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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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vom Griechischen verstand, hatten die geistigen Bedürfnisse des letzteren fast
gar keine Beachtung gefunden. Um nun die Wallfahrer an den Statten der
Passion religiös zu fördern, sandte die besagte hohe geistliche Behörde einen
durch strenge Ascese und gelehrte Bildung ausgezeichneten Geistlichen, den Archi-
mandriten Porphyrius, nach Jerusalem mit dein Auftrage, nicht allein die
Seelsorge der Pilger zu übernehmen, sondern sich außerdem auch bei der Lei¬
tung der kirchlichen Angelegenheiten soweit zu betheiligen, daß die schreiendsten
Uebelstände ihre Abstellung fänden. Die Wahl war eine zu gute, um nicht
verfehlt zu sein; ein Mann von weniger Wissenstrieb und geringerem Sitt¬
lichkeitsgefühl wäre auf diesem Boden wol weiter gekommen. Inmitten der
beschränkten, gelbsüchtigen .Kniffigkeit seiner griechischen Amtsbruder fühlte sich
der russische Archimandrit völlig vereinsamt. Weit entfernt, einen dem Zwecke
seiner Sendung entsprechenden Einfluß üben zu können, hatte er sich sogar
über persönliche Zurücksetzung seitens der im kirchlichen Range über ihm ste¬
henden Bischöfe und Erzbischöfe zu beschweren, und sein Verhältniß zu dem
Patriarchat wurde bald ein gespanntes. Die Absicht, in ihm einen Spion zu
bestellen, lag gewiß der Petersburger Synode fern; doch galt er für einen sol¬
chen dem griechischen Klerus, und gewiß machten ihn die Verhältnisse zu einem
höchst unbequemen Beobachter. Es konnte auch nicht fehlen, daß seine An¬
sichten sich allmälig in der Synode Geltung verschafften, und das Patriarchat,
welches sich als den einzig berechtigten Verwalter des griechisch-katholischen
Kirchengutes in der heiligen Stadt, so wie der innerhalb der orthodoxen Chri¬
stenheit für die heiligen Stätten gespendeten Gelder betrachtete, begegnete
nunmehr bei dem höchsten Organ der russischen Kirche Zweifeln an selner Be¬
rechtigung, welche sich in der Drohung aussprachen, man werde die russischen
Collccten, eine der Haupteinnahmen des Patriarchats, zurückhalten, salls nicht
mit der Verwendung der Gelder im Sinne der Synode verfahren würde.

Durch solche Zwangsmittel wurde die griechische Geistlichkeit zu Ausgaben
veranlaßt, welche ihr vielleicht die allerwiderwärtigsten waren, nämlich zur
Stiftung von Schulanstalten für die griechische Confession, und zwar einer
höheren im Kreuzkloster bei Jerusalem und verschiedener niedern in Jaffa,
Ramleh, Bethlehem, Radius und andern größern Gemeinden des Landes. Was
die Synode mit diesem ihrem Verlangen bezweckte, ist leicht ersichtlich. Schon
seit einer Reihe von Jahren bestanden protestantische, und dann auch katholische
Missionsschüler in Palästina, welche dem Bestände der orthodoxen Kirchenge¬
nossenschaft gefährlich wurden. Es lag demnach Nußland daran, in seiner
Kirche ein geistiges Widerstandsmittel gegen die Angriffe der protestantischen
und katholischen Missionarien zu schaffen. Der Erfolg des ohne Liebe zur
Sache ausgeführten Unternehmens entsprach den Hoffnungen der Synode nicht;
die niedern Schulen waren so schlecht, daß sie kaum ihr Dasein fristeten, und


vom Griechischen verstand, hatten die geistigen Bedürfnisse des letzteren fast
gar keine Beachtung gefunden. Um nun die Wallfahrer an den Statten der
Passion religiös zu fördern, sandte die besagte hohe geistliche Behörde einen
durch strenge Ascese und gelehrte Bildung ausgezeichneten Geistlichen, den Archi-
mandriten Porphyrius, nach Jerusalem mit dein Auftrage, nicht allein die
Seelsorge der Pilger zu übernehmen, sondern sich außerdem auch bei der Lei¬
tung der kirchlichen Angelegenheiten soweit zu betheiligen, daß die schreiendsten
Uebelstände ihre Abstellung fänden. Die Wahl war eine zu gute, um nicht
verfehlt zu sein; ein Mann von weniger Wissenstrieb und geringerem Sitt¬
lichkeitsgefühl wäre auf diesem Boden wol weiter gekommen. Inmitten der
beschränkten, gelbsüchtigen .Kniffigkeit seiner griechischen Amtsbruder fühlte sich
der russische Archimandrit völlig vereinsamt. Weit entfernt, einen dem Zwecke
seiner Sendung entsprechenden Einfluß üben zu können, hatte er sich sogar
über persönliche Zurücksetzung seitens der im kirchlichen Range über ihm ste¬
henden Bischöfe und Erzbischöfe zu beschweren, und sein Verhältniß zu dem
Patriarchat wurde bald ein gespanntes. Die Absicht, in ihm einen Spion zu
bestellen, lag gewiß der Petersburger Synode fern; doch galt er für einen sol¬
chen dem griechischen Klerus, und gewiß machten ihn die Verhältnisse zu einem
höchst unbequemen Beobachter. Es konnte auch nicht fehlen, daß seine An¬
sichten sich allmälig in der Synode Geltung verschafften, und das Patriarchat,
welches sich als den einzig berechtigten Verwalter des griechisch-katholischen
Kirchengutes in der heiligen Stadt, so wie der innerhalb der orthodoxen Chri¬
stenheit für die heiligen Stätten gespendeten Gelder betrachtete, begegnete
nunmehr bei dem höchsten Organ der russischen Kirche Zweifeln an selner Be¬
rechtigung, welche sich in der Drohung aussprachen, man werde die russischen
Collccten, eine der Haupteinnahmen des Patriarchats, zurückhalten, salls nicht
mit der Verwendung der Gelder im Sinne der Synode verfahren würde.

