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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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disiciren lassen. Seit dem 17. Jahrhunderte geschah letzteres häufig, soll aber
in neuester Zeit erschwert worden sein. Die Mannendienste (servitig, milita-
ria) sind seit dem Jahre 1809 bei allen Lehen rein und ohne Entschädigung
aufgehoben, wogegen die außerordentlichen Ehrendienste an den fürstlichen
Höfen (fervidis. anlief.) reservirt blieben.

Wie schon oben erwähnt, zerfallen die Güter in Haupt- und Nebengüter;
auf ersteren ruht die Landstandschaft. Diese Güter sind geschlossene Güter,
welche nicht beliebig getheilt werden dürfen. Nur in dem Falle darf ein Neben-
von dem Hauptgute getrennt und selbst zu einem solchen erhoben werden,
wenn sowol das neue wie das alte Hauptgut zwei catastrirte Hufen, jede von
600 bornirten Scheffeln,*) an Hoffeld behalten. Von Gütern bis oder unter
zwei Hufen Größe dürfen keine Bauerstellen errichtet werden, größere müssen
mindestens zwei Hufen behalten und von den über vier Hufen großen dürfen
zu solchem Zwecke höchstens zwei Hufen verwendet werden.

Auch Bauerschaflen haben in frühern Zeiten Lehengüter erworben und
würden dies noch heute dürfen. Es gibt sechs solcher Bauerschaften im Lande,
welche die Gesammtheit ihrer Hufen als Lehne besitzen und aus deren Mitte
Einer der Lehensträger ist. Mitglieder auswärtiger regierender Häuser dürfen
seit 1342 keine ritterschaftlichen Güter in Mecklenburg erwerben (der regierende
Fürst von Schaumburg-Lippe hatte in schneller Folge zwölf Hauptgüter mit
einem Flächeninhalte von fast zwei Quadratmeilen, mit 24 Ortschaften und mehr
als 2700 Einw. gekauft, von welchen aber jetzt eim Theil wieder veräußert
ist). Von der Landesherrschaft erworbene Güter werden nach ihren Realrechten
und Pflichte" als zur Ritterschaft gehörig betrachtet.

Früher gab es in Mecklenburg auch Lehenschulzen, welche ihre zum Theil
bedeutenden Ländereien als freie Lehen besaßen und einen landes- oder schutz¬
herrlichen Lehenbrief erhielten. In Schwerin gibt es jetzt keine Lehcnschulzcn,
in Strelitz aber noch 18. In einem Auszuge**) aus dem Amtsbuche der Jo-
Hanniter-Comthurei Nemerow (bei Neubrandenburg) vom Jahre 1572 heißt
es bei einem Verzeichnisse der Gefälle, welche die Comthurei aus ihren Dörfern
und Gütern bezog, wörtlich: "Das Dorfs Gnewitz: Das Schultzengerichte er¬
bet uff neuliche Leibeslehnserben (beim Dorfe Rouenn: "Das schnitzen ampt
erbet auff Sohn vnnd tochter" u. s. w.), muß die lehr von der Herrschaft zu
Nemerow empfangen vnd mit 10 Fi. lößen. hatt zum schnitzen Ampte zwei
huefen landes. so nach Strelitz vorlantbedet werden, und was er mehr ver-
muege des lehnbrieffes bei dem Schultzengerichte hat, gibt 20 gr. vor (statt)
ein Lehnpferdt, 1 wispel Ablager Hafer. IV- Pfd. wachs zum Gottes Hauße Lüd-




") Bonitirtc Scheffel differiren nach der Güte des Bodens zwischen 75 >H R. vom beste"
und 300 HZ R. vom schlechtesten Boden.
") Lisch, a. a. O. Jahrg. IX. S. 90 ff. 284.

disiciren lassen. Seit dem 17. Jahrhunderte geschah letzteres häufig, soll aber
in neuester Zeit erschwert worden sein. Die Mannendienste (servitig, milita-
ria) sind seit dem Jahre 1809 bei allen Lehen rein und ohne Entschädigung
aufgehoben, wogegen die außerordentlichen Ehrendienste an den fürstlichen
Höfen (fervidis. anlief.) reservirt blieben.

Wie schon oben erwähnt, zerfallen die Güter in Haupt- und Nebengüter;
auf ersteren ruht die Landstandschaft. Diese Güter sind geschlossene Güter,
welche nicht beliebig getheilt werden dürfen. Nur in dem Falle darf ein Neben-
von dem Hauptgute getrennt und selbst zu einem solchen erhoben werden,
wenn sowol das neue wie das alte Hauptgut zwei catastrirte Hufen, jede von
600 bornirten Scheffeln,*) an Hoffeld behalten. Von Gütern bis oder unter
zwei Hufen Größe dürfen keine Bauerstellen errichtet werden, größere müssen
mindestens zwei Hufen behalten und von den über vier Hufen großen dürfen
zu solchem Zwecke höchstens zwei Hufen verwendet werden.

Auch Bauerschaflen haben in frühern Zeiten Lehengüter erworben und
würden dies noch heute dürfen. Es gibt sechs solcher Bauerschaften im Lande,
welche die Gesammtheit ihrer Hufen als Lehne besitzen und aus deren Mitte
Einer der Lehensträger ist. Mitglieder auswärtiger regierender Häuser dürfen
seit 1342 keine ritterschaftlichen Güter in Mecklenburg erwerben (der regierende
Fürst von Schaumburg-Lippe hatte in schneller Folge zwölf Hauptgüter mit
einem Flächeninhalte von fast zwei Quadratmeilen, mit 24 Ortschaften und mehr
als 2700 Einw. gekauft, von welchen aber jetzt eim Theil wieder veräußert
ist). Von der Landesherrschaft erworbene Güter werden nach ihren Realrechten
und Pflichte» als zur Ritterschaft gehörig betrachtet.

