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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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brauch, daß auch in diesen östreichischen Hinterländern, wie in Galizien, äu¬
ßerst viel von Gerichtswegen geprügelt wird. Man hört bei Polizeiver-
gehcn fast nur von 25. -- Ob das mit den Gesetzen ganz vereinbar ist.
weiß ich nicht, zulassen thun sie es. Jeden Falls aber entspricht es der all¬
gemeinen Ansicht, welche man selbst von humanen und fein gebildeten Män¬
nern aussprechen hört, vollständig, daß man bei diesen rohen Völkerschaften
nicht anders als mit dem Stocke regieren könne.

Für mich war es eine höchst betrübende Erscheinung, von einem solchen
systematischen Prügeln ohne alles Bedenken als von etwas sprechen zu hören,
welches, völlig gerechtfertigt, diesem Volke gegenüber absolut naturgemäß sei.
Allerdings ist das Volk roh und mag demgemäß oft seine Handlungsweise
entwickeln, bei welcher andere Strafen unwirksam erscheinen. Allein wer trägt
die Schuld daran? Gewiß nur die rohe Behandlung und vor Allem der Man¬
gel aller Erziehung durch Kirche und Schule, wie ich weiter unten noch be¬
gründen werde. Offenbar muß von der weltlichen Obrigkeit ebenfalls ein
Anfang gemacht wcroen, das sittliche Gefühl der Menschen zu heben, ihm nicht
alle Ehre zu rauben, indem man ihn als ein Object des Prügelns betrachtet.
Gern will ich zugeben, daß dieses nicht mit einem Schlage oder einfach durch
Ordonnanzen geschehen kann, denn jetzt wird das Volk soviel geprügelt, daß
der Sinn für die Schande dieser BeHandlungsweise ganz entschwunden ist.
Aber der Stock mag als das äußerste Mittel betrachtet werden, und zur Ehre
der Menschheit will ich glauben, daß nach und nach Mittel gefunden werden,
ihn zu entbehren, wenn man nur ernstlich darnach suchen will." --

Sehr interessant, wen/ auch sehr unerfreulich ist, was der Verfasser über
die Zustände der walachischen Bevölkerung im Bannt mittheilt. Dieselbe ist
nicht ohne gute Anlagen, aber noch im rohsten Naturzustande, der kaum irgend¬
wie verschieden ist von dem ihrer Glaubensgenossen in Rußland und dem ihrer
Stammverwandten in den Süddonauländern. Mit den Schulen ist es auf das
Kläglichste bestellt, und ebenso elend steht es mit der Kirche. Der Gottesdienst
beschränkt sich fast nur auf äußere Formen, Hersagen von Gebeten, Besuch
der Messe, Anrufung der Heiligen und Fasten. Von der christlichen Sitten¬
lehre ist wenig oder nichts bekannt, "wol deshalb, weil sich der Popa eher
zu allem andern als zum Sittenlehrer eignet."

Die Bildung der letzteren ist eine äußerst geringe. Zwar soll der, welcher
sich dem geistlichen Stande widmet, die lateinische Schule absolvirt und das
Seminar zu Versöc besucht haben, aber der Bischof dispensirt gegen ein Stück
Geld so häusig davon, daß man dem Verfasser unsrer Schrift "von allen
Seiten versicherte, eine große Anzahl Priester könnten kaum lesen oder schreiben.
Sie eignen sich die äußern Formen an, lernen die Messe und die nöthigen
Gebete, Sprüche, Heiligcnlegenden u. s. w. auswendig und amtiren so rein


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brauch, daß auch in diesen östreichischen Hinterländern, wie in Galizien, äu¬
ßerst viel von Gerichtswegen geprügelt wird. Man hört bei Polizeiver-
gehcn fast nur von 25. — Ob das mit den Gesetzen ganz vereinbar ist.
weiß ich nicht, zulassen thun sie es. Jeden Falls aber entspricht es der all¬
gemeinen Ansicht, welche man selbst von humanen und fein gebildeten Män¬
nern aussprechen hört, vollständig, daß man bei diesen rohen Völkerschaften
nicht anders als mit dem Stocke regieren könne.

Für mich war es eine höchst betrübende Erscheinung, von einem solchen
systematischen Prügeln ohne alles Bedenken als von etwas sprechen zu hören,
welches, völlig gerechtfertigt, diesem Volke gegenüber absolut naturgemäß sei.
Allerdings ist das Volk roh und mag demgemäß oft seine Handlungsweise
entwickeln, bei welcher andere Strafen unwirksam erscheinen. Allein wer trägt
die Schuld daran? Gewiß nur die rohe Behandlung und vor Allem der Man¬
gel aller Erziehung durch Kirche und Schule, wie ich weiter unten noch be¬
gründen werde. Offenbar muß von der weltlichen Obrigkeit ebenfalls ein
Anfang gemacht wcroen, das sittliche Gefühl der Menschen zu heben, ihm nicht
alle Ehre zu rauben, indem man ihn als ein Object des Prügelns betrachtet.
Gern will ich zugeben, daß dieses nicht mit einem Schlage oder einfach durch
Ordonnanzen geschehen kann, denn jetzt wird das Volk soviel geprügelt, daß
der Sinn für die Schande dieser BeHandlungsweise ganz entschwunden ist.
Aber der Stock mag als das äußerste Mittel betrachtet werden, und zur Ehre
der Menschheit will ich glauben, daß nach und nach Mittel gefunden werden,
ihn zu entbehren, wenn man nur ernstlich darnach suchen will." —

Sehr interessant, wen/ auch sehr unerfreulich ist, was der Verfasser über
die Zustände der walachischen Bevölkerung im Bannt mittheilt. Dieselbe ist
nicht ohne gute Anlagen, aber noch im rohsten Naturzustande, der kaum irgend¬
wie verschieden ist von dem ihrer Glaubensgenossen in Rußland und dem ihrer
Stammverwandten in den Süddonauländern. Mit den Schulen ist es auf das
Kläglichste bestellt, und ebenso elend steht es mit der Kirche. Der Gottesdienst
beschränkt sich fast nur auf äußere Formen, Hersagen von Gebeten, Besuch
der Messe, Anrufung der Heiligen und Fasten. Von der christlichen Sitten¬
lehre ist wenig oder nichts bekannt, „wol deshalb, weil sich der Popa eher
zu allem andern als zum Sittenlehrer eignet."

Die Bildung der letzteren ist eine äußerst geringe. Zwar soll der, welcher
sich dem geistlichen Stande widmet, die lateinische Schule absolvirt und das
Seminar zu Versöc besucht haben, aber der Bischof dispensirt gegen ein Stück
Geld so häusig davon, daß man dem Verfasser unsrer Schrift „von allen
Seiten versicherte, eine große Anzahl Priester könnten kaum lesen oder schreiben.
Sie eignen sich die äußern Formen an, lernen die Messe und die nöthigen
Gebete, Sprüche, Heiligcnlegenden u. s. w. auswendig und amtiren so rein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/391>, abgerufen am 25.07.2024.