Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.nach dem Geschmacke der den Ladentisch umdrängenden Gäste. Außer dem Einmal aus die Nüssen gebracht und meiner Aufmerksamkeit gewiß, ließ Als ich endlich von dem Eigenthümer des Ladens Abschied nahm, ver¬ nach dem Geschmacke der den Ladentisch umdrängenden Gäste. Außer dem Einmal aus die Nüssen gebracht und meiner Aufmerksamkeit gewiß, ließ Als ich endlich von dem Eigenthümer des Ladens Abschied nahm, ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110062"/> <p xml:id="ID_735" prev="#ID_734"> nach dem Geschmacke der den Ladentisch umdrängenden Gäste. Außer dem<lb/> Samowar besaß das ambulante Geschäft nur einen schmutzigen hölzernen Zucker¬<lb/> kasten und ein Dutzend Wassergläser, in welchen der bräunliche Trank aus¬<lb/> geschenkt wurde. Für den Augenblick reichten diese letzteren nicht hin, und so<lb/> kam's, daß, wenn unter Blasen und Husten Einer den heißen Inhalt geleert<lb/> hatte, sofort ein Andrer ihm das Gefäß aus der Hand nahm, um es für sich<lb/> neu füllen zu lassen. Weder dachte der Wirth daran, es vorher auszuspülen,<lb/> noch stellten die einfachen Kunden ein solches Begehren. Auch meinem ara¬<lb/> bischen Führer siel dies unangenehm auf. „Llrs sxoreo. Zerrte!" rief er aus<lb/> und bemühte sich dann, mir etwas von den Gefahren anzudeuten, welchen die<lb/> Pilger sich aussetzten, indem sie die Lippen an ein eben von einer Pilgerin<lb/> geleertes Glas legten. Der Orientale ist leicht gegen unverschleiert vor dem<lb/> Publikum erscheinende Frauenzimmer ungerecht; daß aber die Russinnen in<lb/> Jerusalem keines besondern Rufes genießen, ist mir auch sonst bestätigt worden.<lb/> Ihr Bischof hat sich schon mehrmals bewogen gefühlt, nach besonders ecla-<lb/> tanten Borfällen die Hilfe der Civilgewalt zur Entfernung von Pilgerinnen<lb/> anzurufen, bevor diese auch nur nach griechischen Begriffen einen Platz im<lb/> Paradiese erworben.</p><lb/> <p xml:id="ID_736"> Einmal aus die Nüssen gebracht und meiner Aufmerksamkeit gewiß, ließ<lb/> Mattia das Thema nicht sobald wieder los. Mich mit dem allgemeinen Ur¬<lb/> theil über das Auftreten des Botts, so als Staat wie als Individuen, im<lb/> gelobten Lande bekannt zu machen, war er ganz der geeignete Mann, und<lb/> wenn sich auch die vielen Einzelheiten, die er mir mittheilte, nicht zu einem<lb/> Gesammtbilde reihen ließen, so waren sie mir doch wegen ihrer Anschaulichkeit<lb/> und Unmittelbarkeit ebenso nützlich als anziehend. Die fehlenden Zwischen¬<lb/> glieder wurden mir, was ich damals nicht zu hoffen wagte, bald darauf durch<lb/> meinen kairener Reisegefährten Hrn. v. M . . . f ergänzt, welcher, des Aufenthalts<lb/> in Gaza bald müde, sich beeilt hatte, uns nach Jerusalem zu folgen, v. M . . . f<lb/> war ein Jungrusse in der vollen Bedeutung des Worts, schwärmerischer Ver¬<lb/> ehrer eines freien Italiens und freien reformirten Rußlands, Bewunderer des<lb/> Großfürsten Konstantin und principieller Gegner Oestreichs, sowie alles Deutsch¬<lb/> tums innerhalb und außerhalb seines Vaterlandes, was ihn aber nicht hin¬<lb/> derte, sich vorzugsweise an deutsche Ohren zu wenden, sobald er bei denselben<lb/> ein Interesse für seine Eröffnungen vermuthete. Von ihm und Mattia also<lb/> sammelte ich während eines mehr als vierzehntägiger Zusammenseins, häufig<lb/> die Aussage des Einen durch die des Andern controlirend. die Angaben, welche<lb/> ich hier zu einer Darstellung der russischen Zustände in Palästina zu verarbeiten<lb/> mich bemühen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> Als ich endlich von dem Eigenthümer des Ladens Abschied nahm, ver¬<lb/> fehlte ich nicht, ihm einige seiner Perlmutterschnitzereten abzukaufen und dadurch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
