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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Einer solchen Antwort hätte man in Petersburg gewärtig sein können.
Daß die Griechen Alles daran setzen würden, die einzigen Vertreter ihrer
Confession in Jerusalem zu sein, das; sie sich gegen die Abtretung von Klö¬
stern und den damit verbundenen Verlust der einträglichen PUgeraufnahme
mit besten Kräften sträuben würden, war zu natürlich, um nicht vorausgesehn
zu werden. Auch die früher einmal mit so gutem Erfolge vorgebrachte Drob"
ung wegen des Zurückhaltens der Collectengeldcr blieb hier wirklos. Sollte
es, fragten sich die schlauen Episkopen, in Rußlands Interresse liegen, nachdem
es uns Jahrhunderte lang mit allen erdenklichen Mitteln an sich zu fesseln
gesucht, in einer Sache mit uns zu brechen, wo die öffentliche Meinung in
der ganzen Türkei für uns sein muß? -- Dazu kam, daß sich eben der po¬
litische Horizont zwischen Rußland und der Türkei verfinsterte -- ein Grund
mehr für das Patriarchat, in seine Rechnung auf die russische Staats¬
raison, welche sich von den Wünschen der Synode nicht ins Schlepptau
nehmen lassen konnte, Vertrauen zu setzen. Nicht ohne Mühe wurde daher
endlich ein Kompromiß zu Stande gebracht, wonach die Russen ihrer Forder¬
ung entsagten, aber das Recht erwarben, auf griechischem Grund und Bo-
den zu Jerusalem einen Palast als Wohnung des Delegirten der Synode zu
errichten.

Noch war dieser Bau nicht vollendet, als der orientalische Krieg ausbrach
und die in der Türkei sich aufhaltenden russischen Unterthanen über die Grenze
gewiesen wurden. Dieser letzteren Maßregel hätte sich ein in klösterlicher Ab¬
geschiedenheit lebender Mann wie Porphyrius leicht entzogen, wenn seine
griechischen Amtsbruder nicht die Aufmerksamkeit der türkischen Behörden auf
ihn gelenkt hätten. Bei seiner Abreise ließ er seinen Secretär. einen jungen
Hellenen, zurück, welcher im Publikum ganz unbemerkt geblieben war und
deshalb noch leichter in Jerusalem hätte bleiben können. Auch diesen hielt
der griechische Klerus für einen russischen Spion und that zu seiner Austrei¬
bung erfolgreiche Schritte. -- Noch sind die während des Krieges von der
griechischen hohen Geistlichkeit zu Konstantinopel wiederholt an den Sultan
erlassenen Ergebenheitsadressen in Aller Gedächtniß; dieselben waren aufrichtiger
gemeint, als man damals glaubte. Die orthodoxen Prälaten unserer Tage hegen
wider ein ihnen stets auf die Finger sehendes christliches Regiment dieselbe
Kühle wie zur Zeit der türkischen Eroberung Konstantinopels der Patriarch
Gennadius, welcher, nachdem sein azymitischer Kaiser gefallen, so zufrieden
war, als unbeschränkter Hirt seiner Heerde dem siegreichen Muhcunmedaner zu
huldigen.

Blickten nun aber die Griechen vor dem letzten Kriege mit Vesorgniß auf
die übergreifende Herrschsucht Rußlands, so kehrten während desselben bei
den Nachrichten von so manchen der glaubensvcrwandten Macht zugestoßenen


Grenzboten III. 1860. 32

Einer solchen Antwort hätte man in Petersburg gewärtig sein können.
Daß die Griechen Alles daran setzen würden, die einzigen Vertreter ihrer
Confession in Jerusalem zu sein, das; sie sich gegen die Abtretung von Klö¬
stern und den damit verbundenen Verlust der einträglichen PUgeraufnahme
mit besten Kräften sträuben würden, war zu natürlich, um nicht vorausgesehn
zu werden. Auch die früher einmal mit so gutem Erfolge vorgebrachte Drob»
ung wegen des Zurückhaltens der Collectengeldcr blieb hier wirklos. Sollte
es, fragten sich die schlauen Episkopen, in Rußlands Interresse liegen, nachdem
es uns Jahrhunderte lang mit allen erdenklichen Mitteln an sich zu fesseln
gesucht, in einer Sache mit uns zu brechen, wo die öffentliche Meinung in
der ganzen Türkei für uns sein muß? — Dazu kam, daß sich eben der po¬
litische Horizont zwischen Rußland und der Türkei verfinsterte — ein Grund
mehr für das Patriarchat, in seine Rechnung auf die russische Staats¬
raison, welche sich von den Wünschen der Synode nicht ins Schlepptau
nehmen lassen konnte, Vertrauen zu setzen. Nicht ohne Mühe wurde daher
endlich ein Kompromiß zu Stande gebracht, wonach die Russen ihrer Forder¬
ung entsagten, aber das Recht erwarben, auf griechischem Grund und Bo-
den zu Jerusalem einen Palast als Wohnung des Delegirten der Synode zu
errichten.

