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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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insgemein monatlich einmal bei mir ein. Dieser Vogelbach nun war, wie
gedacht, der erste, der mir nebst ein paar seinesgleichen "den Tisch zu rücken",
einsprach. Sie verhielten sich das erste und zweite mal noch ziemlich beschei¬
den, wohingegen auch ich ihnen vorsetzte, was das Haus vermochte. Dies
aber wurde ihrer Meinung nach durch die Ehre der adligen Brüderschaft,
welche sie mit mir schlössen, überflüssig ausgeglichen, bis endlich die Stänkerei
in ihrem groben Gehirne unmöglich länger eingesperrt bleiben konnte. "Es
gilt Dir, Bruder Kretschmer;" fing er einmal an, als er sich den ganzen
Tag über die Nase mit Bier und Branntwein begossen hatte. Doch aber
gesegnete ich ihm diese Worte mit einer unversehenen Ohrfeige dergestalt, daß
der gute Kerl mit dem Sessel bis mitten in die Stube über den Haufen flog.
Mein Reitknecht, ein baumstarker Mensch, der vormals Soldat gewesen, und
den ich zumeist als Schutzgeist in dergleichen Nöthen ausgenommen hatte,
kriegte, als er dies sahe, den andern Junker W. bei dem Kragen, daß er sich
nicht rühren konnte. "Was." sagte er, "ihr Hallunken, ist es nicht genug,
daß man euch, so qst ihr kommt, den hungrigen Leib füllt, und eure magern
Mähren ausfüttert? wollt ihr meinem Herrn dieses Des gratias geben? dieser
und jener hole mich, wo sich einer regt, so will ich ihm den Junkerrock so
verbrämen, daß man die blauen Posamenten sechs Wochen auf dem bloßen
Rücken sehen soll." "Wir haben nichts mit diesen Händeln zu thun," ant¬
worteten die zwei, "hat Bruder Vogelbach etwas angefangen, so wird er solches
als ein rechtschaffener Cavalier auch auszuführen wissen." Dieser hatte sich
unterdeß wieder aufgerafft und wollte zum Degen greifen. "Laß deine elende
Blutpeitsche stecken." sagte ich, "oder ich will Dir, sofern Du noch nicht völli¬
ges Maaß hast, mit dem dazu abgebrochenen Schemelbein dies gewiß dazu
setzen." Damit hielt er den Mund und ging mit blaugefürbten Augen nebst
seinen ritterlichen Cumpcmen aus und davon. Sie setzten sich zu Pferde und
ritten zum Thore hinaus. Sobald sich aber diese drei für sicher hielten, ging
erst recht das Schmähen an; hundertmal schalten sie mich einen Kretschmer-
knecht, der eine bemühte sich die Pistolen loszubrennen, konnte es aber nicht
dazu bringen, ohne Zweifel, weil weder Hahn noch Rad am Schlosse war.
Endlich merkten sie, daß ich ihnen mit einem halben Dutzend Bauern auf
'den Hals kommen wollte. Deshalb machten sie sich eilends auf und davon
und schickten mir etwa vierzehn Tage darnach alle drei zugleich ein Schlagcartell
zu, in der Meinung, ich würde nimmermehr das Herz haben, mich mit ihnen
im freien Felde herumzuhauen, worin sie sich aber sehr betrogen fanden.

Da ich jedoch mich besorgte, es möchte mir der ganze Schwarm der
herumwohnenden Krippemeiter über den Hals kommen, und gemeinsam Kopfnüsse
geben, so nahm ich ein halbes Dutzend von den Reitern, die damals im
Lande lagen, zu mir, und gab dem Vogelbach im ersten Gange eine so euch-


insgemein monatlich einmal bei mir ein. Dieser Vogelbach nun war, wie
gedacht, der erste, der mir nebst ein paar seinesgleichen „den Tisch zu rücken",
einsprach. Sie verhielten sich das erste und zweite mal noch ziemlich beschei¬
den, wohingegen auch ich ihnen vorsetzte, was das Haus vermochte. Dies
aber wurde ihrer Meinung nach durch die Ehre der adligen Brüderschaft,
welche sie mit mir schlössen, überflüssig ausgeglichen, bis endlich die Stänkerei
in ihrem groben Gehirne unmöglich länger eingesperrt bleiben konnte. „Es
gilt Dir, Bruder Kretschmer;" fing er einmal an, als er sich den ganzen
Tag über die Nase mit Bier und Branntwein begossen hatte. Doch aber
gesegnete ich ihm diese Worte mit einer unversehenen Ohrfeige dergestalt, daß
der gute Kerl mit dem Sessel bis mitten in die Stube über den Haufen flog.
Mein Reitknecht, ein baumstarker Mensch, der vormals Soldat gewesen, und
den ich zumeist als Schutzgeist in dergleichen Nöthen ausgenommen hatte,
kriegte, als er dies sahe, den andern Junker W. bei dem Kragen, daß er sich
nicht rühren konnte. „Was." sagte er, „ihr Hallunken, ist es nicht genug,
daß man euch, so qst ihr kommt, den hungrigen Leib füllt, und eure magern
Mähren ausfüttert? wollt ihr meinem Herrn dieses Des gratias geben? dieser
und jener hole mich, wo sich einer regt, so will ich ihm den Junkerrock so
verbrämen, daß man die blauen Posamenten sechs Wochen auf dem bloßen
Rücken sehen soll." „Wir haben nichts mit diesen Händeln zu thun," ant¬
worteten die zwei, „hat Bruder Vogelbach etwas angefangen, so wird er solches
als ein rechtschaffener Cavalier auch auszuführen wissen." Dieser hatte sich
unterdeß wieder aufgerafft und wollte zum Degen greifen. „Laß deine elende
Blutpeitsche stecken." sagte ich, „oder ich will Dir, sofern Du noch nicht völli¬
ges Maaß hast, mit dem dazu abgebrochenen Schemelbein dies gewiß dazu
setzen." Damit hielt er den Mund und ging mit blaugefürbten Augen nebst
seinen ritterlichen Cumpcmen aus und davon. Sie setzten sich zu Pferde und
ritten zum Thore hinaus. Sobald sich aber diese drei für sicher hielten, ging
erst recht das Schmähen an; hundertmal schalten sie mich einen Kretschmer-
knecht, der eine bemühte sich die Pistolen loszubrennen, konnte es aber nicht
dazu bringen, ohne Zweifel, weil weder Hahn noch Rad am Schlosse war.
Endlich merkten sie, daß ich ihnen mit einem halben Dutzend Bauern auf
'den Hals kommen wollte. Deshalb machten sie sich eilends auf und davon
und schickten mir etwa vierzehn Tage darnach alle drei zugleich ein Schlagcartell
zu, in der Meinung, ich würde nimmermehr das Herz haben, mich mit ihnen
im freien Felde herumzuhauen, worin sie sich aber sehr betrogen fanden.

Da ich jedoch mich besorgte, es möchte mir der ganze Schwarm der
herumwohnenden Krippemeiter über den Hals kommen, und gemeinsam Kopfnüsse
geben, so nahm ich ein halbes Dutzend von den Reitern, die damals im
Lande lagen, zu mir, und gab dem Vogelbach im ersten Gange eine so euch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/28>, abgerufen am 24.07.2024.