nach dem Geschmacke der den Ladentisch umdrängenden Gäste. Außer dem
Samowar besaß das ambulante Geschäft nur einen schmutzigen hölzernen Zucker¬
kasten und ein Dutzend Wassergläser, in welchen der bräunliche Trank aus¬
geschenkt wurde. Für den Augenblick reichten diese letzteren nicht hin, und so
kam's, daß, wenn unter Blasen und Husten Einer den heißen Inhalt geleert
hatte, sofort ein Andrer ihm das Gefäß aus der Hand nahm, um es für sich
neu füllen zu lassen. Weder dachte der Wirth daran, es vorher auszuspülen,
noch stellten die einfachen Kunden ein solches Begehren. Auch meinem ara¬
bischen Führer siel dies unangenehm auf. „Llrs sxoreo. Zerrte!" rief er aus
und bemühte sich dann, mir etwas von den Gefahren anzudeuten, welchen die
Pilger sich aussetzten, indem sie die Lippen an ein eben von einer Pilgerin
geleertes Glas legten. Der Orientale ist leicht gegen unverschleiert vor dem
Publikum erscheinende Frauenzimmer ungerecht; daß aber die Russinnen in
Jerusalem keines besondern Rufes genießen, ist mir auch sonst bestätigt worden.
Ihr Bischof hat sich schon mehrmals bewogen gefühlt, nach besonders ecla-
tanten Borfällen die Hilfe der Civilgewalt zur Entfernung von Pilgerinnen
anzurufen, bevor diese auch nur nach griechischen Begriffen einen Platz im
Paradiese erworben.
Einmal aus die Nüssen gebracht und meiner Aufmerksamkeit gewiß, ließ
Mattia das Thema nicht sobald wieder los. Mich mit dem allgemeinen Ur¬
theil über das Auftreten des Botts, so als Staat wie als Individuen, im
gelobten Lande bekannt zu machen, war er ganz der geeignete Mann, und
wenn sich auch die vielen Einzelheiten, die er mir mittheilte, nicht zu einem
Gesammtbilde reihen ließen, so waren sie mir doch wegen ihrer Anschaulichkeit
und Unmittelbarkeit ebenso nützlich als anziehend. Die fehlenden Zwischen¬
glieder wurden mir, was ich damals nicht zu hoffen wagte, bald darauf durch
meinen kairener Reisegefährten Hrn. v. M . . . f ergänzt, welcher, des Aufenthalts
in Gaza bald müde, sich beeilt hatte, uns nach Jerusalem zu folgen, v. M . . . f
war ein Jungrusse in der vollen Bedeutung des Worts, schwärmerischer Ver¬
ehrer eines freien Italiens und freien reformirten Rußlands, Bewunderer des
Großfürsten Konstantin und principieller Gegner Oestreichs, sowie alles Deutsch¬
tums innerhalb und außerhalb seines Vaterlandes, was ihn aber nicht hin¬
derte, sich vorzugsweise an deutsche Ohren zu wenden, sobald er bei denselben
ein Interesse für seine Eröffnungen vermuthete. Von ihm und Mattia also
sammelte ich während eines mehr als vierzehntägiger Zusammenseins, häufig
die Aussage des Einen durch die des Andern controlirend. die Angaben, welche
ich hier zu einer Darstellung der russischen Zustände in Palästina zu verarbeiten
mich bemühen werde.
Als ich endlich von dem Eigenthümer des Ladens Abschied nahm, ver¬
fehlte ich nicht, ihm einige seiner Perlmutterschnitzereten abzukaufen und dadurch
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |