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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Rittergütern, sowol den adligen wie den bürgerlichen, gemeinschaftlich zu¬
stehen. Dieselben sind -- ausgenommen die mit aufgeführte Steuerfreiheit
-- reale Rechte, welche an den Gütern haften und als solche von einem Be¬
sitzer aus den andern übergehn, sei der Besitztitel durch Kauf oder Erbschaft
oder auf irgend eine andre Weise erworben. Es bleibt noch eine Berechtigung
zu betrachten, welche der Adel für sich allein in Anspruch nimmt, während sie
ihm von den bürgerlichen Gutsbesitzern vielfach bestritten und von ihnen in
Mitanspruch genommen ist. Wir meinen das Anrecht an die Landesklöster,
eine sehr verwickelte Angelegenheit, deren Entscheidung wir hier nicht einmal
versuchen können, da wir nur die bestehenden Verhältnisse zu schildern unter¬
nommen haben. Wir geben zu diesem Zwecke nur eine kurze historische Er¬
läuterung.

Im Jahre 1572 erwarb die ganze mecklenburgische Ritterschaft für eine
an den Landesherrn gezahlte Summe von 400.000 Fi. die Landesklöster Dob-
bertin, Malchow und Ribnitz mit einem bedeutenden Grundbesitze. Es ist
nicht mit völliger Gewißheit zu sagen, was um jene Zeit unter dem Ausdrucke
"Ritterschaft" verstanden worden sei, wenn es auch wol nicht zu bezweifeln
ist, daß vor jener Zeit die ganze Gemeinschaft der Landstände (also Guts¬
besitzer, Prälaten und Städte) unter ihm begriffen war. Der Stand der Prä¬
laten war in Folge der Reformation eingegangen, an der Erwerbung der
Landesklöster participirtcn also nur noch die Städte und die Gutsbesitzer.
Daher kommt es, daß an den Einnahmen der Klöster auch die Städte noch
in einem freilich ganz unbedeutenden Grade Theil nehmen, während die bei
weitem größten Hebungen den Gutsbesitzern zugefallen sind. Aber wie zu
der Zeit der Erwerbung es ausschließlich adlige Gutsbesitzer gab, so ist das
Recht der Theilnahme an den Revenüen der Landesklöster auf den Adel*) als
solchen und ausschließlich, jedoch mit Ausnahme des nicht recipirten Adels,
übergegangen. Aus den Einkünften der Klöster werden Antheile von bestimm¬
ter Höhe gebildet, welche als volle, halbe und viertel Hebungen den Töchtern
des Adels, auch des im Lande nicht mehr mit Grundbesitz angesessenen, als
Unterstützungen zuertheilt werden. Gänzlich ausgeschlossen sind die Töchter
der bürgerlichen Gutsbesitzer, während für die Städte, wie schon erwähnt
wurde, einige wenige Stellen reservirt worden sind. Dieser Gebrauch bestand
schon fast 200 Jahre, als auch von Seiten der bürgerlichen Gutsbesitzer An¬
sprüche auf die Klosterhebungen erhoben wurden. Diese Ansprüche sind aber
bisher stets entschieden vom Adel zurück-, auch zu wiederholten Malen aus¬
drücklich von den Landesregierungen ab- und auf den Rechtsweg gewiesen
worden. Von andrer Seite wird das Anrecht dieser bürgerlichen Gutsbesitzer



') Im Jahre 1714 wurde beschlossen, daß nur der alte eingeborne Adel auf die Klöster
ein Unrecht habe, "weil er dieselben acquiriret, gestiftet und beneficiret habe."

Rittergütern, sowol den adligen wie den bürgerlichen, gemeinschaftlich zu¬
stehen. Dieselben sind — ausgenommen die mit aufgeführte Steuerfreiheit
— reale Rechte, welche an den Gütern haften und als solche von einem Be¬
sitzer aus den andern übergehn, sei der Besitztitel durch Kauf oder Erbschaft
oder auf irgend eine andre Weise erworben. Es bleibt noch eine Berechtigung
zu betrachten, welche der Adel für sich allein in Anspruch nimmt, während sie
ihm von den bürgerlichen Gutsbesitzern vielfach bestritten und von ihnen in
Mitanspruch genommen ist. Wir meinen das Anrecht an die Landesklöster,
eine sehr verwickelte Angelegenheit, deren Entscheidung wir hier nicht einmal
versuchen können, da wir nur die bestehenden Verhältnisse zu schildern unter¬
nommen haben. Wir geben zu diesem Zwecke nur eine kurze historische Er¬
läuterung.

Im Jahre 1572 erwarb die ganze mecklenburgische Ritterschaft für eine
an den Landesherrn gezahlte Summe von 400.000 Fi. die Landesklöster Dob-
bertin, Malchow und Ribnitz mit einem bedeutenden Grundbesitze. Es ist
nicht mit völliger Gewißheit zu sagen, was um jene Zeit unter dem Ausdrucke
„Ritterschaft" verstanden worden sei, wenn es auch wol nicht zu bezweifeln
ist, daß vor jener Zeit die ganze Gemeinschaft der Landstände (also Guts¬
besitzer, Prälaten und Städte) unter ihm begriffen war. Der Stand der Prä¬
laten war in Folge der Reformation eingegangen, an der Erwerbung der
Landesklöster participirtcn also nur noch die Städte und die Gutsbesitzer.
Daher kommt es, daß an den Einnahmen der Klöster auch die Städte noch
in einem freilich ganz unbedeutenden Grade Theil nehmen, während die bei
weitem größten Hebungen den Gutsbesitzern zugefallen sind. Aber wie zu
der Zeit der Erwerbung es ausschließlich adlige Gutsbesitzer gab, so ist das
Recht der Theilnahme an den Revenüen der Landesklöster auf den Adel*) als
solchen und ausschließlich, jedoch mit Ausnahme des nicht recipirten Adels,
übergegangen. Aus den Einkünften der Klöster werden Antheile von bestimm¬
ter Höhe gebildet, welche als volle, halbe und viertel Hebungen den Töchtern
des Adels, auch des im Lande nicht mehr mit Grundbesitz angesessenen, als
Unterstützungen zuertheilt werden. Gänzlich ausgeschlossen sind die Töchter
der bürgerlichen Gutsbesitzer, während für die Städte, wie schon erwähnt
wurde, einige wenige Stellen reservirt worden sind. Dieser Gebrauch bestand
schon fast 200 Jahre, als auch von Seiten der bürgerlichen Gutsbesitzer An¬
sprüche auf die Klosterhebungen erhoben wurden. Diese Ansprüche sind aber
bisher stets entschieden vom Adel zurück-, auch zu wiederholten Malen aus¬
drücklich von den Landesregierungen ab- und auf den Rechtsweg gewiesen
worden. Von andrer Seite wird das Anrecht dieser bürgerlichen Gutsbesitzer



') Im Jahre 1714 wurde beschlossen, daß nur der alte eingeborne Adel auf die Klöster
ein Unrecht habe, „weil er dieselben acquiriret, gestiftet und beneficiret habe."
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[0274] Rittergütern, sowol den adligen wie den bürgerlichen, gemeinschaftlich zu¬ stehen. Dieselben sind — ausgenommen die mit aufgeführte Steuerfreiheit — reale Rechte, welche an den Gütern haften und als solche von einem Be¬ sitzer aus den andern übergehn, sei der Besitztitel durch Kauf oder Erbschaft oder auf irgend eine andre Weise erworben. Es bleibt noch eine Berechtigung zu betrachten, welche der Adel für sich allein in Anspruch nimmt, während sie ihm von den bürgerlichen Gutsbesitzern vielfach bestritten und von ihnen in Mitanspruch genommen ist. Wir meinen das Anrecht an die Landesklöster, eine sehr verwickelte Angelegenheit, deren Entscheidung wir hier nicht einmal versuchen können, da wir nur die bestehenden Verhältnisse zu schildern unter¬ nommen haben. Wir geben zu diesem Zwecke nur eine kurze historische Er¬ läuterung. Im Jahre 1572 erwarb die ganze mecklenburgische Ritterschaft für eine an den Landesherrn gezahlte Summe von 400.000 Fi. die Landesklöster Dob- bertin, Malchow und Ribnitz mit einem bedeutenden Grundbesitze. Es ist nicht mit völliger Gewißheit zu sagen, was um jene Zeit unter dem Ausdrucke „Ritterschaft" verstanden worden sei, wenn es auch wol nicht zu bezweifeln ist, daß vor jener Zeit die ganze Gemeinschaft der Landstände (also Guts¬ besitzer, Prälaten und Städte) unter ihm begriffen war. Der Stand der Prä¬ laten war in Folge der Reformation eingegangen, an der Erwerbung der Landesklöster participirtcn also nur noch die Städte und die Gutsbesitzer. Daher kommt es, daß an den Einnahmen der Klöster auch die Städte noch in einem freilich ganz unbedeutenden Grade Theil nehmen, während die bei weitem größten Hebungen den Gutsbesitzern zugefallen sind. Aber wie zu der Zeit der Erwerbung es ausschließlich adlige Gutsbesitzer gab, so ist das Recht der Theilnahme an den Revenüen der Landesklöster auf den Adel*) als solchen und ausschließlich, jedoch mit Ausnahme des nicht recipirten Adels, übergegangen. Aus den Einkünften der Klöster werden Antheile von bestimm¬ ter Höhe gebildet, welche als volle, halbe und viertel Hebungen den Töchtern des Adels, auch des im Lande nicht mehr mit Grundbesitz angesessenen, als Unterstützungen zuertheilt werden. Gänzlich ausgeschlossen sind die Töchter der bürgerlichen Gutsbesitzer, während für die Städte, wie schon erwähnt wurde, einige wenige Stellen reservirt worden sind. Dieser Gebrauch bestand schon fast 200 Jahre, als auch von Seiten der bürgerlichen Gutsbesitzer An¬ sprüche auf die Klosterhebungen erhoben wurden. Diese Ansprüche sind aber bisher stets entschieden vom Adel zurück-, auch zu wiederholten Malen aus¬ drücklich von den Landesregierungen ab- und auf den Rechtsweg gewiesen worden. Von andrer Seite wird das Anrecht dieser bürgerlichen Gutsbesitzer ') Im Jahre 1714 wurde beschlossen, daß nur der alte eingeborne Adel auf die Klöster ein Unrecht habe, „weil er dieselben acquiriret, gestiftet und beneficiret habe."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/274>, abgerufen am 24.07.2024.