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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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als Handwerker. Es wurde mir unter anderm von einem protestantischen Geist¬
lichen erzählt, daß einst ein Popa, welcher als solcher schon zehn Jahre fungirt habe,
in äußerster Verlegenheit zu ihm gekommen sei und ihm seine Noth geklagt habe,
wie der Bischof bei der Versetzung aus eine andere Stelle von ihm die Haltung
einer Predigt verlange. Er möchte nun gerne wissen, was das eigentlich sei. Nach
der ihm darüber gewordenen Aufklärung habe der Popa ihn ersucht, ihm eine
Predigt zu machen, was er, der Pastor, jedoch deshalb abgelehnt habe, weil
er nicht walachisch schreiben könne. -- Derselbe protestantische Pastor erzählte
mir eine andere in einem walachischcn Orte seiner Nachbarschaft vorgekommene,
ebenfalls charakteristische Anekdote. In dem betreffenden Orte waren häufige
Brandstiftungen an den Getreide- und Heuschobern vorgekommen, und die
Grundherrin läßt den Popa auffordern, dieserhalb der Gemeinde eine Straf¬
predigt zu halten, mit dem Bemerken, sie werde dann selbst die Kirche besuchen.
Der Popa beginnt: Es ist häusig vorgekommen, daß ihr Sckobcr anbrennt;
das ist ganz unvernünftig; denn ihr habt nichts davon. Besser ihr stehlt einen
Ochsen, das bringt euch doch Vortheil. -- So weit hörte die Grundherrin
diese moralische Predigt mit an, dann sprang sie auf, gebot dem Popa Schwei-
gen und hielt nun ihrerseits der Gemeinde eine solche eindringliche Straf¬
predigt, daß fortan, Brandstiftungen nicht mehr stattfanden."

Noch niedriger als der Standpunkt der Bildung dieser Geistlichen, ist
nach dem Versasser ihr sittliches Leben, und dem entspricht ihre Stellung in
der bürgerlichen Gesellschaft. Die niedern Grade der Geistlichkeit dürfen sich
verheirathen, vom Bischof aufwärts leben sie im Cölibat. Das Einkommen
eines Priesters ist sehr gering, er ist deshalb genöthigt, Landwirthschaft zu
treiben, und er thut das ganz in der rohen Weise wie seine Bauern. Er
führt seine Ochsen selbst auf die Weide, pflügt und schneidet selbst sein Korn. Im
Aeußern erkennt man ihn, wenn er nicht zu einem Gang in die Stadt seine
Amtstracht, einen langen blauen Kasten und die bekannte schwarze Popenmütze,
angelegt hat, nur an dem Kinnbart; denn die Laien tragen blos Schnurrbärte.

Um das Ansehen zu bezeichnen, in welchem diese Diener des Evangeliums
in den Hinterländern Ncuöstreichs beim Volke stehn, brauchen wir nur zu
erwähnen, daß dem Verfasser, der weder leichtgläubig, noch zu pikanten Ueber¬
treibungen geneigt ist. "ganz übereinstimmend von Personen in der verschie¬
densten bürgerlichen Stellung versichert wurde: der Popa sei stets der größte
Räuber im Orte. Werde Raub. Diebstahl oder eine anderweite Schlechtigkeit
begangen, so stehe in der Regel der Popa, nächst ihm der Richter des Dorfes,
an der Spitze."

Unter Andern wurde unserm Reisenden folgende Thatsache erzählt. "In
dem Dorfe Kriwina nächst der siebenbürgischen Grenze wurde bei einem Bauer
eingebrochen. Um denselben zur Herausgabe seines Geldes zu zwingen, schnitt


als Handwerker. Es wurde mir unter anderm von einem protestantischen Geist¬
lichen erzählt, daß einst ein Popa, welcher als solcher schon zehn Jahre fungirt habe,
in äußerster Verlegenheit zu ihm gekommen sei und ihm seine Noth geklagt habe,
wie der Bischof bei der Versetzung aus eine andere Stelle von ihm die Haltung
einer Predigt verlange. Er möchte nun gerne wissen, was das eigentlich sei. Nach
der ihm darüber gewordenen Aufklärung habe der Popa ihn ersucht, ihm eine
Predigt zu machen, was er, der Pastor, jedoch deshalb abgelehnt habe, weil
er nicht walachisch schreiben könne. — Derselbe protestantische Pastor erzählte
mir eine andere in einem walachischcn Orte seiner Nachbarschaft vorgekommene,
ebenfalls charakteristische Anekdote. In dem betreffenden Orte waren häufige
Brandstiftungen an den Getreide- und Heuschobern vorgekommen, und die
Grundherrin läßt den Popa auffordern, dieserhalb der Gemeinde eine Straf¬
predigt zu halten, mit dem Bemerken, sie werde dann selbst die Kirche besuchen.
Der Popa beginnt: Es ist häusig vorgekommen, daß ihr Sckobcr anbrennt;
das ist ganz unvernünftig; denn ihr habt nichts davon. Besser ihr stehlt einen
Ochsen, das bringt euch doch Vortheil. — So weit hörte die Grundherrin
diese moralische Predigt mit an, dann sprang sie auf, gebot dem Popa Schwei-
gen und hielt nun ihrerseits der Gemeinde eine solche eindringliche Straf¬
predigt, daß fortan, Brandstiftungen nicht mehr stattfanden."

Noch niedriger als der Standpunkt der Bildung dieser Geistlichen, ist
nach dem Versasser ihr sittliches Leben, und dem entspricht ihre Stellung in
der bürgerlichen Gesellschaft. Die niedern Grade der Geistlichkeit dürfen sich
verheirathen, vom Bischof aufwärts leben sie im Cölibat. Das Einkommen
eines Priesters ist sehr gering, er ist deshalb genöthigt, Landwirthschaft zu
treiben, und er thut das ganz in der rohen Weise wie seine Bauern. Er
führt seine Ochsen selbst auf die Weide, pflügt und schneidet selbst sein Korn. Im
Aeußern erkennt man ihn, wenn er nicht zu einem Gang in die Stadt seine
Amtstracht, einen langen blauen Kasten und die bekannte schwarze Popenmütze,
angelegt hat, nur an dem Kinnbart; denn die Laien tragen blos Schnurrbärte.

Um das Ansehen zu bezeichnen, in welchem diese Diener des Evangeliums
in den Hinterländern Ncuöstreichs beim Volke stehn, brauchen wir nur zu
erwähnen, daß dem Verfasser, der weder leichtgläubig, noch zu pikanten Ueber¬
treibungen geneigt ist. „ganz übereinstimmend von Personen in der verschie¬
densten bürgerlichen Stellung versichert wurde: der Popa sei stets der größte
Räuber im Orte. Werde Raub. Diebstahl oder eine anderweite Schlechtigkeit
begangen, so stehe in der Regel der Popa, nächst ihm der Richter des Dorfes,
an der Spitze."

Unter Andern wurde unserm Reisenden folgende Thatsache erzählt. „In
dem Dorfe Kriwina nächst der siebenbürgischen Grenze wurde bei einem Bauer
eingebrochen. Um denselben zur Herausgabe seines Geldes zu zwingen, schnitt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/392>, abgerufen am 25.07.2024.