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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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rolle dabei hat der Tänzer. Er muß in bestimmten Zwischenräumen siebenerlei
Bewegungen machen: zwei mit den Füßen, zwei mit den Knien, indem er
niederkniee, zwei mit den Ellenbogen, die er nach einander auf den Boden
stößt, und eine mit dem Kopfe, mit dem er ebenfalls den Boden zu berühren
hat. Dabei singt er im Dorfe Owen:

Der Spruch findet sich plattdeutsch, sonst fast wörtlich wie hier, auch in der
Gegend von Bremen als Kinder- und Ammenreim. Bei den letzten Worten
"'s ist einer", liegt der Tänzer auf den Knien und berührt die Erde mit der
Stirn, was die letzte Bewegung ist, während sein Mädchen um ihn herumtanzt.
Hierauf wird der Vers wiederholt und mit andern Bewegungen dazu getanzt.
Am Schluß heißt es dann: "'s sind zwei", und so zählt der Tänzer fort bis
sieben. Darauf geht es rückwärts, und zwar mit denselben Bewegungen wie
vorher, indem der Tänzer zählt "'s sind sechs! 's sind fünf!" bis auf den er¬
sten. Die Musik zu diesem Tanze wird jetzt "Schottisch" genannt.

Auf die Einfahrt des Getreides und die Sichclhenke folgt das Dreschen
und nach dessen Beendigung die "Flegelhenke", wieder ein Schmaus, der
seinen Namen davon hat, daß man bei ihm die Dreschflegel feierlich bis zum
nächsten Jahre an den Nagel hängt. Wer beim Dreschen den letzten Schlag
auf die Tenne thut, heißt der Mockel, und zwar je nach der Frucht, Gersten-,
Hafer-, Erbsenmockel u. f. w. Derselbe wird ganz in Stroh eingeflochten, be¬
kommt quer über den Kopf einen Stock, der ans dem Stroh hervorstehend
zwei Hörner vorstellt und wird in dieser Vermummung von zwei Burschen an
einem Strick vor den Brunnen zur Tränke geführt, wobei er das Gebrüll einer
Kuh nachzuahmen hat. So in Derendingen. An andern Orten, z. B.
in Wurmlingen, heißt er "Butz", Korn- oder Gerstenbutz, in Friedingen und
Onstmettingen. wo er den Andern einen Trunk zahlen muß, "Sau," in Tet-
nang "Bock"; in Berkheim wird ihm bei der Flegelhenke ein Teller mit Spreu
vorgesetzt. In Herbrechtingen gibt man unter den Bauern des Dorfes genau
Acht, welches Gehöfte zuletzt mit dem Dreschen fertig wird, und jeder beeilt
sich, nicht der letzte zu werden. Wem dies aber doch geschieht, dem wird
von den Burschen eine etwa anderthalb Schuh lange Puppe, die als lumpiges
Weib angezogen ist und einen Hut aufhat, unversehens in die Scheune ge¬
worfen, wobei man ruft: "Do heut ihr die Mockel." Die Trescher wissen
das aber schon vorher; sie passen darum auf und suchen den, der die Puppe
hereinwirft, zu fangen. Gelingt dies, so behalten sie ihn über Nacht und


Grenzboten III. 1360. 39

rolle dabei hat der Tänzer. Er muß in bestimmten Zwischenräumen siebenerlei
Bewegungen machen: zwei mit den Füßen, zwei mit den Knien, indem er
niederkniee, zwei mit den Ellenbogen, die er nach einander auf den Boden
stößt, und eine mit dem Kopfe, mit dem er ebenfalls den Boden zu berühren
hat. Dabei singt er im Dorfe Owen:

Der Spruch findet sich plattdeutsch, sonst fast wörtlich wie hier, auch in der
Gegend von Bremen als Kinder- und Ammenreim. Bei den letzten Worten
„'s ist einer", liegt der Tänzer auf den Knien und berührt die Erde mit der
Stirn, was die letzte Bewegung ist, während sein Mädchen um ihn herumtanzt.
Hierauf wird der Vers wiederholt und mit andern Bewegungen dazu getanzt.
Am Schluß heißt es dann: „'s sind zwei", und so zählt der Tänzer fort bis
sieben. Darauf geht es rückwärts, und zwar mit denselben Bewegungen wie
vorher, indem der Tänzer zählt „'s sind sechs! 's sind fünf!" bis auf den er¬
sten. Die Musik zu diesem Tanze wird jetzt „Schottisch" genannt.

Auf die Einfahrt des Getreides und die Sichclhenke folgt das Dreschen
und nach dessen Beendigung die „Flegelhenke", wieder ein Schmaus, der
seinen Namen davon hat, daß man bei ihm die Dreschflegel feierlich bis zum
nächsten Jahre an den Nagel hängt. Wer beim Dreschen den letzten Schlag
auf die Tenne thut, heißt der Mockel, und zwar je nach der Frucht, Gersten-,
Hafer-, Erbsenmockel u. f. w. Derselbe wird ganz in Stroh eingeflochten, be¬
kommt quer über den Kopf einen Stock, der ans dem Stroh hervorstehend
zwei Hörner vorstellt und wird in dieser Vermummung von zwei Burschen an
einem Strick vor den Brunnen zur Tränke geführt, wobei er das Gebrüll einer
Kuh nachzuahmen hat. So in Derendingen. An andern Orten, z. B.
in Wurmlingen, heißt er „Butz", Korn- oder Gerstenbutz, in Friedingen und
Onstmettingen. wo er den Andern einen Trunk zahlen muß, „Sau," in Tet-
nang „Bock"; in Berkheim wird ihm bei der Flegelhenke ein Teller mit Spreu
vorgesetzt. In Herbrechtingen gibt man unter den Bauern des Dorfes genau
Acht, welches Gehöfte zuletzt mit dem Dreschen fertig wird, und jeder beeilt
sich, nicht der letzte zu werden. Wem dies aber doch geschieht, dem wird
von den Burschen eine etwa anderthalb Schuh lange Puppe, die als lumpiges
Weib angezogen ist und einen Hut aufhat, unversehens in die Scheune ge¬
worfen, wobei man ruft: „Do heut ihr die Mockel." Die Trescher wissen
das aber schon vorher; sie passen darum auf und suchen den, der die Puppe
hereinwirft, zu fangen. Gelingt dies, so behalten sie ihn über Nacht und


Grenzboten III. 1360. 39
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/317>, abgerufen am 25.07.2024.