Durch solche Zwangsmittel wurde die griechische Geistlichkeit zu Ausgaben
veranlaßt, welche ihr vielleicht die allerwiderwärtigsten waren, nämlich zur
Stiftung von Schulanstalten für die griechische Confession, und zwar einer
höheren im Kreuzkloster bei Jerusalem und verschiedener niedern in Jaffa,
Ramleh, Bethlehem, Radius und andern größern Gemeinden des Landes. Was
die Synode mit diesem ihrem Verlangen bezweckte, ist leicht ersichtlich. Schon
seit einer Reihe von Jahren bestanden protestantische, und dann auch katholische
Missionsschüler in Palästina, welche dem Bestände der orthodoxen Kirchenge¬
nossenschaft gefährlich wurden. Es lag demnach Nußland daran, in seiner
Kirche ein geistiges Widerstandsmittel gegen die Angriffe der protestantischen
und katholischen Missionarien zu schaffen. Der Erfolg des ohne Liebe zur
Sache ausgeführten Unternehmens entsprach den Hoffnungen der Synode nicht;
die niedern Schulen waren so schlecht, daß sie kaum ihr Dasein fristeten, und


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[0259] vom Griechischen verstand, hatten die geistigen Bedürfnisse des letzteren fast gar keine Beachtung gefunden. Um nun die Wallfahrer an den Statten der Passion religiös zu fördern, sandte die besagte hohe geistliche Behörde einen durch strenge Ascese und gelehrte Bildung ausgezeichneten Geistlichen, den Archi- mandriten Porphyrius, nach Jerusalem mit dein Auftrage, nicht allein die Seelsorge der Pilger zu übernehmen, sondern sich außerdem auch bei der Lei¬ tung der kirchlichen Angelegenheiten soweit zu betheiligen, daß die schreiendsten Uebelstände ihre Abstellung fänden. Die Wahl war eine zu gute, um nicht verfehlt zu sein; ein Mann von weniger Wissenstrieb und geringerem Sitt¬ lichkeitsgefühl wäre auf diesem Boden wol weiter gekommen. Inmitten der beschränkten, gelbsüchtigen .Kniffigkeit seiner griechischen Amtsbruder fühlte sich der russische Archimandrit völlig vereinsamt. Weit entfernt, einen dem Zwecke seiner Sendung entsprechenden Einfluß üben zu können, hatte er sich sogar über persönliche Zurücksetzung seitens der im kirchlichen Range über ihm ste¬ henden Bischöfe und Erzbischöfe zu beschweren, und sein Verhältniß zu dem Patriarchat wurde bald ein gespanntes. Die Absicht, in ihm einen Spion zu bestellen, lag gewiß der Petersburger Synode fern; doch galt er für einen sol¬ chen dem griechischen Klerus, und gewiß machten ihn die Verhältnisse zu einem höchst unbequemen Beobachter. Es konnte auch nicht fehlen, daß seine An¬ sichten sich allmälig in der Synode Geltung verschafften, und das Patriarchat, welches sich als den einzig berechtigten Verwalter des griechisch-katholischen Kirchengutes in der heiligen Stadt, so wie der innerhalb der orthodoxen Chri¬ stenheit für die heiligen Stätten gespendeten Gelder betrachtete, begegnete nunmehr bei dem höchsten Organ der russischen Kirche Zweifeln an selner Be¬ rechtigung, welche sich in der Drohung aussprachen, man werde die russischen Collccten, eine der Haupteinnahmen des Patriarchats, zurückhalten, salls nicht mit der Verwendung der Gelder im Sinne der Synode verfahren würde. Durch solche Zwangsmittel wurde die griechische Geistlichkeit zu Ausgaben veranlaßt, welche ihr vielleicht die allerwiderwärtigsten waren, nämlich zur Stiftung von Schulanstalten für die griechische Confession, und zwar einer höheren im Kreuzkloster bei Jerusalem und verschiedener niedern in Jaffa, Ramleh, Bethlehem, Radius und andern größern Gemeinden des Landes. Was die Synode mit diesem ihrem Verlangen bezweckte, ist leicht ersichtlich. Schon seit einer Reihe von Jahren bestanden protestantische, und dann auch katholische Missionsschüler in Palästina, welche dem Bestände der orthodoxen Kirchenge¬ nossenschaft gefährlich wurden. Es lag demnach Nußland daran, in seiner Kirche ein geistiges Widerstandsmittel gegen die Angriffe der protestantischen und katholischen Missionarien zu schaffen. Der Erfolg des ohne Liebe zur Sache ausgeführten Unternehmens entsprach den Hoffnungen der Synode nicht; die niedern Schulen waren so schlecht, daß sie kaum ihr Dasein fristeten, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/259>, abgerufen am 25.07.2024.