Noch war dieser Bau nicht vollendet, als der orientalische Krieg ausbrach
und die in der Türkei sich aufhaltenden russischen Unterthanen über die Grenze
gewiesen wurden. Dieser letzteren Maßregel hätte sich ein in klösterlicher Ab¬
geschiedenheit lebender Mann wie Porphyrius leicht entzogen, wenn seine
griechischen Amtsbruder nicht die Aufmerksamkeit der türkischen Behörden auf
ihn gelenkt hätten. Bei seiner Abreise ließ er seinen Secretär. einen jungen
Hellenen, zurück, welcher im Publikum ganz unbemerkt geblieben war und
deshalb noch leichter in Jerusalem hätte bleiben können. Auch diesen hielt
der griechische Klerus für einen russischen Spion und that zu seiner Austrei¬
bung erfolgreiche Schritte. — Noch sind die während des Krieges von der
griechischen hohen Geistlichkeit zu Konstantinopel wiederholt an den Sultan
erlassenen Ergebenheitsadressen in Aller Gedächtniß; dieselben waren aufrichtiger
gemeint, als man damals glaubte. Die orthodoxen Prälaten unserer Tage hegen
wider ein ihnen stets auf die Finger sehendes christliches Regiment dieselbe
Kühle wie zur Zeit der türkischen Eroberung Konstantinopels der Patriarch
Gennadius, welcher, nachdem sein azymitischer Kaiser gefallen, so zufrieden
war, als unbeschränkter Hirt seiner Heerde dem siegreichen Muhcunmedaner zu
huldigen.

Blickten nun aber die Griechen vor dem letzten Kriege mit Vesorgniß auf
die übergreifende Herrschsucht Rußlands, so kehrten während desselben bei
den Nachrichten von so manchen der glaubensvcrwandten Macht zugestoßenen


Grenzboten III. 1860. 32
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[0261] Einer solchen Antwort hätte man in Petersburg gewärtig sein können. Daß die Griechen Alles daran setzen würden, die einzigen Vertreter ihrer Confession in Jerusalem zu sein, das; sie sich gegen die Abtretung von Klö¬ stern und den damit verbundenen Verlust der einträglichen PUgeraufnahme mit besten Kräften sträuben würden, war zu natürlich, um nicht vorausgesehn zu werden. Auch die früher einmal mit so gutem Erfolge vorgebrachte Drob» ung wegen des Zurückhaltens der Collectengeldcr blieb hier wirklos. Sollte es, fragten sich die schlauen Episkopen, in Rußlands Interresse liegen, nachdem es uns Jahrhunderte lang mit allen erdenklichen Mitteln an sich zu fesseln gesucht, in einer Sache mit uns zu brechen, wo die öffentliche Meinung in der ganzen Türkei für uns sein muß? — Dazu kam, daß sich eben der po¬ litische Horizont zwischen Rußland und der Türkei verfinsterte — ein Grund mehr für das Patriarchat, in seine Rechnung auf die russische Staats¬ raison, welche sich von den Wünschen der Synode nicht ins Schlepptau nehmen lassen konnte, Vertrauen zu setzen. Nicht ohne Mühe wurde daher endlich ein Kompromiß zu Stande gebracht, wonach die Russen ihrer Forder¬ ung entsagten, aber das Recht erwarben, auf griechischem Grund und Bo- den zu Jerusalem einen Palast als Wohnung des Delegirten der Synode zu errichten. Noch war dieser Bau nicht vollendet, als der orientalische Krieg ausbrach und die in der Türkei sich aufhaltenden russischen Unterthanen über die Grenze gewiesen wurden. Dieser letzteren Maßregel hätte sich ein in klösterlicher Ab¬ geschiedenheit lebender Mann wie Porphyrius leicht entzogen, wenn seine griechischen Amtsbruder nicht die Aufmerksamkeit der türkischen Behörden auf ihn gelenkt hätten. Bei seiner Abreise ließ er seinen Secretär. einen jungen Hellenen, zurück, welcher im Publikum ganz unbemerkt geblieben war und deshalb noch leichter in Jerusalem hätte bleiben können. Auch diesen hielt der griechische Klerus für einen russischen Spion und that zu seiner Austrei¬ bung erfolgreiche Schritte. — Noch sind die während des Krieges von der griechischen hohen Geistlichkeit zu Konstantinopel wiederholt an den Sultan erlassenen Ergebenheitsadressen in Aller Gedächtniß; dieselben waren aufrichtiger gemeint, als man damals glaubte. Die orthodoxen Prälaten unserer Tage hegen wider ein ihnen stets auf die Finger sehendes christliches Regiment dieselbe Kühle wie zur Zeit der türkischen Eroberung Konstantinopels der Patriarch Gennadius, welcher, nachdem sein azymitischer Kaiser gefallen, so zufrieden war, als unbeschränkter Hirt seiner Heerde dem siegreichen Muhcunmedaner zu huldigen. Blickten nun aber die Griechen vor dem letzten Kriege mit Vesorgniß auf die übergreifende Herrschsucht Rußlands, so kehrten während desselben bei den Nachrichten von so manchen der glaubensvcrwandten Macht zugestoßenen Grenzboten III. 1860. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/261>, abgerufen am 25.07.2024.