Früher gab es in Mecklenburg auch Lehenschulzen, welche ihre zum Theil
bedeutenden Ländereien als freie Lehen besaßen und einen landes- oder schutz¬
herrlichen Lehenbrief erhielten. In Schwerin gibt es jetzt keine Lehcnschulzcn,
in Strelitz aber noch 18. In einem Auszuge**) aus dem Amtsbuche der Jo-
Hanniter-Comthurei Nemerow (bei Neubrandenburg) vom Jahre 1572 heißt
es bei einem Verzeichnisse der Gefälle, welche die Comthurei aus ihren Dörfern
und Gütern bezog, wörtlich: „Das Dorfs Gnewitz: Das Schultzengerichte er¬
bet uff neuliche Leibeslehnserben (beim Dorfe Rouenn: „Das schnitzen ampt
erbet auff Sohn vnnd tochter" u. s. w.), muß die lehr von der Herrschaft zu
Nemerow empfangen vnd mit 10 Fi. lößen. hatt zum schnitzen Ampte zwei
huefen landes. so nach Strelitz vorlantbedet werden, und was er mehr ver-
muege des lehnbrieffes bei dem Schultzengerichte hat, gibt 20 gr. vor (statt)
ein Lehnpferdt, 1 wispel Ablager Hafer. IV- Pfd. wachs zum Gottes Hauße Lüd-




") Bonitirtc Scheffel differiren nach der Güte des Bodens zwischen 75 >H R. vom beste»
und 300 HZ R. vom schlechtesten Boden.
") Lisch, a. a. O. Jahrg. IX. S. 90 ff. 284.
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[0236] disiciren lassen. Seit dem 17. Jahrhunderte geschah letzteres häufig, soll aber in neuester Zeit erschwert worden sein. Die Mannendienste (servitig, milita- ria) sind seit dem Jahre 1809 bei allen Lehen rein und ohne Entschädigung aufgehoben, wogegen die außerordentlichen Ehrendienste an den fürstlichen Höfen (fervidis. anlief.) reservirt blieben. Wie schon oben erwähnt, zerfallen die Güter in Haupt- und Nebengüter; auf ersteren ruht die Landstandschaft. Diese Güter sind geschlossene Güter, welche nicht beliebig getheilt werden dürfen. Nur in dem Falle darf ein Neben- von dem Hauptgute getrennt und selbst zu einem solchen erhoben werden, wenn sowol das neue wie das alte Hauptgut zwei catastrirte Hufen, jede von 600 bornirten Scheffeln,*) an Hoffeld behalten. Von Gütern bis oder unter zwei Hufen Größe dürfen keine Bauerstellen errichtet werden, größere müssen mindestens zwei Hufen behalten und von den über vier Hufen großen dürfen zu solchem Zwecke höchstens zwei Hufen verwendet werden. Auch Bauerschaflen haben in frühern Zeiten Lehengüter erworben und würden dies noch heute dürfen. Es gibt sechs solcher Bauerschaften im Lande, welche die Gesammtheit ihrer Hufen als Lehne besitzen und aus deren Mitte Einer der Lehensträger ist. Mitglieder auswärtiger regierender Häuser dürfen seit 1342 keine ritterschaftlichen Güter in Mecklenburg erwerben (der regierende Fürst von Schaumburg-Lippe hatte in schneller Folge zwölf Hauptgüter mit einem Flächeninhalte von fast zwei Quadratmeilen, mit 24 Ortschaften und mehr als 2700 Einw. gekauft, von welchen aber jetzt eim Theil wieder veräußert ist). Von der Landesherrschaft erworbene Güter werden nach ihren Realrechten und Pflichte» als zur Ritterschaft gehörig betrachtet. Früher gab es in Mecklenburg auch Lehenschulzen, welche ihre zum Theil bedeutenden Ländereien als freie Lehen besaßen und einen landes- oder schutz¬ herrlichen Lehenbrief erhielten. In Schwerin gibt es jetzt keine Lehcnschulzcn, in Strelitz aber noch 18. In einem Auszuge**) aus dem Amtsbuche der Jo- Hanniter-Comthurei Nemerow (bei Neubrandenburg) vom Jahre 1572 heißt es bei einem Verzeichnisse der Gefälle, welche die Comthurei aus ihren Dörfern und Gütern bezog, wörtlich: „Das Dorfs Gnewitz: Das Schultzengerichte er¬ bet uff neuliche Leibeslehnserben (beim Dorfe Rouenn: „Das schnitzen ampt erbet auff Sohn vnnd tochter" u. s. w.), muß die lehr von der Herrschaft zu Nemerow empfangen vnd mit 10 Fi. lößen. hatt zum schnitzen Ampte zwei huefen landes. so nach Strelitz vorlantbedet werden, und was er mehr ver- muege des lehnbrieffes bei dem Schultzengerichte hat, gibt 20 gr. vor (statt) ein Lehnpferdt, 1 wispel Ablager Hafer. IV- Pfd. wachs zum Gottes Hauße Lüd- ") Bonitirtc Scheffel differiren nach der Güte des Bodens zwischen 75 >H R. vom beste» und 300 HZ R. vom schlechtesten Boden. ") Lisch, a. a. O. Jahrg. IX. S. 90 ff. 284.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/236>, abgerufen am 05.07.2024.