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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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schlossenen Verträge, nach denen dieses Herzogthum nicht in das Königreich
aufgehen und dieselben Verfassnngs- und Verwaltungsverhältnisse haben soll
wie Holstein, allerdings einen rein völkerrechtlichen Charakter tragen, daß sie
aber von nicht geringerer Stärke sind als die für Holstein genehmigten Vor¬
schläge des Fürsten dieses Landes. Wenn der Bundestag derselben in dem
Beschluß vom 29. Juli 185A nicht ausdrücklich gedenkt, so ist doch nicht ent¬
fernt daran zu zweifeln, daß sie einen integrirenden Bestandtheil des Frie¬
densschlusses zwischen Preußen und Oestreich einerseits und Dänemark andrer¬
seits bilden. Um Schleswig war, wie gesagt, der Krieg geführt worden, und
auch nachdem das Recht Holsteins aus die Union mit Schleswig ausgegeben
worden, blieb die Ordnung der Verhältnisse jenseits der Eider noch immer ein
Interesse von hoher Bedeutung für Holstein und durch dasselbe für Deutsch¬
land. Wenn der Bundestag daher nur für Holstein, nicht auch für Schles¬
wig in die Schranken getreten ist, wenn er der Unterdrückung der deutschen
Nationalität in letzten" Herzogthume, den auf gänzliche Losreißung desselben
von Holstein berechneten Maßregeln, den zahlreichen auf factische Einverlei¬
bung Schleswigs in Dänemark abzielenden Uebergriffen schweigend zugesehn
und gegen den Fortbestand der Gesammtverfassung für den nördlichen Theil
von Schleswig-Holstein nicht protestirt hat. so kann man sich seine Untätig¬
keit nach dieser Seite hin aus sehr verschiedenen Gründen erklären, aber un¬
befugt zum Einspruch war er durchaus nicht.

Mag man die Sache ansetzn, wie man will, so gibt es unzweifelhafte
Gründe, welche in gleicher Weise für Schleswig wie für Holstein dafür spre¬
chen, daß Deutschland an das Patent von 1852 nicht mehr gebunden ist.
Die dänische Regierung war nach dem Patent verpflichtet, die Gesammtver¬
fassung vor deren Verkündigung den Ständen der beiden Herzogtümer zur
Berathung vorzulegen, und sie. war durch dasselbe ebenfalls gehalten, die Do¬
mänen der Herzogthümer als deren Staatseigenthum anzuerkennen. Sie hat
aber weder das eine noch das andere gethan. Sie hat erst lange nach Er¬
laß jener Verfassung und nur gezwungen dieselbe dem Gutachten der Ver¬
treter Holsteins unterbreitet, sie hat bis heute noch nicht die Meinung der
schleswigschen Stände darüber eingeholt. Sie weigert sich beharrlich, die Do-
manialeinkünfte der Herzogthümer den besondern Einkünften derselben zuzu¬
weisen. Sie hat ferner nun schon acht volle Jahre durch ihre Verwaltungs¬
grundsätze und ihre Polizeimaßregeln die Schleswig-Holsteiner in ihren sitt¬
lichen und materiellen Interessen auf das unverantwortlichste beeinträchtigt.
Sie hat mit einem Wort durch eine in schroffster, grellster Weise bethätigte
Feindseligkeit gegen den zur Ausführung des berliner Friedens geschlossenen, in
dem Patent vom 28. Januar 1352 niedergelegten Vertrag den Frieden ge¬
brochen. Dieser Vertrag ist als nicht mehr existirend anzusehn. Deutschland


schlossenen Verträge, nach denen dieses Herzogthum nicht in das Königreich
aufgehen und dieselben Verfassnngs- und Verwaltungsverhältnisse haben soll
wie Holstein, allerdings einen rein völkerrechtlichen Charakter tragen, daß sie
aber von nicht geringerer Stärke sind als die für Holstein genehmigten Vor¬
schläge des Fürsten dieses Landes. Wenn der Bundestag derselben in dem
Beschluß vom 29. Juli 185A nicht ausdrücklich gedenkt, so ist doch nicht ent¬
fernt daran zu zweifeln, daß sie einen integrirenden Bestandtheil des Frie¬
densschlusses zwischen Preußen und Oestreich einerseits und Dänemark andrer¬
seits bilden. Um Schleswig war, wie gesagt, der Krieg geführt worden, und
auch nachdem das Recht Holsteins aus die Union mit Schleswig ausgegeben
worden, blieb die Ordnung der Verhältnisse jenseits der Eider noch immer ein
Interesse von hoher Bedeutung für Holstein und durch dasselbe für Deutsch¬
land. Wenn der Bundestag daher nur für Holstein, nicht auch für Schles¬
wig in die Schranken getreten ist, wenn er der Unterdrückung der deutschen
Nationalität in letzten» Herzogthume, den auf gänzliche Losreißung desselben
von Holstein berechneten Maßregeln, den zahlreichen auf factische Einverlei¬
bung Schleswigs in Dänemark abzielenden Uebergriffen schweigend zugesehn
und gegen den Fortbestand der Gesammtverfassung für den nördlichen Theil
von Schleswig-Holstein nicht protestirt hat. so kann man sich seine Untätig¬
keit nach dieser Seite hin aus sehr verschiedenen Gründen erklären, aber un¬
befugt zum Einspruch war er durchaus nicht.

Mag man die Sache ansetzn, wie man will, so gibt es unzweifelhafte
Gründe, welche in gleicher Weise für Schleswig wie für Holstein dafür spre¬
chen, daß Deutschland an das Patent von 1852 nicht mehr gebunden ist.
Die dänische Regierung war nach dem Patent verpflichtet, die Gesammtver¬
fassung vor deren Verkündigung den Ständen der beiden Herzogtümer zur
Berathung vorzulegen, und sie. war durch dasselbe ebenfalls gehalten, die Do¬
mänen der Herzogthümer als deren Staatseigenthum anzuerkennen. Sie hat
aber weder das eine noch das andere gethan. Sie hat erst lange nach Er¬
laß jener Verfassung und nur gezwungen dieselbe dem Gutachten der Ver¬
treter Holsteins unterbreitet, sie hat bis heute noch nicht die Meinung der
schleswigschen Stände darüber eingeholt. Sie weigert sich beharrlich, die Do-
manialeinkünfte der Herzogthümer den besondern Einkünften derselben zuzu¬
weisen. Sie hat ferner nun schon acht volle Jahre durch ihre Verwaltungs¬
grundsätze und ihre Polizeimaßregeln die Schleswig-Holsteiner in ihren sitt¬
lichen und materiellen Interessen auf das unverantwortlichste beeinträchtigt.
Sie hat mit einem Wort durch eine in schroffster, grellster Weise bethätigte
Feindseligkeit gegen den zur Ausführung des berliner Friedens geschlossenen, in
dem Patent vom 28. Januar 1352 niedergelegten Vertrag den Frieden ge¬
brochen. Dieser Vertrag ist als nicht mehr existirend anzusehn. Deutschland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/460>, abgerufen am 25.07.2024.