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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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geadelten und einem Krippenrciter, läßt sich von seinem Gastwirth das Land¬
leben schildern, besucht das Haus eines verschwenderischen Pfcffersackes, wird
von einem jungen Herrn v, K., einem, Bekannten aus früherer Zeit, auf ein
Landgut geladen, lernt nahe dabei die Krippcnreiter aus eigener Anschauung
kennen, hört einen Bericht der Abenteuer, welche ein Schlesier als englischer
Officier durchgemacht, und verbringt die übrige Zeit seines Landbesuches mit
würdigen aber sehr breiten Gesprächen, in welche der Verfasser natürlich viel
von seinen Ansichten und seiner Gelehrsamkeit eingepackt hat: über die Bil¬
dung des Soldaten, über Berufs- und Geburtsadel, über die politische Situa¬
tion, über die Cultur der Alten im Vergleich zur Gegenwart, u, s. w. Bei
der Rückkehr nach Breslau erfährt der Holländer, daß jener reiche Kaufmann,
der ihn im Anfange zur Tafel geladen, Bankerott gemacht und sich heimlich
entfernt habe, das Leben desselben wird erzählt, der Held verläßt Breslau, ^-
So enthält die ganze lange Erzählung nur etwa fünf Schilderungen, welche
hier interessiren, zwei derselben werden mitgetheilt. Einzelne rohe Ausdrücke
sind gemildert, weniges gekürzt, die Sprache nur soviel als unumgänglich
nöthig schien, unserm Deutsch genähert. Zuerst erzählt der Gastwirth, wie er
als Sohn eines Schneiders studirt, dann eine wohlhabende Kretschmerin,
-- Scheukwirthin -- geheirathet, und nach ihrem Tode in dem unglücklichen
Bestreben, groß zu thun einen Adelsbrief gekauft habe, um sich auf dem Lande
niederzulassen. Dann fährt er also fort:

Ein nicht gar zu getreuer Freund gab mir einen Anschlag auf die Land¬
ecke, wo zwar die adeligen Rittersitze in niedrigem Preise, dabei aber auch
von geringem Einkommen sind; zwar widerrieth mir dies ein andrer guter Freund
und wies mir nach, was ich für Ueberlast und Widerwärtigkeit von den benach¬
barten Krippenreitern haben würde, ich ließ mich das aber njcht anfechten, weil ich
mich ihnen mit dem Degen genugsam gewachsen wußte, und schlug die gute War¬
nung leicht aus dem Sinne; kurz ich kaufte ein Gut für 6000 Thaler, ward aber
bald gewahr, daß ich unter den Blitz gerathen als ich dem Donner entwichen, und
daß mein guter Freund mit seiner Prophezeiung sehr nahe ans Ziel geschossen
hatte. Denn als ich mich kaum halb und halb eingerichtet, war ein Junker Vogel¬
bach der erste, der mich nebst ein Paar seinesgleichen umstieß wie sie es nannten.
Er war auf etwa eine halbe Meile mein Nachbar, nicht, daß er damals, oder
jetzt ein eigenes Gut gehabt hätte sondern er saß nur auf einer Bauernwirth"
schaft zur Miethe, die etwa ein paar Hundert Reichsthaler werth war, und
brachte, wie andere seinesgleichen, das Leben mit Krippenreiterei zu. Wie er
sein Weib und Kind aushält, weiß ich nicht, nur daß ich die Frau öfter mit
einem Karren und ein Paar abgerissenen Kindern bei den vermögenden Edel¬
leuten auf der Garde gesehen habe, wie sie Getreide, Brod, Käse, Butter,
und dergleichen einsammelte. Solche Bettelschatzungen forderten sie denn auch


geadelten und einem Krippenrciter, läßt sich von seinem Gastwirth das Land¬
leben schildern, besucht das Haus eines verschwenderischen Pfcffersackes, wird
von einem jungen Herrn v, K., einem, Bekannten aus früherer Zeit, auf ein
Landgut geladen, lernt nahe dabei die Krippcnreiter aus eigener Anschauung
kennen, hört einen Bericht der Abenteuer, welche ein Schlesier als englischer
Officier durchgemacht, und verbringt die übrige Zeit seines Landbesuches mit
würdigen aber sehr breiten Gesprächen, in welche der Verfasser natürlich viel
von seinen Ansichten und seiner Gelehrsamkeit eingepackt hat: über die Bil¬
dung des Soldaten, über Berufs- und Geburtsadel, über die politische Situa¬
tion, über die Cultur der Alten im Vergleich zur Gegenwart, u, s. w. Bei
der Rückkehr nach Breslau erfährt der Holländer, daß jener reiche Kaufmann,
der ihn im Anfange zur Tafel geladen, Bankerott gemacht und sich heimlich
entfernt habe, das Leben desselben wird erzählt, der Held verläßt Breslau, ^-
So enthält die ganze lange Erzählung nur etwa fünf Schilderungen, welche
hier interessiren, zwei derselben werden mitgetheilt. Einzelne rohe Ausdrücke
sind gemildert, weniges gekürzt, die Sprache nur soviel als unumgänglich
nöthig schien, unserm Deutsch genähert. Zuerst erzählt der Gastwirth, wie er
als Sohn eines Schneiders studirt, dann eine wohlhabende Kretschmerin,
— Scheukwirthin — geheirathet, und nach ihrem Tode in dem unglücklichen
Bestreben, groß zu thun einen Adelsbrief gekauft habe, um sich auf dem Lande
niederzulassen. Dann fährt er also fort:

Ein nicht gar zu getreuer Freund gab mir einen Anschlag auf die Land¬
ecke, wo zwar die adeligen Rittersitze in niedrigem Preise, dabei aber auch
von geringem Einkommen sind; zwar widerrieth mir dies ein andrer guter Freund
und wies mir nach, was ich für Ueberlast und Widerwärtigkeit von den benach¬
barten Krippenreitern haben würde, ich ließ mich das aber njcht anfechten, weil ich
mich ihnen mit dem Degen genugsam gewachsen wußte, und schlug die gute War¬
nung leicht aus dem Sinne; kurz ich kaufte ein Gut für 6000 Thaler, ward aber
bald gewahr, daß ich unter den Blitz gerathen als ich dem Donner entwichen, und
daß mein guter Freund mit seiner Prophezeiung sehr nahe ans Ziel geschossen
hatte. Denn als ich mich kaum halb und halb eingerichtet, war ein Junker Vogel¬
bach der erste, der mich nebst ein Paar seinesgleichen umstieß wie sie es nannten.
Er war auf etwa eine halbe Meile mein Nachbar, nicht, daß er damals, oder
jetzt ein eigenes Gut gehabt hätte sondern er saß nur auf einer Bauernwirth«
schaft zur Miethe, die etwa ein paar Hundert Reichsthaler werth war, und
brachte, wie andere seinesgleichen, das Leben mit Krippenreiterei zu. Wie er
sein Weib und Kind aushält, weiß ich nicht, nur daß ich die Frau öfter mit
einem Karren und ein Paar abgerissenen Kindern bei den vermögenden Edel¬
leuten auf der Garde gesehen habe, wie sie Getreide, Brod, Käse, Butter,
und dergleichen einsammelte. Solche Bettelschatzungen forderten sie denn auch


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[0027] geadelten und einem Krippenrciter, läßt sich von seinem Gastwirth das Land¬ leben schildern, besucht das Haus eines verschwenderischen Pfcffersackes, wird von einem jungen Herrn v, K., einem, Bekannten aus früherer Zeit, auf ein Landgut geladen, lernt nahe dabei die Krippcnreiter aus eigener Anschauung kennen, hört einen Bericht der Abenteuer, welche ein Schlesier als englischer Officier durchgemacht, und verbringt die übrige Zeit seines Landbesuches mit würdigen aber sehr breiten Gesprächen, in welche der Verfasser natürlich viel von seinen Ansichten und seiner Gelehrsamkeit eingepackt hat: über die Bil¬ dung des Soldaten, über Berufs- und Geburtsadel, über die politische Situa¬ tion, über die Cultur der Alten im Vergleich zur Gegenwart, u, s. w. Bei der Rückkehr nach Breslau erfährt der Holländer, daß jener reiche Kaufmann, der ihn im Anfange zur Tafel geladen, Bankerott gemacht und sich heimlich entfernt habe, das Leben desselben wird erzählt, der Held verläßt Breslau, ^- So enthält die ganze lange Erzählung nur etwa fünf Schilderungen, welche hier interessiren, zwei derselben werden mitgetheilt. Einzelne rohe Ausdrücke sind gemildert, weniges gekürzt, die Sprache nur soviel als unumgänglich nöthig schien, unserm Deutsch genähert. Zuerst erzählt der Gastwirth, wie er als Sohn eines Schneiders studirt, dann eine wohlhabende Kretschmerin, — Scheukwirthin — geheirathet, und nach ihrem Tode in dem unglücklichen Bestreben, groß zu thun einen Adelsbrief gekauft habe, um sich auf dem Lande niederzulassen. Dann fährt er also fort: Ein nicht gar zu getreuer Freund gab mir einen Anschlag auf die Land¬ ecke, wo zwar die adeligen Rittersitze in niedrigem Preise, dabei aber auch von geringem Einkommen sind; zwar widerrieth mir dies ein andrer guter Freund und wies mir nach, was ich für Ueberlast und Widerwärtigkeit von den benach¬ barten Krippenreitern haben würde, ich ließ mich das aber njcht anfechten, weil ich mich ihnen mit dem Degen genugsam gewachsen wußte, und schlug die gute War¬ nung leicht aus dem Sinne; kurz ich kaufte ein Gut für 6000 Thaler, ward aber bald gewahr, daß ich unter den Blitz gerathen als ich dem Donner entwichen, und daß mein guter Freund mit seiner Prophezeiung sehr nahe ans Ziel geschossen hatte. Denn als ich mich kaum halb und halb eingerichtet, war ein Junker Vogel¬ bach der erste, der mich nebst ein Paar seinesgleichen umstieß wie sie es nannten. Er war auf etwa eine halbe Meile mein Nachbar, nicht, daß er damals, oder jetzt ein eigenes Gut gehabt hätte sondern er saß nur auf einer Bauernwirth« schaft zur Miethe, die etwa ein paar Hundert Reichsthaler werth war, und brachte, wie andere seinesgleichen, das Leben mit Krippenreiterei zu. Wie er sein Weib und Kind aushält, weiß ich nicht, nur daß ich die Frau öfter mit einem Karren und ein Paar abgerissenen Kindern bei den vermögenden Edel¬ leuten auf der Garde gesehen habe, wie sie Getreide, Brod, Käse, Butter, und dergleichen einsammelte. Solche Bettelschatzungen forderten sie denn auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/27>, abgerufen am 24.07.2024.