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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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im wiederholte Versuche gemacht worden sein, den Geschäftsgang zu verein¬
fachen und die unselige Vielschreiberei in gemessene Schranken zurückzuweisen,
aber es hat nichts gefruchtet, im Gegentheil soll oft die Sache dadurch noch
schlimmer geworden sein. So viel aber ist gewiß, die Geschäftslast wurde
bei den gegenwärtigen Formen zu einer erdrückenden."

Das Uebel scheint mir höher zu liegen, nämlich in der in Oestreich so
ganz scharf ausgeprägten Centralisation und dem Bureaukratismus. Man
muß, um dem zu entsprechen, alles nach Oben ziehen; um die Maschine im
Gange zu erhalten, werden unendlich viele Tabellen, Uebersichten und Berichte
erfordert, welche mit ihrer ganzen Wucht auf die untern Behörden drücken.
Die büreaukratische Form derselben hat die unabwendbare Folge, daß Jeder
die Verantwortung scheuend, sich nach Oben hin durch Berichterstattungen zu
sichern sucht. Nur wenn die Beamten unter eigner, strenger Verantwortlichkeit
mehr zu entscheiden haben, wenn man es aufgibt, oben stets auch von den
geringsten Details unterrichtet sein zu wollen, wird es möglich sein, gründlich
zu helfen. Der Beamte sucht seine Befriedigung darin, die ärarischen Ange¬
legenheiten wie Steuer, Militärischen u. tgi., welche überall prompt erledigt
werden, unbedingt rasch abzumachen und durch dickleibige Berichte bei den
Oberbehörden zu glänzen; sich mit den wichtigen Angelegenheiten des Volks
eingehend zu beschäftigen, dazu bleibt ihm dann wenige Zeit übrig. Erst wenn
diese durch Aufgabe der Vielschreiberei und durch Einführung eines rascheren
Geschäftsbetriebes erlangt wird, kann mit Zuversicht eine Besserung erwartet
werden. Man legt jetzt viel Werth daraus, durch eine zweckmäßige Gcmeinde-
organisation diesen eine größere Selbständigkeit zu geben und ihnen eine
Menge Geschäfte der Unterbehörden zu übertragen; allein man kann sich da¬
bei leicht täuschen. Eine Ueberwachung der Gemeinden auf eine oder die
andere Weise muß doch immer stattfinden, soll diese nach dem bisherigen
Systeme ausgeführt werden, so wird die Geschäftslast der Behörden wahr¬
scheinlich nicht viel vermindert. Das Regieren vom grünen Tische ab muß
aufhören, dann"erst wird mehr Leben in das Ganze kommen.

Allerdings ist es, um den Beamten eine entsprechende Selbständigkeit ge¬
währen zu können, nothwendig, gute Beamte zu haben. Darin liegt offen¬
bar eine große Schwierigkeit, besonders für die Gegend, welche uns hier vor¬
zugsweise beschäftigt. An sich ist es in gewisser Hinsicht offenbar schon ein
Opfer, in einem so fernen Theile der Monarchie zu amtiren. wo doch den
dort nicht Gebornen manche Entbehrungen treffen. Das Banat liegt sehr
ab von einem regeren geistigen Verkehr und die Cultur des Volks, womit
der Beamte zu thun hat, ist eine sehr geringe. , Der Fremde ist außerdem
sehr abgeschieden von dem Kreise der Verwandten und Freunde, in welchem
er sich gern bewegte, und das alles sind große Hindernisse für die Uebersiedel-


im wiederholte Versuche gemacht worden sein, den Geschäftsgang zu verein¬
fachen und die unselige Vielschreiberei in gemessene Schranken zurückzuweisen,
aber es hat nichts gefruchtet, im Gegentheil soll oft die Sache dadurch noch
schlimmer geworden sein. So viel aber ist gewiß, die Geschäftslast wurde
bei den gegenwärtigen Formen zu einer erdrückenden."

Das Uebel scheint mir höher zu liegen, nämlich in der in Oestreich so
ganz scharf ausgeprägten Centralisation und dem Bureaukratismus. Man
muß, um dem zu entsprechen, alles nach Oben ziehen; um die Maschine im
Gange zu erhalten, werden unendlich viele Tabellen, Uebersichten und Berichte
erfordert, welche mit ihrer ganzen Wucht auf die untern Behörden drücken.
Die büreaukratische Form derselben hat die unabwendbare Folge, daß Jeder
die Verantwortung scheuend, sich nach Oben hin durch Berichterstattungen zu
sichern sucht. Nur wenn die Beamten unter eigner, strenger Verantwortlichkeit
mehr zu entscheiden haben, wenn man es aufgibt, oben stets auch von den
geringsten Details unterrichtet sein zu wollen, wird es möglich sein, gründlich
zu helfen. Der Beamte sucht seine Befriedigung darin, die ärarischen Ange¬
legenheiten wie Steuer, Militärischen u. tgi., welche überall prompt erledigt
werden, unbedingt rasch abzumachen und durch dickleibige Berichte bei den
Oberbehörden zu glänzen; sich mit den wichtigen Angelegenheiten des Volks
eingehend zu beschäftigen, dazu bleibt ihm dann wenige Zeit übrig. Erst wenn
diese durch Aufgabe der Vielschreiberei und durch Einführung eines rascheren
Geschäftsbetriebes erlangt wird, kann mit Zuversicht eine Besserung erwartet
werden. Man legt jetzt viel Werth daraus, durch eine zweckmäßige Gcmeinde-
organisation diesen eine größere Selbständigkeit zu geben und ihnen eine
Menge Geschäfte der Unterbehörden zu übertragen; allein man kann sich da¬
bei leicht täuschen. Eine Ueberwachung der Gemeinden auf eine oder die
andere Weise muß doch immer stattfinden, soll diese nach dem bisherigen
Systeme ausgeführt werden, so wird die Geschäftslast der Behörden wahr¬
scheinlich nicht viel vermindert. Das Regieren vom grünen Tische ab muß
aufhören, dann"erst wird mehr Leben in das Ganze kommen.

Allerdings ist es, um den Beamten eine entsprechende Selbständigkeit ge¬
währen zu können, nothwendig, gute Beamte zu haben. Darin liegt offen¬
bar eine große Schwierigkeit, besonders für die Gegend, welche uns hier vor¬
zugsweise beschäftigt. An sich ist es in gewisser Hinsicht offenbar schon ein
Opfer, in einem so fernen Theile der Monarchie zu amtiren. wo doch den
dort nicht Gebornen manche Entbehrungen treffen. Das Banat liegt sehr
ab von einem regeren geistigen Verkehr und die Cultur des Volks, womit
der Beamte zu thun hat, ist eine sehr geringe. , Der Fremde ist außerdem
sehr abgeschieden von dem Kreise der Verwandten und Freunde, in welchem
er sich gern bewegte, und das alles sind große Hindernisse für die Uebersiedel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/388>, abgerufen am 25.07.2024.