Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.den Verletzten eine gerichtliche Strafe statt, welche eine Geldquelle für die ') Lisch, a. a. e, XIV. S, As.
den Verletzten eine gerichtliche Strafe statt, welche eine Geldquelle für die ') Lisch, a. a. e, XIV. S, As.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110048"/> <p xml:id="ID_679" prev="#ID_678" next="#ID_680"> den Verletzten eine gerichtliche Strafe statt, welche eine Geldquelle für die<lb/> Obrigkeit war. In den schwennschcn Städten wurde diese anfänglich dura,<lb/> fürstliche Vögte oder Amtsvögte gebildet, in den stargardischen durch unab¬<lb/> hängige Stadtschulzen. Die Gutsherrn ließen die Gerichtsbarkeit entweder<lb/> durch eigene Vögte verwalten oder übertrugen sie gegen einen Theil der Brüche<lb/> den fürstlichen Vögten mit. Die Gutsherren selbst aber standen bis zum<lb/> sechzehnten Jahrhunderte unter den fürstlichen Vögten; wohnten sie (damals<lb/> Adlige) in den Städten, so mußten sie das Bürgerrecht erwerben und standen<lb/> unter Gerichtsbarkeit der städtischen Vögte.*) Im sechzehnten Jahrhunderte<lb/> wurde das römische Recht eingeführt und die Gutsherren traten unter eine<lb/> exemte Gerichtsbarkeit, während für ihre Untergebenen die Patrimonialgerichte<lb/> eingesetzt wurden. Die exemtc Gerichtsbarkeit, welche sich jedoch auch auf alle<lb/> s. g. Eximirten, Prediger, Advocaten, Aerzte u. s. w. erstreckt, wird von den<lb/> Justizkanzlcien ausgeübt, während die Patnmonialrichter sür besondere Guts¬<lb/> verbände oder einzelne Begüterungen aus der Zahl der Juristen, nvlche das<lb/> Richterexamen gemacht haben, erwählt werden. Diese sind entweder zur Ver¬<lb/> waltung des niederen und des höheren Gerichts zugleich verbunden oder es<lb/> besteht für jedes derselben ein besonderes Gericht. So lange die Gutsbesitzer<lb/> ihre Richter selbst wählen, ist es in der Ordnung, daß sie unter einer anderen<lb/> Gerichtsbarkeit stehen. Dies Princip läßt sich nur leider nicht consequent durch¬<lb/> führen und das ist ein Uebelstand, welchen man dem Patrimonialgerichtswesen<lb/> häusig vorwirft, weil er den Untergebenen erschwert, die Wahrung ihrer In¬<lb/> teressen dem Gutsherrn gegenüber leicht und immer ohne den Schein von<lb/> Parteilichkeit zu erlangen. Ferner ist nicht zu verkennen, daß durch die Pa¬<lb/> trimonialgerichte eine kräftige, einfache und einheitliche Gerichtspflege gehemmt<lb/> wird, ebenso wie durch sie eine einheitliche und allgemeine Armenpflege fast<lb/> unmöglich gemacht wird, ohne welche wieder die höchst nöthige Umgestaltung<lb/> der Heimath- und Niederlassungsverhältnisse undenkbar ist. Vereinfacht zwar<lb/> wird die Armenpflege durch sie. weil dieselbe sich in jedem einzelnen Falle<lb/> auf kleine leicht übersehbare Kreise beschränkt (jeder Gutsbesitz erhält seine<lb/> Armen selbst), vereinfacht wird auch die Polizeiverwaltung durch ihre Be¬<lb/> schränkung auf kleine Gebiete. Ein Vortheil ist es ferner, daß der Gutsherr<lb/> als Obrigkeit sich in einer Stellung befindet, welche ihn befähigt, die Inter¬<lb/> essen seiner Untergebenen kräftig wahren zu müssen. Gegen wen hat er aber<lb/> dieselben zu wahren? In den allermeisten Fällen gegen sich selbst und dies<lb/> eben erlaubt seine Stellung als Obrigkeit wieder nicht. Die Vortheile der<lb/> Patrimonialgerichtsbarkeit sind sehr zweifelhaft, die Nachtheile derselben sind<lb/> — ganz abgesehn davon, daß dieselbe ein antiquirtes Institut ist — hand¬<lb/> greiflich. Daß eine wohlgeordnete Armenpflege von Seiten des Staats ge-</p><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> ') Lisch, a. a. e, XIV. S, As.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
