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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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[Beginn Spaltensatz] ^ Nimm also, liebstes Kind! dein Herz
^ O schweres Wort! -- zurücke,
Und kehre dich an keinen Schmerz,
Womit ichs wicderschicke.
Es ist zu edel und zu treu,
Als daß es mein Gefährte sei,
Und wegen fremder Plage
Sein eigen Heil verschlage. [Spaltenumbruch] Du kannst dir durch dies theure Pfand
Was Köstlichcrs erwerben,
Mir mehrt es nur den Jammerstand,
Und läßt mich schwerer sterben;
Denn weil du mich so zärtlich liebst,
Und alles vor mein Wohlsein gibst,
So fühl' ich halbe Leiche
Auch zweifach scharfe Streiche. [Ende Spaltensatz]
... So brich nur Bild und Ring entzwei,
Und laß die Briefe lodern;
Ich gebe dich dem Ersten frei,
Und habe nichts zu fodern.

Noch einmal nahmen sich die Freunde seiner an; er wurde in Lauban
losgemacht, und ging, nachdem er es wieder umsonst bei seinem Vater ver¬
sucht, Herbst 1720 nach Kreuzberg. Ein neuer Gönner, Herr von Nimvlsch
auf Bischdorf, suchte durch eine Heirath seinem Leben einen Halt zu verleih"-,
durch seine Vermittelung verlobte sich eine Pfarrerstochter, Phyllis, die sich
erst spröde gezeigt, 2. April 1721 mit dem Dichter; der Verlobungsring, den
er ihr schenkte, war mit einem Todtenkopf geziert. (S. 281.)

[Beginn Spaltensatz] Erschrick nicht vor dem Liebeszeichen,
Es träget unser künftig Bild,
Vor dem nur die allein erbleichen,
Bei denen die Vernunft nichts gilt.
Wie schickt sich aber Eis und Flammen? [Spaltenumbruch] Wie reimt sich Lieb'und Tod zusammen? --
Es schickt und reimt sich gar zu schön,
Denn beide sind von gleicher Stärke,
Und spielen ihre Wunderwerke
Mit allen, die auf Erden gehn. [Ende Spaltensatz]

Man hatte ihm die Bedingung gestellt, sich mit seinem Vater auszusöh¬
nen; als ihm das mißlang, zerschlug sich auch die Verlobung, und er irrte
nun unstät umher, in Jauer, Liegnitz (August 1721), auf den Gütern der be¬
nachbarten Edelleute, in Landshut (Sommer 1722). Man empfahl ihm, sich
durch ein Lobgedicht (S. 137) den Grafen Sporck zu verpflichten; auch dieses
brachte ihm nur eine karge Gabe ein. Fünfmal war er nach Striegau ge¬
pilgert (das letzte Mal im Spätherbst 1722), der Vater hatte ihm stets die
Thür verschlossen; noch.einmal versuchte er es, ihn durch ein langes Gedicht
SU rühren (S. 855). Das Gedicht wird noch heute seine Wirkung nicht ver-
fehlen, hauptsächlich weil der Sohn, bei aller Ehrfurcht und Hingebung, doch
nie gemein wird, sondern in der Hauptsache stolz bei seiner Ueberzeugung
stehn bleibt. Es ist eine an sich nicht unedle Natur. "Was ich dann und
wann versehn, ist die Hitze junger Jahre." -- Zuerst erinnert er den
Vater an frühere gute Stunden.


[Beginn Spaltensatz] ^ Nimm also, liebstes Kind! dein Herz
^ O schweres Wort! — zurücke,
Und kehre dich an keinen Schmerz,
Womit ichs wicderschicke.
Es ist zu edel und zu treu,
Als daß es mein Gefährte sei,
Und wegen fremder Plage
Sein eigen Heil verschlage. [Spaltenumbruch] Du kannst dir durch dies theure Pfand
Was Köstlichcrs erwerben,
Mir mehrt es nur den Jammerstand,
Und läßt mich schwerer sterben;
Denn weil du mich so zärtlich liebst,
Und alles vor mein Wohlsein gibst,
So fühl' ich halbe Leiche
Auch zweifach scharfe Streiche. [Ende Spaltensatz]
... So brich nur Bild und Ring entzwei,
Und laß die Briefe lodern;
Ich gebe dich dem Ersten frei,
Und habe nichts zu fodern.

Noch einmal nahmen sich die Freunde seiner an; er wurde in Lauban
losgemacht, und ging, nachdem er es wieder umsonst bei seinem Vater ver¬
sucht, Herbst 1720 nach Kreuzberg. Ein neuer Gönner, Herr von Nimvlsch
auf Bischdorf, suchte durch eine Heirath seinem Leben einen Halt zu verleih»-,
durch seine Vermittelung verlobte sich eine Pfarrerstochter, Phyllis, die sich
erst spröde gezeigt, 2. April 1721 mit dem Dichter; der Verlobungsring, den
er ihr schenkte, war mit einem Todtenkopf geziert. (S. 281.)

[Beginn Spaltensatz] Erschrick nicht vor dem Liebeszeichen,
Es träget unser künftig Bild,
Vor dem nur die allein erbleichen,
Bei denen die Vernunft nichts gilt.
Wie schickt sich aber Eis und Flammen? [Spaltenumbruch] Wie reimt sich Lieb'und Tod zusammen? —
Es schickt und reimt sich gar zu schön,
Denn beide sind von gleicher Stärke,
Und spielen ihre Wunderwerke
Mit allen, die auf Erden gehn. [Ende Spaltensatz]

Man hatte ihm die Bedingung gestellt, sich mit seinem Vater auszusöh¬
nen; als ihm das mißlang, zerschlug sich auch die Verlobung, und er irrte
nun unstät umher, in Jauer, Liegnitz (August 1721), auf den Gütern der be¬
nachbarten Edelleute, in Landshut (Sommer 1722). Man empfahl ihm, sich
durch ein Lobgedicht (S. 137) den Grafen Sporck zu verpflichten; auch dieses
brachte ihm nur eine karge Gabe ein. Fünfmal war er nach Striegau ge¬
pilgert (das letzte Mal im Spätherbst 1722), der Vater hatte ihm stets die
Thür verschlossen; noch.einmal versuchte er es, ihn durch ein langes Gedicht
SU rühren (S. 855). Das Gedicht wird noch heute seine Wirkung nicht ver-
fehlen, hauptsächlich weil der Sohn, bei aller Ehrfurcht und Hingebung, doch
nie gemein wird, sondern in der Hauptsache stolz bei seiner Ueberzeugung
stehn bleibt. Es ist eine an sich nicht unedle Natur. „Was ich dann und
wann versehn, ist die Hitze junger Jahre." — Zuerst erinnert er den
Vater an frühere gute Stunden.


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[0307] ^ Nimm also, liebstes Kind! dein Herz ^ O schweres Wort! — zurücke, Und kehre dich an keinen Schmerz, Womit ichs wicderschicke. Es ist zu edel und zu treu, Als daß es mein Gefährte sei, Und wegen fremder Plage Sein eigen Heil verschlage. Du kannst dir durch dies theure Pfand Was Köstlichcrs erwerben, Mir mehrt es nur den Jammerstand, Und läßt mich schwerer sterben; Denn weil du mich so zärtlich liebst, Und alles vor mein Wohlsein gibst, So fühl' ich halbe Leiche Auch zweifach scharfe Streiche. ... So brich nur Bild und Ring entzwei, Und laß die Briefe lodern; Ich gebe dich dem Ersten frei, Und habe nichts zu fodern. Noch einmal nahmen sich die Freunde seiner an; er wurde in Lauban losgemacht, und ging, nachdem er es wieder umsonst bei seinem Vater ver¬ sucht, Herbst 1720 nach Kreuzberg. Ein neuer Gönner, Herr von Nimvlsch auf Bischdorf, suchte durch eine Heirath seinem Leben einen Halt zu verleih»-, durch seine Vermittelung verlobte sich eine Pfarrerstochter, Phyllis, die sich erst spröde gezeigt, 2. April 1721 mit dem Dichter; der Verlobungsring, den er ihr schenkte, war mit einem Todtenkopf geziert. (S. 281.) Erschrick nicht vor dem Liebeszeichen, Es träget unser künftig Bild, Vor dem nur die allein erbleichen, Bei denen die Vernunft nichts gilt. Wie schickt sich aber Eis und Flammen? Wie reimt sich Lieb'und Tod zusammen? — Es schickt und reimt sich gar zu schön, Denn beide sind von gleicher Stärke, Und spielen ihre Wunderwerke Mit allen, die auf Erden gehn. Man hatte ihm die Bedingung gestellt, sich mit seinem Vater auszusöh¬ nen; als ihm das mißlang, zerschlug sich auch die Verlobung, und er irrte nun unstät umher, in Jauer, Liegnitz (August 1721), auf den Gütern der be¬ nachbarten Edelleute, in Landshut (Sommer 1722). Man empfahl ihm, sich durch ein Lobgedicht (S. 137) den Grafen Sporck zu verpflichten; auch dieses brachte ihm nur eine karge Gabe ein. Fünfmal war er nach Striegau ge¬ pilgert (das letzte Mal im Spätherbst 1722), der Vater hatte ihm stets die Thür verschlossen; noch.einmal versuchte er es, ihn durch ein langes Gedicht SU rühren (S. 855). Das Gedicht wird noch heute seine Wirkung nicht ver- fehlen, hauptsächlich weil der Sohn, bei aller Ehrfurcht und Hingebung, doch nie gemein wird, sondern in der Hauptsache stolz bei seiner Ueberzeugung stehn bleibt. Es ist eine an sich nicht unedle Natur. „Was ich dann und wann versehn, ist die Hitze junger Jahre." — Zuerst erinnert er den Vater an frühere gute Stunden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/307>, abgerufen am 25.07.2024.