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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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charakteristisch für die Methode der kaiserlichen Politik. Die Behendigkeit, mit
welcher er sich auf den Standpunkt seiner Gegner von Teplitz stellt, und die
naive Schlauheit, womit er über die Rechte der Völker und die Zustünde seines
Landes spricht, sind schon auffallend genug; noch^mehr aber ist es die Beharr¬
lichkeit, mit welcher er Ansichten und Behauptungen wiederholt, von denen er
sich gute Wirkungen verspricht. Fast genau dieselben Sätze hatte er, so oft
es ihm dienlich schien, durch die Presse in Frankreich verkünden lassen, genau
dasselbe hatte er, wie erzählt wird, in Unterredungen zu Baden immer wieder
gesagt. Er ist so hartnäckig ehrlich und von so offener Treuherzigkeit, und
doch will ihm die Welt gar nicht glauben. Die Wirkungen dieses Briefes,
sind, so weit wir darüber urtheilen können, nicht bedeutend gewesen. Man
fährt in England fort zu rüsten; man betrachtet dort den Brief nur als
ein Zeichen, daß Napoleon vorläufig für nöthig hält. Frieden in Europa zu
halten. Die langsame Annäherung an Deutschland dauert trotz kleiner Gegen¬
strömungen im Ganzen fort. Und eine Vereinigung mit Preußen steht im¬
mer noch in sicherer Aussicht, wenn für deutsche Interessen ein Krieg
geführt werden muß.

Jeder Rückblick auf die Geschichte des letzten Jahres zeigt, wie sehr die
Bedeutung Preußens für die europäische Politik gestiegen ist. Derselbe Staat,
der noch vor zwei Jahren in dem Rath der Mächte fast gar nicht anzahlte,
ist durch einige besonnene Acte seiner Regierung für den Augenblick fast der
wichtigste der fünf großen Staaten geworden, sein erstes entschlossenes Ein¬
greifen in die schwebenden Processe Europas hat die Sachlage wie mit einem
Schlage geändert, die Intriguen Frankreichs sind gekreuzt, seine Fortschritte
aufgehalten, die unheimliche gewitterschwüle Stimmung, welche dadurch hervor¬
gebracht wurde, daß jede der Großmächte mißtrauisch und beobachtend den
andern gegenüber stand, scheint ihrem Ende nahe, die erste Bürgschaft für den
Frieden Europas, Allianzen der Majorität bereiten sich vor; das berliner Ca-
binet ist vom Auslande respectirt, wetteifernd ist die Presse bemüht, die Politik
"der ehrlichen Leute" zu rühmen, dem Prinzregent kommen nicht nur die
Aufmerksamkeiten seiner Mitsouveräne von allen Seiten entgegen, er wird auch
fast in ganz Europa wie ein neu aufgehender Stern besprochen, er ist grade
jetzt vielleicht der populärste aller Souveräne.

Und sieht man näher zu, so ist auch bis nach den Tagen von Tep¬
litz im Ganzen das Richtige und Gute geschehn, was den höchsten
Interessen des Staates, welchen wir im Herzen tragen, unter den ge¬
gebenen Verhältnissen am besten entspricht. Es ist wahr, Preußen hat
in dieser Zusammenkunft den guten Willen ausgesprochen, für gewisse
Eventualitäten sein Geld und Blut zum Vortheile Oestreichs daran zu
sehen, aber es hat dies mit großer Vorsicht gethan, und sich wol gehütet,


charakteristisch für die Methode der kaiserlichen Politik. Die Behendigkeit, mit
welcher er sich auf den Standpunkt seiner Gegner von Teplitz stellt, und die
naive Schlauheit, womit er über die Rechte der Völker und die Zustünde seines
Landes spricht, sind schon auffallend genug; noch^mehr aber ist es die Beharr¬
lichkeit, mit welcher er Ansichten und Behauptungen wiederholt, von denen er
sich gute Wirkungen verspricht. Fast genau dieselben Sätze hatte er, so oft
es ihm dienlich schien, durch die Presse in Frankreich verkünden lassen, genau
dasselbe hatte er, wie erzählt wird, in Unterredungen zu Baden immer wieder
gesagt. Er ist so hartnäckig ehrlich und von so offener Treuherzigkeit, und
doch will ihm die Welt gar nicht glauben. Die Wirkungen dieses Briefes,
sind, so weit wir darüber urtheilen können, nicht bedeutend gewesen. Man
fährt in England fort zu rüsten; man betrachtet dort den Brief nur als
ein Zeichen, daß Napoleon vorläufig für nöthig hält. Frieden in Europa zu
halten. Die langsame Annäherung an Deutschland dauert trotz kleiner Gegen¬
strömungen im Ganzen fort. Und eine Vereinigung mit Preußen steht im¬
mer noch in sicherer Aussicht, wenn für deutsche Interessen ein Krieg
geführt werden muß.

Jeder Rückblick auf die Geschichte des letzten Jahres zeigt, wie sehr die
Bedeutung Preußens für die europäische Politik gestiegen ist. Derselbe Staat,
der noch vor zwei Jahren in dem Rath der Mächte fast gar nicht anzahlte,
ist durch einige besonnene Acte seiner Regierung für den Augenblick fast der
wichtigste der fünf großen Staaten geworden, sein erstes entschlossenes Ein¬
greifen in die schwebenden Processe Europas hat die Sachlage wie mit einem
Schlage geändert, die Intriguen Frankreichs sind gekreuzt, seine Fortschritte
aufgehalten, die unheimliche gewitterschwüle Stimmung, welche dadurch hervor¬
gebracht wurde, daß jede der Großmächte mißtrauisch und beobachtend den
andern gegenüber stand, scheint ihrem Ende nahe, die erste Bürgschaft für den
Frieden Europas, Allianzen der Majorität bereiten sich vor; das berliner Ca-
binet ist vom Auslande respectirt, wetteifernd ist die Presse bemüht, die Politik
„der ehrlichen Leute" zu rühmen, dem Prinzregent kommen nicht nur die
Aufmerksamkeiten seiner Mitsouveräne von allen Seiten entgegen, er wird auch
fast in ganz Europa wie ein neu aufgehender Stern besprochen, er ist grade
jetzt vielleicht der populärste aller Souveräne.

Und sieht man näher zu, so ist auch bis nach den Tagen von Tep¬
litz im Ganzen das Richtige und Gute geschehn, was den höchsten
Interessen des Staates, welchen wir im Herzen tragen, unter den ge¬
gebenen Verhältnissen am besten entspricht. Es ist wahr, Preußen hat
in dieser Zusammenkunft den guten Willen ausgesprochen, für gewisse
Eventualitäten sein Geld und Blut zum Vortheile Oestreichs daran zu
sehen, aber es hat dies mit großer Vorsicht gethan, und sich wol gehütet,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/337>, abgerufen am 04.07.2024.