Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.sei große Dinge zu unternehmen und doch die Lasten des Volks zu erleichtern, sei große Dinge zu unternehmen und doch die Lasten des Volks zu erleichtern, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109948"/> <p xml:id="ID_384" prev="#ID_383" next="#ID_385"> sei große Dinge zu unternehmen und doch die Lasten des Volks zu erleichtern,<lb/> dabei war die Verwaltung ehrlich und im Ganzen einsichtig. Oestreich und<lb/> die ihm ergebene klerikale Partei bereitete dem König natürlich alle möglichen<lb/> Schwierigkeiten für die Reformen, er verhinderte zwar durch Frankreichs diplo¬<lb/> matischen Beistand östreichische Intervention, aber er mußte sich doch der<lb/> Erklärung Metternichs fügen, die Ruhe Italiens und Europas duldeten nicht,<lb/> daß er constitutionelle Aenderungen in seinen Staaten einführe oder die<lb/> Flüchtlinge von 1821 cimnestire, Karl Albert schwebte so zwischen Reaction<lb/> und Fortschritt, zwischen dem Instinkte, welcher ihm für Piemont die neue<lb/> Bahn des maßvollen Liberalismus wies und den Extremen der Jesuiten und<lb/> Carbonari. Wenn aber auch deshalb die Reformen zögernd und nicht als<lb/> Ganzes vor sich gingen, kam Piemont doch vorwärts, es ward der Boden,<lb/> von dem die Reformideen zuerst in der Theorie, dann in der Praxis ausgingen.<lb/> Drei hochbegabte Männer sind hier vor andern zu erwähnen, Massimo d'Aze-<lb/> glio, Cesare Balbo und Vincenzo Gioberti, Während ersterer sich an die<lb/> rein politische Seite hielt und in seinen Ultimi nasi ti Romagna den zer¬<lb/> rütteten Zustand des Kirchenstaates aufdeckte, versuchten die beiden andern eine<lb/> Neconstruction Italiens als möglich darzustellen, wonach der Papst an die<lb/> Spitze eines Staatenbundes treten sollte, namentlich ward diese Idee in Gio-<lb/> bertis Primato entwickelt. Es liegt nun freilich auf der Hand, daß, so lange<lb/> Oestreich in Oberitalien herrschte, es auch in jeder Conföderation italienischer<lb/> Staaten tonangebend sein würde; das vermeintliche Haupt derselben würde<lb/> sein ergebener Diener sein, da es schon seiner Truppen bedarf, um Ruhe im<lb/> Lande zu erhalten. Jede Konföderation aber, welche Oestreich ausschlösse,<lb/> müßte es natürlich um jeden Preis verhindern, und sollte sie durch die Um¬<lb/> stände gelingen, so wäre der Papst zu machtlos, um sich an ihre Spitze zu<lb/> stellen, selbst wenn er es wollte. Das Chimärische der Idee ist also klar, aber<lb/> ihr Einfluß war nichts desto weniger doch sehr groß. In diesem Zeitpunkt,<lb/> wo die Aufregung auf das höchste gestiegen war, starb Gregor der Sechste,<lb/> und der Cardinal Mastai Feretti ward als Pius der Neunte sein Nach¬<lb/> folger. Eine allgemeine Amnestie, Verabschiedung der Schweizergarde und<lb/> Versprechungen der liberalsten Reformen eröffneten seine Negierung. Alles<lb/> jauchzte ihm zu. es begann in Italien wie in Europa, was der Verfasser<lb/> sehr treffend die Piusmythe nennt. Mnzzini schrieb dem Papst, daß er in<lb/> seiner Initiative den Anfong einer neuen Aera sehe und in seine Hände ab¬<lb/> baute. Das war freilich ein zweifelhafter Glückwunsch, aber in Frankreich<lb/> waren Regierung und Opposition in gleichem Maße jener neuen Aera gün¬<lb/> stig, Thiers wollte die Bewegung ermuthigen, Guizot sie mäßigen, beide um<lb/> sie zu stärken. Wir wünschen, sagte der Letztere, einen italienischen Papst, der<lb/> den Geist seines Jahrhunderts verstehe. Nur der Fürst Metternich sprach an-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
sei große Dinge zu unternehmen und doch die Lasten des Volks zu erleichtern,
dabei war die Verwaltung ehrlich und im Ganzen einsichtig. Oestreich und
die ihm ergebene klerikale Partei bereitete dem König natürlich alle möglichen
Schwierigkeiten für die Reformen, er verhinderte zwar durch Frankreichs diplo¬
matischen Beistand östreichische Intervention, aber er mußte sich doch der
Erklärung Metternichs fügen, die Ruhe Italiens und Europas duldeten nicht,
daß er constitutionelle Aenderungen in seinen Staaten einführe oder die
Flüchtlinge von 1821 cimnestire, Karl Albert schwebte so zwischen Reaction
und Fortschritt, zwischen dem Instinkte, welcher ihm für Piemont die neue
Bahn des maßvollen Liberalismus wies und den Extremen der Jesuiten und
Carbonari. Wenn aber auch deshalb die Reformen zögernd und nicht als
Ganzes vor sich gingen, kam Piemont doch vorwärts, es ward der Boden,
von dem die Reformideen zuerst in der Theorie, dann in der Praxis ausgingen.
Drei hochbegabte Männer sind hier vor andern zu erwähnen, Massimo d'Aze-
glio, Cesare Balbo und Vincenzo Gioberti, Während ersterer sich an die
rein politische Seite hielt und in seinen Ultimi nasi ti Romagna den zer¬
rütteten Zustand des Kirchenstaates aufdeckte, versuchten die beiden andern eine
Neconstruction Italiens als möglich darzustellen, wonach der Papst an die
Spitze eines Staatenbundes treten sollte, namentlich ward diese Idee in Gio-
bertis Primato entwickelt. Es liegt nun freilich auf der Hand, daß, so lange
Oestreich in Oberitalien herrschte, es auch in jeder Conföderation italienischer
Staaten tonangebend sein würde; das vermeintliche Haupt derselben würde
sein ergebener Diener sein, da es schon seiner Truppen bedarf, um Ruhe im
Lande zu erhalten. Jede Konföderation aber, welche Oestreich ausschlösse,
müßte es natürlich um jeden Preis verhindern, und sollte sie durch die Um¬
stände gelingen, so wäre der Papst zu machtlos, um sich an ihre Spitze zu
stellen, selbst wenn er es wollte. Das Chimärische der Idee ist also klar, aber
ihr Einfluß war nichts desto weniger doch sehr groß. In diesem Zeitpunkt,
wo die Aufregung auf das höchste gestiegen war, starb Gregor der Sechste,
und der Cardinal Mastai Feretti ward als Pius der Neunte sein Nach¬
folger. Eine allgemeine Amnestie, Verabschiedung der Schweizergarde und
Versprechungen der liberalsten Reformen eröffneten seine Negierung. Alles
jauchzte ihm zu. es begann in Italien wie in Europa, was der Verfasser
sehr treffend die Piusmythe nennt. Mnzzini schrieb dem Papst, daß er in
seiner Initiative den Anfong einer neuen Aera sehe und in seine Hände ab¬
baute. Das war freilich ein zweifelhafter Glückwunsch, aber in Frankreich
waren Regierung und Opposition in gleichem Maße jener neuen Aera gün¬
stig, Thiers wollte die Bewegung ermuthigen, Guizot sie mäßigen, beide um
sie zu stärken. Wir wünschen, sagte der Letztere, einen italienischen Papst, der
den Geist seines Jahrhunderts verstehe. Nur der Fürst Metternich sprach an-
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