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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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In Heubach liest man die größten Aehren aus und stellt sie während des
Schmauses in einem Glase aus den Tisch. Man zählt dann wol die Körner
einer Aehre und hebt sie bis zur nächsten Ernte aus. In Tettnang verband
sich mit der Sichelhcnke früher ein Hahnenschlagen. In Kiebingen und Buhl,
wo man die Sichelhenke zu Bartholomäi -- am 24. August -- hält, kommen
zu dem Schmaus noch andere Lustbarkeiten, namentlich Hammel-, Hut- oder
Hahnentänze hinzu. Die Theilnehmer bringen durch Loose so viel Geld zu¬
sammen, daß sie einen Hammel, Hahn oder Hut kaufen können, der dann zu¬
nächst in feierlichem Zuge durch den Ort geführt wird. In Kiebingen. Buhl
und Ellwangen ist es in der Regel ein Hammel. Das Austanzen findet im
Freien statt. Der Gewinn wird auf verschiedene Weise erlangt. Gewöhnlich
wird ein Pistol geladen oder ein Feuerteusel (Schwärmer, Sprühkützchen) ge¬
macht, dann ein langer Streifen Schwamm angezündet und an das Pulver
gelegt. Darauf darf jeder mit seinem Mädchen einmal im Kreis herumtanzen,
wobei er entweder einen Säbel oder einen mit Zweigen und Blumen geschmück¬
ten Stock in der Hand hält, den er nach Beendigung der Tour seinem Nach¬
folger übergeben muß. So geht es der Reihe nach um, und wer beim Los¬
knallen des Pistols oder Feuerteufels grade im Tanzen ist, hat den Preis
gewonnen. Anders wo, z. B. in Derendiugen, zündet man eine Talgkerze an,
in welche in einer gewissen Entfernung vom Lichte ein Geldstück gesteckt wird.
Bei wem die Kerze so weit abgebrannt ist, daß das Geldstück herausfällt, der
hat gewonnen. Bei den Hahnentänzen wird wieder anders verfahren. Bur¬
schen und Mädchen tanzen auf einer Wiese um eine Säule herum, auf welcher
oben in einem Käsig ein Hahn steht. Jedes Mädchen hat zu versuchen, ohne
Unterbrechung des Tanzes ihren Burschen so hoch zu heben, daß er im Stande
ist, den Käsig zu ergreifen. Welchem Paare das gelingt, das hat den Preis
gewonnen. Anderswo wieder hat das Mädchen den Burschen so hoch zu
heben, daß er mit dem Kopfe ein auf der Säule stehendes Glas Wasser um-
-stoßen kann. Jedes Paar dreht sich einmal um die Säule herum, und das
wird so lange wiederholt, bis eines den Preis erreicht. Besonders häusig
trifft man diesen Gebrauch noch in Oberschwaben, z. B. in der Nachbarschaft
von Wangen und Leutkirch an.

Ein besonderer, bisweilen noch bei schwäbischen Erntefesten aufgeführter,
auch in norddeutschen Landschaften bekannter Tanz, der sehr wahrscheinlich aus
der Urzeit stammt und vielleicht einst religiöse Bedeutung hatte.*) Die Haupt-



Man vergleiche, was Kühn über den Siebensprung am Haarbaum bei Iserlohn mit¬
theilt. Mäglich auch, daß die sieben Schritte bei der indischen Hochzeit und die bei der indi¬
schen Feuerprobe hierher zu beziehen sind. Endlich können vielleicht selbst die dem Siebensprung
ähnlichen Stellungen der Mohammedaner beim Gebet und die fast ganz gleichen der gemeinen
Russen zur Erklärung herbeigezogen werden.

In Heubach liest man die größten Aehren aus und stellt sie während des
Schmauses in einem Glase aus den Tisch. Man zählt dann wol die Körner
einer Aehre und hebt sie bis zur nächsten Ernte aus. In Tettnang verband
sich mit der Sichelhcnke früher ein Hahnenschlagen. In Kiebingen und Buhl,
wo man die Sichelhenke zu Bartholomäi — am 24. August — hält, kommen
zu dem Schmaus noch andere Lustbarkeiten, namentlich Hammel-, Hut- oder
Hahnentänze hinzu. Die Theilnehmer bringen durch Loose so viel Geld zu¬
sammen, daß sie einen Hammel, Hahn oder Hut kaufen können, der dann zu¬
nächst in feierlichem Zuge durch den Ort geführt wird. In Kiebingen. Buhl
und Ellwangen ist es in der Regel ein Hammel. Das Austanzen findet im
Freien statt. Der Gewinn wird auf verschiedene Weise erlangt. Gewöhnlich
wird ein Pistol geladen oder ein Feuerteusel (Schwärmer, Sprühkützchen) ge¬
macht, dann ein langer Streifen Schwamm angezündet und an das Pulver
gelegt. Darauf darf jeder mit seinem Mädchen einmal im Kreis herumtanzen,
wobei er entweder einen Säbel oder einen mit Zweigen und Blumen geschmück¬
ten Stock in der Hand hält, den er nach Beendigung der Tour seinem Nach¬
folger übergeben muß. So geht es der Reihe nach um, und wer beim Los¬
knallen des Pistols oder Feuerteufels grade im Tanzen ist, hat den Preis
gewonnen. Anders wo, z. B. in Derendiugen, zündet man eine Talgkerze an,
in welche in einer gewissen Entfernung vom Lichte ein Geldstück gesteckt wird.
Bei wem die Kerze so weit abgebrannt ist, daß das Geldstück herausfällt, der
hat gewonnen. Bei den Hahnentänzen wird wieder anders verfahren. Bur¬
schen und Mädchen tanzen auf einer Wiese um eine Säule herum, auf welcher
oben in einem Käsig ein Hahn steht. Jedes Mädchen hat zu versuchen, ohne
Unterbrechung des Tanzes ihren Burschen so hoch zu heben, daß er im Stande
ist, den Käsig zu ergreifen. Welchem Paare das gelingt, das hat den Preis
gewonnen. Anderswo wieder hat das Mädchen den Burschen so hoch zu
heben, daß er mit dem Kopfe ein auf der Säule stehendes Glas Wasser um-
-stoßen kann. Jedes Paar dreht sich einmal um die Säule herum, und das
wird so lange wiederholt, bis eines den Preis erreicht. Besonders häusig
trifft man diesen Gebrauch noch in Oberschwaben, z. B. in der Nachbarschaft
von Wangen und Leutkirch an.

