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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Anstrengungen und Geldmittel gekostet und diese mußten herbeigeschafft werden.
Das gab Veranlassung, die Stände zu Abgaben mit heranzuziehen, aus der
andern Seite zum Widerstände. Allmülig, als die zu beschaffender Summen
gar zu sehr anwuchsen, bequemte man sich zu freiwilligen Leistungen, die sich
wiederholten; fürstliche Diener waren schon zu Staatsdienern. der fürstliche
Haushalt theilweise zum Staatshaushalte geworden. In andern Staaten
bildete sich eine Abgnbmpflicht, deren Beispiel doch in einigem Grade aus
Mecklenburg zurückwirkte, es entstand eine vollständige Landesregierung, eine
geordnete Staatsdienerschaft u. f. w. So wurde aus dem reinen Feudalstaate
der Patrimonialstaat, den man mit Unrecht mit dem ersteren verwechselt, da
er doch vielmehr eine Fortentwicklung desselben ist. Die Besitzverhältnisse
selbst blieben zwar wesentlich dieselben, welche sie früher waren, aber über
ihnen schwebte die Idee der Staatseinheit, der Leitung und Verwaltung. Wie
sich die Besitzverhältnisse bis zur Neuzeit herab gestalteten, welchen Bestimmungen
namentlich die Lehensbesitzungen unterliegen, haben wir oben darzustellen ver¬
sucht. Der Patrimonialstaat entbehrt keineswegs, wie man zuweilen behauptet,
der staatlichen Idee der Souveränetät, welche den neuzeitlichen Staat über¬
haupt charakterisirt.

Wir gehen jetzt über zu der Darstellung, wie sich die Rechte der Ritter¬
güter entwickelten und welche politische Stellung sich hieraus entfaltete.

Bis zur Reformationszeit hin müssen die Rittergüter in Mecklenburg sehr
klein gewesen sein/) Dabei war ein einziges Gut, npe es vielfach aus den
Urkunden erhellt, oft in den Händen mehrerer Besitzer, und es war nicht selten,
daß in einem Dorfe mehrere Edelhofe bestanden, wie es noch heute in einigen
Mittel- und süddeutschen Staaten der Fall ist. Viele solcher Rittergüter waren
tief verschuldet, zur Hälfte und mehr verpfändet, durch Schenkungen an die
Geistlichkeit und fromme Stiftungen in ihren Hebungen verringert und im
Ganzen von sehr geringem Werthe für die Besitzer. Letztere waren schon aus
diesen Gründen durchaus keine Ackerbauer, sondern trieben das Kriegsgewerbe,
und der Besitz hatte seinen größten Werth wegen seiner zufälligen Privilegien,
z. B. wegen der mit ihm verbundenen oder ihm verliehenen Gerichtsbarkeit
(richte hogest unde sidest), welche eine Quelle von Sporteln und Stras-
gefällen war. Es läßt sich denken, daß der grundbesitzcnde Adel schon früh
seine Hufen an eigentliche Bauern gegen Dienste und Leistungen verlieh, da
es. noch durchaus keine s. g. Tagelöhner gab. Aber wie und wann dies ge¬
schah, ist ebensowenig mit Sicherheit erforscht, wie die ursprüngliche Stellung
der Bauern selbst aufgeklärt ist. Seit Beginn der historisch sicheren Zeit,
welche sür die Bauern erst mit dem durch innere Schutzlosigkeit und unauf¬
hörliche Fehden (welche urkundlich nichts anderes als Ausplünderungen gerade



-) F. Voll, Mcckl. Strelitzsches Wochenblatt. 1849- Ur. 13. 19.

Anstrengungen und Geldmittel gekostet und diese mußten herbeigeschafft werden.
Das gab Veranlassung, die Stände zu Abgaben mit heranzuziehen, aus der
andern Seite zum Widerstände. Allmülig, als die zu beschaffender Summen
gar zu sehr anwuchsen, bequemte man sich zu freiwilligen Leistungen, die sich
wiederholten; fürstliche Diener waren schon zu Staatsdienern. der fürstliche
Haushalt theilweise zum Staatshaushalte geworden. In andern Staaten
bildete sich eine Abgnbmpflicht, deren Beispiel doch in einigem Grade aus
Mecklenburg zurückwirkte, es entstand eine vollständige Landesregierung, eine
geordnete Staatsdienerschaft u. f. w. So wurde aus dem reinen Feudalstaate
der Patrimonialstaat, den man mit Unrecht mit dem ersteren verwechselt, da
er doch vielmehr eine Fortentwicklung desselben ist. Die Besitzverhältnisse
selbst blieben zwar wesentlich dieselben, welche sie früher waren, aber über
ihnen schwebte die Idee der Staatseinheit, der Leitung und Verwaltung. Wie
sich die Besitzverhältnisse bis zur Neuzeit herab gestalteten, welchen Bestimmungen
namentlich die Lehensbesitzungen unterliegen, haben wir oben darzustellen ver¬
sucht. Der Patrimonialstaat entbehrt keineswegs, wie man zuweilen behauptet,
der staatlichen Idee der Souveränetät, welche den neuzeitlichen Staat über¬
haupt charakterisirt.

Wir gehen jetzt über zu der Darstellung, wie sich die Rechte der Ritter¬
güter entwickelten und welche politische Stellung sich hieraus entfaltete.

