des nächsten Jahres eine
Bekanntmachung, welche den Repräsentanten des Landes auch die Mitwirkung
bei der Gesetzgebung und Verwaltung in Betreff der Domänen nahm. Die
Gesammtstaatsvcrsassung, die ungefähr zu derselben Zeit erschien, entsprach
den auf Selbständigkeit Schleswigs und Gleichberechtigung mit den übrigen
Theilen der Monarchie gerichteten Zusagen von 1851 und 1852 nicht entfernt,
sie wahrte, abgesehn von ihren formellen Mängeln, die Interessen des Her-
zogthums so wenig, daß die Vertreter desselben im Reichsrath selbst in dem
Fall, wo die Vertreter Holsteins und Lauenburgs mit ihnen stimmten, der
dünischen Majorität gegenüber keinerlei Aussicht hatten, mit dem, was sie für
recht hielten, durchzudringen. Kurz, das ganze Verfassungswesen, hinsichtlich
der allgemeinen wie der besondern Angelegenheiten, ist so organisirt, daß die
Dänen unter allen Umständen thun und lassen können, was ihnen gut
dünkt.

Das Patent von 1852 versprach ferner der dänischen und der deutschen


Verwaltung, dänische Sprache und sogar dänische Ortsnamen zu sehen, und
zwar bediente man sich bei Durchführung dieser Absicht in Culturstaaten un¬
erhörter Gewaltmittel. Die große Mehrzahl — durchschnittlich zwei Drittel
— der Mitglieder dreier Ständeversammlungen erklärte sich mit aller Energie
gegen die einzelnen Maßnahmen dieser Richtung, vergebens, auch nicht die
geringste Milderung des Systems ist erreicht worden, ja die Härte desselben
hat sich mit dem Widerstand dagegen nur gesteigert.

Das Patent von 1852 enthielt unter den wenigen vollkommen unzwei¬
deutigen Versprechungen, die es gab, auch die, es solle den Ständen Schles¬
wigs eine solche Entwicklung gegeben werden, daß das Herzogthum hinsicht¬
lich der Angelegenheiten, die bisher zum Wirkungskreis der berathenden Stände
gehört, eine ständische Vertretung mit beschließender Befugniß erhalte. Jener
Wirkungskreis umfaßte alle allgemeinen Gesetze, welche Veränderungen in den
Personen- und Eigenthumsrechtcn sowie in den Steuern und öffentlichen Lasten
betreffen. Ebenso war es in den Zusagen der Jahre 1851 und 1852 mit
Bestimmtheit verheißen, daß die Umwandlung der Monarchie in einen Ge-
sammtstaat erst nach Berathung mit den Ständen statthaben solle — ein
Versprechen, daß entweder bedeutungslos war oder so verstanden werden
mußte, daß eine derartige Neugestaltung nur mit der Zustimmung der schles-
wigschen Stände unternommen werden würde.

Auch diese Zusicherungen blieben unerfüllt. Gegen den Wunsch der
Landesvertretung erhielt das Herzogthum 1854 eine Sonderverfassung, deren
wichtigste Paragraphen der Beurtheilung der Stande nicht vorgelegt worden
waren, und welche den Ständen die bedeutsamsten früher zum Wirkungskreis
derselben gehörigen Gegenstände entzog. Durchaus verfassungswidrig, ohne vor¬
herige Befragung der Volksvertretung erging im Herbst des nächsten Jahres eine
Bekanntmachung, welche den Repräsentanten des Landes auch die Mitwirkung
bei der Gesetzgebung und Verwaltung in Betreff der Domänen nahm. Die
Gesammtstaatsvcrsassung, die ungefähr zu derselben Zeit erschien, entsprach
den auf Selbständigkeit Schleswigs und Gleichberechtigung mit den übrigen
Theilen der Monarchie gerichteten Zusagen von 1851 und 1852 nicht entfernt,
sie wahrte, abgesehn von ihren formellen Mängeln, die Interessen des Her-
zogthums so wenig, daß die Vertreter desselben im Reichsrath selbst in dem
Fall, wo die Vertreter Holsteins und Lauenburgs mit ihnen stimmten, der
dünischen Majorität gegenüber keinerlei Aussicht hatten, mit dem, was sie für
recht hielten, durchzudringen. Kurz, das ganze Verfassungswesen, hinsichtlich
der allgemeinen wie der besondern Angelegenheiten, ist so organisirt, daß die
Dänen unter allen Umständen thun und lassen können, was ihnen gut
dünkt.

Das Patent von 1852 versprach ferner der dänischen und der deutschen


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[0462] Verwaltung, dänische Sprache und sogar dänische Ortsnamen zu sehen, und zwar bediente man sich bei Durchführung dieser Absicht in Culturstaaten un¬ erhörter Gewaltmittel. Die große Mehrzahl — durchschnittlich zwei Drittel — der Mitglieder dreier Ständeversammlungen erklärte sich mit aller Energie gegen die einzelnen Maßnahmen dieser Richtung, vergebens, auch nicht die geringste Milderung des Systems ist erreicht worden, ja die Härte desselben hat sich mit dem Widerstand dagegen nur gesteigert. Das Patent von 1852 enthielt unter den wenigen vollkommen unzwei¬ deutigen Versprechungen, die es gab, auch die, es solle den Ständen Schles¬ wigs eine solche Entwicklung gegeben werden, daß das Herzogthum hinsicht¬ lich der Angelegenheiten, die bisher zum Wirkungskreis der berathenden Stände gehört, eine ständische Vertretung mit beschließender Befugniß erhalte. Jener Wirkungskreis umfaßte alle allgemeinen Gesetze, welche Veränderungen in den Personen- und Eigenthumsrechtcn sowie in den Steuern und öffentlichen Lasten betreffen. Ebenso war es in den Zusagen der Jahre 1851 und 1852 mit Bestimmtheit verheißen, daß die Umwandlung der Monarchie in einen Ge- sammtstaat erst nach Berathung mit den Ständen statthaben solle — ein Versprechen, daß entweder bedeutungslos war oder so verstanden werden mußte, daß eine derartige Neugestaltung nur mit der Zustimmung der schles- wigschen Stände unternommen werden würde. Auch diese Zusicherungen blieben unerfüllt. Gegen den Wunsch der Landesvertretung erhielt das Herzogthum 1854 eine Sonderverfassung, deren wichtigste Paragraphen der Beurtheilung der Stande nicht vorgelegt worden waren, und welche den Ständen die bedeutsamsten früher zum Wirkungskreis derselben gehörigen Gegenstände entzog. Durchaus verfassungswidrig, ohne vor¬ herige Befragung der Volksvertretung erging im Herbst des nächsten Jahres eine Bekanntmachung, welche den Repräsentanten des Landes auch die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und Verwaltung in Betreff der Domänen nahm. Die Gesammtstaatsvcrsassung, die ungefähr zu derselben Zeit erschien, entsprach den auf Selbständigkeit Schleswigs und Gleichberechtigung mit den übrigen Theilen der Monarchie gerichteten Zusagen von 1851 und 1852 nicht entfernt, sie wahrte, abgesehn von ihren formellen Mängeln, die Interessen des Her- zogthums so wenig, daß die Vertreter desselben im Reichsrath selbst in dem Fall, wo die Vertreter Holsteins und Lauenburgs mit ihnen stimmten, der dünischen Majorität gegenüber keinerlei Aussicht hatten, mit dem, was sie für recht hielten, durchzudringen. Kurz, das ganze Verfassungswesen, hinsichtlich der allgemeinen wie der besondern Angelegenheiten, ist so organisirt, daß die Dänen unter allen Umständen thun und lassen können, was ihnen gut dünkt. Das Patent von 1852 versprach ferner der dänischen und der deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/462>, abgerufen am 25.07.2024.