den Verletzten eine gerichtliche Strafe statt, welche eine Geldquelle für die
Obrigkeit war. In den schwennschcn Städten wurde diese anfänglich dura,
fürstliche Vögte oder Amtsvögte gebildet, in den stargardischen durch unab¬
hängige Stadtschulzen. Die Gutsherrn ließen die Gerichtsbarkeit entweder
durch eigene Vögte verwalten oder übertrugen sie gegen einen Theil der Brüche
den fürstlichen Vögten mit. Die Gutsherren selbst aber standen bis zum
sechzehnten Jahrhunderte unter den fürstlichen Vögten; wohnten sie (damals
Adlige) in den Städten, so mußten sie das Bürgerrecht erwerben und standen
unter Gerichtsbarkeit der städtischen Vögte.*) Im sechzehnten Jahrhunderte
wurde das römische Recht eingeführt und die Gutsherren traten unter eine
exemte Gerichtsbarkeit, während für ihre Untergebenen die Patrimonialgerichte
eingesetzt wurden. Die exemtc Gerichtsbarkeit, welche sich jedoch auch auf alle
s. g. Eximirten, Prediger, Advocaten, Aerzte u. s. w. erstreckt, wird von den
Justizkanzlcien ausgeübt, während die Patnmonialrichter sür besondere Guts¬
verbände oder einzelne Begüterungen aus der Zahl der Juristen, nvlche das
Richterexamen gemacht haben, erwählt werden. Diese sind entweder zur Ver¬
waltung des niederen und des höheren Gerichts zugleich verbunden oder es
besteht für jedes derselben ein besonderes Gericht. So lange die Gutsbesitzer
ihre Richter selbst wählen, ist es in der Ordnung, daß sie unter einer anderen
Gerichtsbarkeit stehen. Dies Princip läßt sich nur leider nicht consequent durch¬
führen und das ist ein Uebelstand, welchen man dem Patrimonialgerichtswesen
häusig vorwirft, weil er den Untergebenen erschwert, die Wahrung ihrer In¬
teressen dem Gutsherrn gegenüber leicht und immer ohne den Schein von
Parteilichkeit zu erlangen. Ferner ist nicht zu verkennen, daß durch die Pa¬
trimonialgerichte eine kräftige, einfache und einheitliche Gerichtspflege gehemmt
wird, ebenso wie durch sie eine einheitliche und allgemeine Armenpflege fast
unmöglich gemacht wird, ohne welche wieder die höchst nöthige Umgestaltung
der Heimath- und Niederlassungsverhältnisse undenkbar ist. Vereinfacht zwar
wird die Armenpflege durch sie. weil dieselbe sich in jedem einzelnen Falle
auf kleine leicht übersehbare Kreise beschränkt (jeder Gutsbesitz erhält seine
Armen selbst), vereinfacht wird auch die Polizeiverwaltung durch ihre Be¬
schränkung auf kleine Gebiete. Ein Vortheil ist es ferner, daß der Gutsherr
als Obrigkeit sich in einer Stellung befindet, welche ihn befähigt, die Inter¬
essen seiner Untergebenen kräftig wahren zu müssen. Gegen wen hat er aber
dieselben zu wahren? In den allermeisten Fällen gegen sich selbst und dies
eben erlaubt seine Stellung als Obrigkeit wieder nicht. Die Vortheile der
Patrimonialgerichtsbarkeit sind sehr zweifelhaft, die Nachtheile derselben sind
— ganz abgesehn davon, daß dieselbe ein antiquirtes Institut ist — hand¬
greiflich. Daß eine wohlgeordnete Armenpflege von Seiten des Staats ge-
') Lisch, a. a. e, XIV. S, As.
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