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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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die Grabeskirche nur unter besonderer Aufsicht, bei den nächtlichen Passions-
functionen gar nicht, besuchen konnte! Der junge Prälat verlangte Auskunft
von Mansurof, welcher ihm die mißliebige Sachlage einfach bestätigte, und
noch hinzufügte, daß es sich nicht mehr um eine bischöfliche Stiftung, sondern
um ein für die Actiengesellschaft zu errichtendes Pilgerlocal handle, in welchem
auch für ihn, den Bischof, eine Wohnung 'eingerichtet werden solle. Cyrill
war außer sich, aber seine an den Civilgeneral gerichteten Proteste blieben ohne
Erfolg, und nicht viel besser ergings den Vorstellungen, welche er der Sy¬
node zu Se. Petersburg zusandte. Er hatte sich einmal den Namen eines un¬
praktischen Mannes erworben, und wenn er nunmehr plötzlich als Verbündeter
des früher so häufig von ihm angefochtenen griechischen Klerus auftrat und
die Versicherung aussprach, daß zukünftig die Pilger in den Klöstern der Innen¬
stadt ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Unterkommen finden würden, so
konnte das sein Ansehn nicht herstellen. Nicht, daß die Regierung, oder gar
die Synode, ihm Unrecht gegeben Hütte;-uuter den verschiedenen auf sie wir¬
kenden Einflüssen hielt erstere überhaupt ihr Urtheil zurück und öffnete dadurch
den kleinlichen Intriguen ihrer religiösen und weltlichen Vertreter in der heilige"
Stadt Thür und Thor. Der Bischof pochte aus die Befehle des Staats¬
ministeriums, der Civilgeneral auf den Willen seines Großfürsten. Nach der
Abreise Mansurofs weigerte sich der Bischof mit Dorgobujinof zu verhandeln,
weil er ihn als unfreien Verfechter fremder Meinungen betrachtete; der Agent
lockte die Untergcistlichkeit des Bischofs an sich, und der Bischof erkor sich den
elenden Pierrotti als Bundesgenossen gegen den Agenten, Skandalgeschichten
wurden von beiden Seiten erfunden und verbreitet, von beiden Seiten mühte
man sich um die Sympathie des Publicums, und von den indiscreten Mit¬
theilungen zehrte lange Zeit, und zehrt vielleicht noch jetzt, die Klatschsucht
Jerusalems.

Aber Dorgobujinof hatte den Vorzug im Besitze der Fonds zu sein; mit
denselben ausgerüstet, konnte es ihm nicht fehlen, bald ein auf der Höhe vor
dem westlichen Thore Jerusalems gelegenes, ziemlich geräumiges Terrain anzu¬
kaufen. Es war ein kahles, steiniges Feld, und der dafür gezahlte Preis würde
noch vor wenigen Jahren genügt haben, innerhalb der Stadt einen ebenso
großen Raum mit darauf befindlichen massiven Baulichkeiten zu erstes"; der
Verkäufer, em englischer Consulatsdolmetscher arabischer Nation, welcher den
Grund in illegaler Weise erworben hatte, erhielt demnach hinreichende Mittel,
die Behörden der Stadt zur Bestätigung des Kaufs und zur Ausstellung der
nöthigen Documente zu bewegen. Der Bischof schrie über Vergeudung des
heiligen Schatzes, und das Patriarchat rcmonstrirte bei dem Pascha auf Grund
seiner früheren Zusagen, aber das Geschehene ließ sich nicht ungeschehn machen.
Der Pascha behauptete nur für das Innere der Stadt Verpflichtungen übernom-


die Grabeskirche nur unter besonderer Aufsicht, bei den nächtlichen Passions-
functionen gar nicht, besuchen konnte! Der junge Prälat verlangte Auskunft
von Mansurof, welcher ihm die mißliebige Sachlage einfach bestätigte, und
noch hinzufügte, daß es sich nicht mehr um eine bischöfliche Stiftung, sondern
um ein für die Actiengesellschaft zu errichtendes Pilgerlocal handle, in welchem
auch für ihn, den Bischof, eine Wohnung 'eingerichtet werden solle. Cyrill
war außer sich, aber seine an den Civilgeneral gerichteten Proteste blieben ohne
Erfolg, und nicht viel besser ergings den Vorstellungen, welche er der Sy¬
node zu Se. Petersburg zusandte. Er hatte sich einmal den Namen eines un¬
praktischen Mannes erworben, und wenn er nunmehr plötzlich als Verbündeter
des früher so häufig von ihm angefochtenen griechischen Klerus auftrat und
die Versicherung aussprach, daß zukünftig die Pilger in den Klöstern der Innen¬
stadt ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Unterkommen finden würden, so
konnte das sein Ansehn nicht herstellen. Nicht, daß die Regierung, oder gar
die Synode, ihm Unrecht gegeben Hütte;-uuter den verschiedenen auf sie wir¬
kenden Einflüssen hielt erstere überhaupt ihr Urtheil zurück und öffnete dadurch
den kleinlichen Intriguen ihrer religiösen und weltlichen Vertreter in der heilige»
Stadt Thür und Thor. Der Bischof pochte aus die Befehle des Staats¬
ministeriums, der Civilgeneral auf den Willen seines Großfürsten. Nach der
Abreise Mansurofs weigerte sich der Bischof mit Dorgobujinof zu verhandeln,
weil er ihn als unfreien Verfechter fremder Meinungen betrachtete; der Agent
lockte die Untergcistlichkeit des Bischofs an sich, und der Bischof erkor sich den
elenden Pierrotti als Bundesgenossen gegen den Agenten, Skandalgeschichten
wurden von beiden Seiten erfunden und verbreitet, von beiden Seiten mühte
man sich um die Sympathie des Publicums, und von den indiscreten Mit¬
theilungen zehrte lange Zeit, und zehrt vielleicht noch jetzt, die Klatschsucht
Jerusalems.

Aber Dorgobujinof hatte den Vorzug im Besitze der Fonds zu sein; mit
denselben ausgerüstet, konnte es ihm nicht fehlen, bald ein auf der Höhe vor
dem westlichen Thore Jerusalems gelegenes, ziemlich geräumiges Terrain anzu¬
kaufen. Es war ein kahles, steiniges Feld, und der dafür gezahlte Preis würde
noch vor wenigen Jahren genügt haben, innerhalb der Stadt einen ebenso
großen Raum mit darauf befindlichen massiven Baulichkeiten zu erstes»; der
Verkäufer, em englischer Consulatsdolmetscher arabischer Nation, welcher den
Grund in illegaler Weise erworben hatte, erhielt demnach hinreichende Mittel,
die Behörden der Stadt zur Bestätigung des Kaufs und zur Ausstellung der
nöthigen Documente zu bewegen. Der Bischof schrie über Vergeudung des
heiligen Schatzes, und das Patriarchat rcmonstrirte bei dem Pascha auf Grund
seiner früheren Zusagen, aber das Geschehene ließ sich nicht ungeschehn machen.
Der Pascha behauptete nur für das Innere der Stadt Verpflichtungen übernom-


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[0270] die Grabeskirche nur unter besonderer Aufsicht, bei den nächtlichen Passions- functionen gar nicht, besuchen konnte! Der junge Prälat verlangte Auskunft von Mansurof, welcher ihm die mißliebige Sachlage einfach bestätigte, und noch hinzufügte, daß es sich nicht mehr um eine bischöfliche Stiftung, sondern um ein für die Actiengesellschaft zu errichtendes Pilgerlocal handle, in welchem auch für ihn, den Bischof, eine Wohnung 'eingerichtet werden solle. Cyrill war außer sich, aber seine an den Civilgeneral gerichteten Proteste blieben ohne Erfolg, und nicht viel besser ergings den Vorstellungen, welche er der Sy¬ node zu Se. Petersburg zusandte. Er hatte sich einmal den Namen eines un¬ praktischen Mannes erworben, und wenn er nunmehr plötzlich als Verbündeter des früher so häufig von ihm angefochtenen griechischen Klerus auftrat und die Versicherung aussprach, daß zukünftig die Pilger in den Klöstern der Innen¬ stadt ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Unterkommen finden würden, so konnte das sein Ansehn nicht herstellen. Nicht, daß die Regierung, oder gar die Synode, ihm Unrecht gegeben Hütte;-uuter den verschiedenen auf sie wir¬ kenden Einflüssen hielt erstere überhaupt ihr Urtheil zurück und öffnete dadurch den kleinlichen Intriguen ihrer religiösen und weltlichen Vertreter in der heilige» Stadt Thür und Thor. Der Bischof pochte aus die Befehle des Staats¬ ministeriums, der Civilgeneral auf den Willen seines Großfürsten. Nach der Abreise Mansurofs weigerte sich der Bischof mit Dorgobujinof zu verhandeln, weil er ihn als unfreien Verfechter fremder Meinungen betrachtete; der Agent lockte die Untergcistlichkeit des Bischofs an sich, und der Bischof erkor sich den elenden Pierrotti als Bundesgenossen gegen den Agenten, Skandalgeschichten wurden von beiden Seiten erfunden und verbreitet, von beiden Seiten mühte man sich um die Sympathie des Publicums, und von den indiscreten Mit¬ theilungen zehrte lange Zeit, und zehrt vielleicht noch jetzt, die Klatschsucht Jerusalems. Aber Dorgobujinof hatte den Vorzug im Besitze der Fonds zu sein; mit denselben ausgerüstet, konnte es ihm nicht fehlen, bald ein auf der Höhe vor dem westlichen Thore Jerusalems gelegenes, ziemlich geräumiges Terrain anzu¬ kaufen. Es war ein kahles, steiniges Feld, und der dafür gezahlte Preis würde noch vor wenigen Jahren genügt haben, innerhalb der Stadt einen ebenso großen Raum mit darauf befindlichen massiven Baulichkeiten zu erstes»; der Verkäufer, em englischer Consulatsdolmetscher arabischer Nation, welcher den Grund in illegaler Weise erworben hatte, erhielt demnach hinreichende Mittel, die Behörden der Stadt zur Bestätigung des Kaufs und zur Ausstellung der nöthigen Documente zu bewegen. Der Bischof schrie über Vergeudung des heiligen Schatzes, und das Patriarchat rcmonstrirte bei dem Pascha auf Grund seiner früheren Zusagen, aber das Geschehene ließ sich nicht ungeschehn machen. Der Pascha behauptete nur für das Innere der Stadt Verpflichtungen übernom-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/270>, abgerufen am 25.07.2024.