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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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lich eingeführten Sklaven verhilft, 50 Dollar und halb soviel erhielt, wenn der
Sklave noch auf offener See ergriffen ward. Der Versuch endlich, den Sklaven¬
handel mit dem Tode zu bestrafen, passirte zwar des Repräsentantenhaus, stieß
aber im Senate auf Widerspruch und wurde kein Gesetz.

Der Congreß sing endlich in einer Zeit an, ernste Maßregeln gegen die
Sklaveneinsuhr zu ergreifen, als sie, in Folge des Friedens und des einstimmigen
Beschlusses der Seemächte ohnehin gestört war. Je mehr er aber gegen den
auswärtigen Sklavenhandel sich geberdete, desto ungestörter ließ er den innern
sich entwickeln, ja desto mehr that er offen und heimlich für dessen Vergrößerung.
Das Missouricompromiß legte diese Majorität des Congresses sür die Sklaven¬
halter am offensten zu Tage.

Das Territorium Missouri war nämlich am 18. December 1818 beim
Kongresse darum eingekommen, als Staat in die Union ausgenommen zu
werden und nahm dabei das Recht in Anspruch seine Constitution ohne irgend
eine Beschränkung in der Sklavenfrage zu entwerfen. Bei der Verhandlung
dieses Antrags im Hause verlangte dagegen Tallmadge, Abgeordneter von New-
York, daß dem Verfassungsentwurf eine Bedingung hinzugefügt werden sollte,
wonach Missouri von jetzt an keine Sklaven mehr einführen, und die Kinder
der bereits vorhandenen mit dem 25, Jahre frei werden sollten. Cobo von
Georgia rief Tallmadge zu: "daß er ein Feuer angezündet habe, weiches nicht
alle Wasser des Oceans, sondern nur Seen von Blut auslöschen könnten. Wenn
die nördlichen Mitglieder auf ihrer Politik beharrten. so würde die Union auf¬
gelöst werden."

"Derartige Redensarten." antwortete Tallmadge, "machen keinen Eindruck
auf mich. Die glorreiche Sache, für die ich hier einstehe, ist mit meiner ganzen
Existenz verwachsen, sie ist der unversöhnlichste Haß gegen die grausamste und
erniedrigendste Sklaverei, welche die Welt kennt. Aber ist es wirklich schon
dahin gekommen, daß in dem Kongresse der Vereinigten Staaten die Sklaverei
ein so delicates, gefährliches, und rücksichtcrforderndes Thema geworden ist. daß
man sie nicht mehr verhandeln darf? Dürfen Mitglieder, welche ihre Ansicht
darüber auszusprechen wagen, deshalb angeklagt werden, daß sie einen Skiaven-
aufstand hervorzurufen trachten? Dieselben Männer sprechen von Auslösung der
Union, von Bürgerkrieg und Blutscenen, welche das Uebel, die Sklaverei nur
noch weiter ausdehnen wollen. Wenn man jetzt schon nicht mehr unangefochten
über diesen Gegenstand sprechen soll, was wird erst das Resultat sein, wenn
die Sklaverei sich bereits über ein ungeheures Gebiet ausgedehnt hat? Jetzt
über muß ihrer Ausdehnung vorgebeugt werden, oder die Gelegenheit dazu ist
für immer verloren. Man sagt, die Ansiedelung des Westens werde verzögert
und der Werth des dortigen Eigenthums sich vermindern, wenn die Sklaverei
dort nicht erlaubt werde. Eine solche Beweisführung spricht jeder Moral Hohn


Grenzboten III. 1860. 50

lich eingeführten Sklaven verhilft, 50 Dollar und halb soviel erhielt, wenn der
Sklave noch auf offener See ergriffen ward. Der Versuch endlich, den Sklaven¬
handel mit dem Tode zu bestrafen, passirte zwar des Repräsentantenhaus, stieß
aber im Senate auf Widerspruch und wurde kein Gesetz.

Der Congreß sing endlich in einer Zeit an, ernste Maßregeln gegen die
Sklaveneinsuhr zu ergreifen, als sie, in Folge des Friedens und des einstimmigen
Beschlusses der Seemächte ohnehin gestört war. Je mehr er aber gegen den
auswärtigen Sklavenhandel sich geberdete, desto ungestörter ließ er den innern
sich entwickeln, ja desto mehr that er offen und heimlich für dessen Vergrößerung.
Das Missouricompromiß legte diese Majorität des Congresses sür die Sklaven¬
halter am offensten zu Tage.

Das Territorium Missouri war nämlich am 18. December 1818 beim
Kongresse darum eingekommen, als Staat in die Union ausgenommen zu
werden und nahm dabei das Recht in Anspruch seine Constitution ohne irgend
eine Beschränkung in der Sklavenfrage zu entwerfen. Bei der Verhandlung
dieses Antrags im Hause verlangte dagegen Tallmadge, Abgeordneter von New-
York, daß dem Verfassungsentwurf eine Bedingung hinzugefügt werden sollte,
wonach Missouri von jetzt an keine Sklaven mehr einführen, und die Kinder
der bereits vorhandenen mit dem 25, Jahre frei werden sollten. Cobo von
Georgia rief Tallmadge zu: „daß er ein Feuer angezündet habe, weiches nicht
alle Wasser des Oceans, sondern nur Seen von Blut auslöschen könnten. Wenn
die nördlichen Mitglieder auf ihrer Politik beharrten. so würde die Union auf¬
gelöst werden."

„Derartige Redensarten." antwortete Tallmadge, „machen keinen Eindruck
auf mich. Die glorreiche Sache, für die ich hier einstehe, ist mit meiner ganzen
Existenz verwachsen, sie ist der unversöhnlichste Haß gegen die grausamste und
erniedrigendste Sklaverei, welche die Welt kennt. Aber ist es wirklich schon
dahin gekommen, daß in dem Kongresse der Vereinigten Staaten die Sklaverei
ein so delicates, gefährliches, und rücksichtcrforderndes Thema geworden ist. daß
man sie nicht mehr verhandeln darf? Dürfen Mitglieder, welche ihre Ansicht
darüber auszusprechen wagen, deshalb angeklagt werden, daß sie einen Skiaven-
aufstand hervorzurufen trachten? Dieselben Männer sprechen von Auslösung der
Union, von Bürgerkrieg und Blutscenen, welche das Uebel, die Sklaverei nur
noch weiter ausdehnen wollen. Wenn man jetzt schon nicht mehr unangefochten
über diesen Gegenstand sprechen soll, was wird erst das Resultat sein, wenn
die Sklaverei sich bereits über ein ungeheures Gebiet ausgedehnt hat? Jetzt
über muß ihrer Ausdehnung vorgebeugt werden, oder die Gelegenheit dazu ist
für immer verloren. Man sagt, die Ansiedelung des Westens werde verzögert
und der Werth des dortigen Eigenthums sich vermindern, wenn die Sklaverei
dort nicht erlaubt werde. Eine solche Beweisführung spricht jeder Moral Hohn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/405>, abgerufen am 04.07.2024.