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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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fürst könne die alte, früher durch den Archimaudriten Porphyrius geltend ge¬
machte Forderung seiner Regierung wegen der georgischen Klöster erneuern
wollen; aber davon war nicht mehr die Rede, Das Bisthum und die Actien-
gesellschaft. ob jenes oder diese Jerusalem mit frommen Stiftungen beglücken
sollte, das waren die wichtigsten Fragen -- dem Patriarchen wurde kaum
ein paar Mal die Gelegenheit zu Theil, seine Eigenschaft als Unterthan
des Sultans dem Bruder des Beschützers der orthodoxen Christenheit gegen¬
über herauszukehren. Als endlich nach zehntägigem Aufenthalte in der heiligen
Stadt und Anhören vieler endlosen Messen -- der Hauptbewirthung, welche
die griechische Geistlichkeit ihren Gästen bot -- der Großfürst abreiste,
wußte Niemand, zu was er gekommen; daß aber die Verstimmung der Griechen
gegen die russische Regierung größer als vorher geworden, konnte das Publi¬
kum leicht herausfühlen. Der Streit zwischen dem Bischof und dem Consul
war nicht geschlichtet; die Gnadenbezeugungen, mit welchen jener überhäuft
worden war. involvirten kein Versprechen, seine Beschwerdenpunkte in befrie¬
digender Weise zu erledigen. Nur die Anlegung der Pilgerstifte auf dem vor
dem Thore erworbenen Felde war gut geheißen worden.

Aber ein wirklicher Erfolg ließ nicht lange auf sich warten; von der sy¬
rischen Küste begab sich der Großfürst im Interesse der Sache nach Konstanti¬
nipel. Es war dies ein zweiter Besuch; schon vor anderthalb Decennien hatte
der Sultan den unternehmenden Prinzen, damals einen siebzehnjährigen Jüng¬
ling, bei sich empfanden. Wie Vieles war seitdem anders geworden! Der
Angriff des kaiserlichen Vaters auf den kranken Mann hatte den offinellen
Freundschafts- und Liebesversicherungen, von welchen damals beide Cabinete
Überflossen, auf viele Jahre ein Ende gemacht, die glühenden Demonstrationen
aber, mit welchen die griechischen Hetärien den einen so hoffnungsreichen
Namen führenden Großfürsten empfangen hatten, waren unvergessen. Aus
dem orientalischen Kriege war die Pforte elender als je. aber doch officiell sieg¬
reich hervorgegangen; sollte man dem hohen Gast dies fühlen lassen? In der
Politik darf der Schwächere dem Stärkern nichts nachtragen, und so konnten
auch die türkischen Minister dem Sultan nur völliges Vergessen des erlittenen
Unrechts und demüthige Freundlichkeit in der Begegnung mit dem russischen
Herrschersohne anrathen. Ein so geringfügiger Wunsch, wie die Erlaubniß zu
Bauten im Festungsrnyon von Jerusalem wurde demnach kaum so schnell
geahnt als bewilligt; ja noch mehr, der Sultan ließ sich den Plan des rus¬
sischen Terrains vorlegen, und da er fand, daß dasselbe an den Exercierplatz
seiner Soldaten stoße, so schenkte er aus eignem Antriebe -- wozu auch das
viele Exerciren? -- die Hälfte dieses Platzes hinzu, um die Besitzung besser
abzurunden.

Also wurde der heimlichen Gegenwirkung des griechischen Patriarchats


fürst könne die alte, früher durch den Archimaudriten Porphyrius geltend ge¬
machte Forderung seiner Regierung wegen der georgischen Klöster erneuern
wollen; aber davon war nicht mehr die Rede, Das Bisthum und die Actien-
gesellschaft. ob jenes oder diese Jerusalem mit frommen Stiftungen beglücken
sollte, das waren die wichtigsten Fragen — dem Patriarchen wurde kaum
ein paar Mal die Gelegenheit zu Theil, seine Eigenschaft als Unterthan
des Sultans dem Bruder des Beschützers der orthodoxen Christenheit gegen¬
über herauszukehren. Als endlich nach zehntägigem Aufenthalte in der heiligen
Stadt und Anhören vieler endlosen Messen — der Hauptbewirthung, welche
die griechische Geistlichkeit ihren Gästen bot — der Großfürst abreiste,
wußte Niemand, zu was er gekommen; daß aber die Verstimmung der Griechen
gegen die russische Regierung größer als vorher geworden, konnte das Publi¬
kum leicht herausfühlen. Der Streit zwischen dem Bischof und dem Consul
war nicht geschlichtet; die Gnadenbezeugungen, mit welchen jener überhäuft
worden war. involvirten kein Versprechen, seine Beschwerdenpunkte in befrie¬
digender Weise zu erledigen. Nur die Anlegung der Pilgerstifte auf dem vor
dem Thore erworbenen Felde war gut geheißen worden.

Aber ein wirklicher Erfolg ließ nicht lange auf sich warten; von der sy¬
rischen Küste begab sich der Großfürst im Interesse der Sache nach Konstanti¬
nipel. Es war dies ein zweiter Besuch; schon vor anderthalb Decennien hatte
der Sultan den unternehmenden Prinzen, damals einen siebzehnjährigen Jüng¬
ling, bei sich empfanden. Wie Vieles war seitdem anders geworden! Der
Angriff des kaiserlichen Vaters auf den kranken Mann hatte den offinellen
Freundschafts- und Liebesversicherungen, von welchen damals beide Cabinete
Überflossen, auf viele Jahre ein Ende gemacht, die glühenden Demonstrationen
aber, mit welchen die griechischen Hetärien den einen so hoffnungsreichen
Namen führenden Großfürsten empfangen hatten, waren unvergessen. Aus
dem orientalischen Kriege war die Pforte elender als je. aber doch officiell sieg¬
reich hervorgegangen; sollte man dem hohen Gast dies fühlen lassen? In der
Politik darf der Schwächere dem Stärkern nichts nachtragen, und so konnten
auch die türkischen Minister dem Sultan nur völliges Vergessen des erlittenen
Unrechts und demüthige Freundlichkeit in der Begegnung mit dem russischen
Herrschersohne anrathen. Ein so geringfügiger Wunsch, wie die Erlaubniß zu
Bauten im Festungsrnyon von Jerusalem wurde demnach kaum so schnell
geahnt als bewilligt; ja noch mehr, der Sultan ließ sich den Plan des rus¬
sischen Terrains vorlegen, und da er fand, daß dasselbe an den Exercierplatz
seiner Soldaten stoße, so schenkte er aus eignem Antriebe — wozu auch das
viele Exerciren? — die Hälfte dieses Platzes hinzu, um die Besitzung besser
abzurunden.

Also wurde der heimlichen Gegenwirkung des griechischen Patriarchats


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[0272] fürst könne die alte, früher durch den Archimaudriten Porphyrius geltend ge¬ machte Forderung seiner Regierung wegen der georgischen Klöster erneuern wollen; aber davon war nicht mehr die Rede, Das Bisthum und die Actien- gesellschaft. ob jenes oder diese Jerusalem mit frommen Stiftungen beglücken sollte, das waren die wichtigsten Fragen — dem Patriarchen wurde kaum ein paar Mal die Gelegenheit zu Theil, seine Eigenschaft als Unterthan des Sultans dem Bruder des Beschützers der orthodoxen Christenheit gegen¬ über herauszukehren. Als endlich nach zehntägigem Aufenthalte in der heiligen Stadt und Anhören vieler endlosen Messen — der Hauptbewirthung, welche die griechische Geistlichkeit ihren Gästen bot — der Großfürst abreiste, wußte Niemand, zu was er gekommen; daß aber die Verstimmung der Griechen gegen die russische Regierung größer als vorher geworden, konnte das Publi¬ kum leicht herausfühlen. Der Streit zwischen dem Bischof und dem Consul war nicht geschlichtet; die Gnadenbezeugungen, mit welchen jener überhäuft worden war. involvirten kein Versprechen, seine Beschwerdenpunkte in befrie¬ digender Weise zu erledigen. Nur die Anlegung der Pilgerstifte auf dem vor dem Thore erworbenen Felde war gut geheißen worden. Aber ein wirklicher Erfolg ließ nicht lange auf sich warten; von der sy¬ rischen Küste begab sich der Großfürst im Interesse der Sache nach Konstanti¬ nipel. Es war dies ein zweiter Besuch; schon vor anderthalb Decennien hatte der Sultan den unternehmenden Prinzen, damals einen siebzehnjährigen Jüng¬ ling, bei sich empfanden. Wie Vieles war seitdem anders geworden! Der Angriff des kaiserlichen Vaters auf den kranken Mann hatte den offinellen Freundschafts- und Liebesversicherungen, von welchen damals beide Cabinete Überflossen, auf viele Jahre ein Ende gemacht, die glühenden Demonstrationen aber, mit welchen die griechischen Hetärien den einen so hoffnungsreichen Namen führenden Großfürsten empfangen hatten, waren unvergessen. Aus dem orientalischen Kriege war die Pforte elender als je. aber doch officiell sieg¬ reich hervorgegangen; sollte man dem hohen Gast dies fühlen lassen? In der Politik darf der Schwächere dem Stärkern nichts nachtragen, und so konnten auch die türkischen Minister dem Sultan nur völliges Vergessen des erlittenen Unrechts und demüthige Freundlichkeit in der Begegnung mit dem russischen Herrschersohne anrathen. Ein so geringfügiger Wunsch, wie die Erlaubniß zu Bauten im Festungsrnyon von Jerusalem wurde demnach kaum so schnell geahnt als bewilligt; ja noch mehr, der Sultan ließ sich den Plan des rus¬ sischen Terrains vorlegen, und da er fand, daß dasselbe an den Exercierplatz seiner Soldaten stoße, so schenkte er aus eignem Antriebe — wozu auch das viele Exerciren? — die Hälfte dieses Platzes hinzu, um die Besitzung besser abzurunden. Also wurde der heimlichen Gegenwirkung des griechischen Patriarchats

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/272>, abgerufen am 24.07.2024.