Bis zur Reformationszeit hin müssen die Rittergüter in Mecklenburg sehr
klein gewesen sein/) Dabei war ein einziges Gut, npe es vielfach aus den
Urkunden erhellt, oft in den Händen mehrerer Besitzer, und es war nicht selten,
daß in einem Dorfe mehrere Edelhofe bestanden, wie es noch heute in einigen
Mittel- und süddeutschen Staaten der Fall ist. Viele solcher Rittergüter waren
tief verschuldet, zur Hälfte und mehr verpfändet, durch Schenkungen an die
Geistlichkeit und fromme Stiftungen in ihren Hebungen verringert und im
Ganzen von sehr geringem Werthe für die Besitzer. Letztere waren schon aus
diesen Gründen durchaus keine Ackerbauer, sondern trieben das Kriegsgewerbe,
und der Besitz hatte seinen größten Werth wegen seiner zufälligen Privilegien,
z. B. wegen der mit ihm verbundenen oder ihm verliehenen Gerichtsbarkeit
(richte hogest unde sidest), welche eine Quelle von Sporteln und Stras-
gefällen war. Es läßt sich denken, daß der grundbesitzcnde Adel schon früh
seine Hufen an eigentliche Bauern gegen Dienste und Leistungen verlieh, da
es. noch durchaus keine s. g. Tagelöhner gab. Aber wie und wann dies ge¬
schah, ist ebensowenig mit Sicherheit erforscht, wie die ursprüngliche Stellung
der Bauern selbst aufgeklärt ist. Seit Beginn der historisch sicheren Zeit,
welche sür die Bauern erst mit dem durch innere Schutzlosigkeit und unauf¬
hörliche Fehden (welche urkundlich nichts anderes als Ausplünderungen gerade



-) F. Voll, Mcckl. Strelitzsches Wochenblatt. 1849- Ur. 13. 19.
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[0238] Anstrengungen und Geldmittel gekostet und diese mußten herbeigeschafft werden. Das gab Veranlassung, die Stände zu Abgaben mit heranzuziehen, aus der andern Seite zum Widerstände. Allmülig, als die zu beschaffender Summen gar zu sehr anwuchsen, bequemte man sich zu freiwilligen Leistungen, die sich wiederholten; fürstliche Diener waren schon zu Staatsdienern. der fürstliche Haushalt theilweise zum Staatshaushalte geworden. In andern Staaten bildete sich eine Abgnbmpflicht, deren Beispiel doch in einigem Grade aus Mecklenburg zurückwirkte, es entstand eine vollständige Landesregierung, eine geordnete Staatsdienerschaft u. f. w. So wurde aus dem reinen Feudalstaate der Patrimonialstaat, den man mit Unrecht mit dem ersteren verwechselt, da er doch vielmehr eine Fortentwicklung desselben ist. Die Besitzverhältnisse selbst blieben zwar wesentlich dieselben, welche sie früher waren, aber über ihnen schwebte die Idee der Staatseinheit, der Leitung und Verwaltung. Wie sich die Besitzverhältnisse bis zur Neuzeit herab gestalteten, welchen Bestimmungen namentlich die Lehensbesitzungen unterliegen, haben wir oben darzustellen ver¬ sucht. Der Patrimonialstaat entbehrt keineswegs, wie man zuweilen behauptet, der staatlichen Idee der Souveränetät, welche den neuzeitlichen Staat über¬ haupt charakterisirt. Wir gehen jetzt über zu der Darstellung, wie sich die Rechte der Ritter¬ güter entwickelten und welche politische Stellung sich hieraus entfaltete. Bis zur Reformationszeit hin müssen die Rittergüter in Mecklenburg sehr klein gewesen sein/) Dabei war ein einziges Gut, npe es vielfach aus den Urkunden erhellt, oft in den Händen mehrerer Besitzer, und es war nicht selten, daß in einem Dorfe mehrere Edelhofe bestanden, wie es noch heute in einigen Mittel- und süddeutschen Staaten der Fall ist. Viele solcher Rittergüter waren tief verschuldet, zur Hälfte und mehr verpfändet, durch Schenkungen an die Geistlichkeit und fromme Stiftungen in ihren Hebungen verringert und im Ganzen von sehr geringem Werthe für die Besitzer. Letztere waren schon aus diesen Gründen durchaus keine Ackerbauer, sondern trieben das Kriegsgewerbe, und der Besitz hatte seinen größten Werth wegen seiner zufälligen Privilegien, z. B. wegen der mit ihm verbundenen oder ihm verliehenen Gerichtsbarkeit (richte hogest unde sidest), welche eine Quelle von Sporteln und Stras- gefällen war. Es läßt sich denken, daß der grundbesitzcnde Adel schon früh seine Hufen an eigentliche Bauern gegen Dienste und Leistungen verlieh, da es. noch durchaus keine s. g. Tagelöhner gab. Aber wie und wann dies ge¬ schah, ist ebensowenig mit Sicherheit erforscht, wie die ursprüngliche Stellung der Bauern selbst aufgeklärt ist. Seit Beginn der historisch sicheren Zeit, welche sür die Bauern erst mit dem durch innere Schutzlosigkeit und unauf¬ hörliche Fehden (welche urkundlich nichts anderes als Ausplünderungen gerade -) F. Voll, Mcckl. Strelitzsches Wochenblatt. 1849- Ur. 13. 19.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/238>, abgerufen am 05.07.2024.