Ein besonderer, bisweilen noch bei schwäbischen Erntefesten aufgeführter,
auch in norddeutschen Landschaften bekannter Tanz, der sehr wahrscheinlich aus
der Urzeit stammt und vielleicht einst religiöse Bedeutung hatte.*) Die Haupt-



Man vergleiche, was Kühn über den Siebensprung am Haarbaum bei Iserlohn mit¬
theilt. Mäglich auch, daß die sieben Schritte bei der indischen Hochzeit und die bei der indi¬
schen Feuerprobe hierher zu beziehen sind. Endlich können vielleicht selbst die dem Siebensprung
ähnlichen Stellungen der Mohammedaner beim Gebet und die fast ganz gleichen der gemeinen
Russen zur Erklärung herbeigezogen werden.
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[0316] In Heubach liest man die größten Aehren aus und stellt sie während des Schmauses in einem Glase aus den Tisch. Man zählt dann wol die Körner einer Aehre und hebt sie bis zur nächsten Ernte aus. In Tettnang verband sich mit der Sichelhcnke früher ein Hahnenschlagen. In Kiebingen und Buhl, wo man die Sichelhenke zu Bartholomäi — am 24. August — hält, kommen zu dem Schmaus noch andere Lustbarkeiten, namentlich Hammel-, Hut- oder Hahnentänze hinzu. Die Theilnehmer bringen durch Loose so viel Geld zu¬ sammen, daß sie einen Hammel, Hahn oder Hut kaufen können, der dann zu¬ nächst in feierlichem Zuge durch den Ort geführt wird. In Kiebingen. Buhl und Ellwangen ist es in der Regel ein Hammel. Das Austanzen findet im Freien statt. Der Gewinn wird auf verschiedene Weise erlangt. Gewöhnlich wird ein Pistol geladen oder ein Feuerteusel (Schwärmer, Sprühkützchen) ge¬ macht, dann ein langer Streifen Schwamm angezündet und an das Pulver gelegt. Darauf darf jeder mit seinem Mädchen einmal im Kreis herumtanzen, wobei er entweder einen Säbel oder einen mit Zweigen und Blumen geschmück¬ ten Stock in der Hand hält, den er nach Beendigung der Tour seinem Nach¬ folger übergeben muß. So geht es der Reihe nach um, und wer beim Los¬ knallen des Pistols oder Feuerteufels grade im Tanzen ist, hat den Preis gewonnen. Anders wo, z. B. in Derendiugen, zündet man eine Talgkerze an, in welche in einer gewissen Entfernung vom Lichte ein Geldstück gesteckt wird. Bei wem die Kerze so weit abgebrannt ist, daß das Geldstück herausfällt, der hat gewonnen. Bei den Hahnentänzen wird wieder anders verfahren. Bur¬ schen und Mädchen tanzen auf einer Wiese um eine Säule herum, auf welcher oben in einem Käsig ein Hahn steht. Jedes Mädchen hat zu versuchen, ohne Unterbrechung des Tanzes ihren Burschen so hoch zu heben, daß er im Stande ist, den Käsig zu ergreifen. Welchem Paare das gelingt, das hat den Preis gewonnen. Anderswo wieder hat das Mädchen den Burschen so hoch zu heben, daß er mit dem Kopfe ein auf der Säule stehendes Glas Wasser um- -stoßen kann. Jedes Paar dreht sich einmal um die Säule herum, und das wird so lange wiederholt, bis eines den Preis erreicht. Besonders häusig trifft man diesen Gebrauch noch in Oberschwaben, z. B. in der Nachbarschaft von Wangen und Leutkirch an. Ein besonderer, bisweilen noch bei schwäbischen Erntefesten aufgeführter, auch in norddeutschen Landschaften bekannter Tanz, der sehr wahrscheinlich aus der Urzeit stammt und vielleicht einst religiöse Bedeutung hatte.*) Die Haupt- Man vergleiche, was Kühn über den Siebensprung am Haarbaum bei Iserlohn mit¬ theilt. Mäglich auch, daß die sieben Schritte bei der indischen Hochzeit und die bei der indi¬ schen Feuerprobe hierher zu beziehen sind. Endlich können vielleicht selbst die dem Siebensprung ähnlichen Stellungen der Mohammedaner beim Gebet und die fast ganz gleichen der gemeinen Russen zur Erklärung herbeigezogen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/316>, abgerufen am 25.07.2024.