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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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kraft hinzunehmen ist, dem der Einzelne macht- und rechtlos untersteht, dem er
sich bedingungslos hinzugehen hat. Das ^'us Samens, das Nothrecht, welches
dem Staate in gewissen Fallen zuerkannt werden muß, hat hier keine Schranken;
es füllt die ganze Rechtssphnre aus, -- Das oberste staatswirthschaftliche Prin¬
cip des absoluten wirthschaftlichen Rechts des Staates wird in seiner
Schroffheit durch das zweite Princip "der Harmonie der Interessen des
Staats und seiner Angehörigen" kaum gemildert, und das dritte, das
Princip der wirthschaftlichen Ordnung ermangelt aller Garantien einer
menschli es e n D u r es führung.

Die Ausgaben und den Haushalt des Staates rechnet Herr L. Stein, wie
schon bemerkt, nicht zum Finanzwesen; er behandelt sie zwar, aber nur um
klar zu machen, daß sie sich der Beurtheilung des Finanzbeamten entziehen,
daß sie theils in der Verfassungs- theils in der Verwaltungslehre ihre Stelle
finden, und um daran zwei Lehren zu knüpfen. Die eine betrifft die Frage
der Steuerbewilligung (eigentlich der Bewilligung des Ausgabe-Budgets,
denn nur hier, nicht bei den Steuern, gedenkt der Verfasser der Bewilligung).
Da lächelt Herrn Stein Laffittes Gedanke, daß nur das außerordentliche
Budget Gegenstand der Bewilligung sein könne; denn die Bewilligung des
absolut Nothwendigen sei ein Unding, seine Verweigerung als Mißtrauens¬
votum gegen Persönlichkeiten sei ein durchaus verkehrtes Mittel, "denn sie
würde in der That ein Mißtrauensvotum gegen die Existenz des Staates
selbst sein." Das mögen sich vor Allen die Holländer merken, welche nicht
selten das Budget eines Ministeriums verwerfen, ohne zu bedenken, daß dieser
Anstoß zum Rücktritte eines Münsters ein Attentat gegen die Existenz ihres
Staates ist. Weiterhin wird die Finanzverwaltung bedeutet, daß ihre Ver¬
antwortlichkeit nicht von der Steuerbewilligung abhängt, sondern erst mit der
Allerhöchsten Sanction des Budgets beginnt und nur dem Staatsoberhaupt
gegenüber einen Sinn hat. Die Engländer denken zwar anders, aber Herr
Stein schreibt nicht für Holländer oder Engländer, sondern für einen gewissen
andern Staatencomplex, in dessen Hauptstadt eben jetzt ein Reichsrath über
dem Budget schwitzt; die Herren Reichsrathe können aus unserm Buche er¬
fahren, was die "Wissenschaft" dazu sagen würde, wenn sie etwa mit der
Budgetbewilligung Umstände machen wollten. -- Die zweite Lehre bei Ge¬
legenheit der Ausgaben ist die. daß sie reproductiv sein, daß sie wieder Kapi¬
tal bilden müssen. -- "Die Kapitalbildung in der Staatswirthschaft ist
.daher nichts anderes als der Proceß, durch welchen die Ausgaben des Staats
die Kapitalien und mit ihnen das Einkommen aller Staatsangehörigen in
ihrer wirtschaftlichen Entwicklung befördern und dadurch ihre eigenen Quellen
vermehren. Dies ist der höhere Kreislauf der Güter, den wir als
die Staatswirthschaft bezeichnen." Die übliche Unterscheidung zwischen


kraft hinzunehmen ist, dem der Einzelne macht- und rechtlos untersteht, dem er
sich bedingungslos hinzugehen hat. Das ^'us Samens, das Nothrecht, welches
dem Staate in gewissen Fallen zuerkannt werden muß, hat hier keine Schranken;
es füllt die ganze Rechtssphnre aus, — Das oberste staatswirthschaftliche Prin¬
cip des absoluten wirthschaftlichen Rechts des Staates wird in seiner
Schroffheit durch das zweite Princip „der Harmonie der Interessen des
Staats und seiner Angehörigen" kaum gemildert, und das dritte, das
Princip der wirthschaftlichen Ordnung ermangelt aller Garantien einer
menschli es e n D u r es führung.

Die Ausgaben und den Haushalt des Staates rechnet Herr L. Stein, wie
schon bemerkt, nicht zum Finanzwesen; er behandelt sie zwar, aber nur um
klar zu machen, daß sie sich der Beurtheilung des Finanzbeamten entziehen,
daß sie theils in der Verfassungs- theils in der Verwaltungslehre ihre Stelle
finden, und um daran zwei Lehren zu knüpfen. Die eine betrifft die Frage
der Steuerbewilligung (eigentlich der Bewilligung des Ausgabe-Budgets,
denn nur hier, nicht bei den Steuern, gedenkt der Verfasser der Bewilligung).
Da lächelt Herrn Stein Laffittes Gedanke, daß nur das außerordentliche
Budget Gegenstand der Bewilligung sein könne; denn die Bewilligung des
absolut Nothwendigen sei ein Unding, seine Verweigerung als Mißtrauens¬
votum gegen Persönlichkeiten sei ein durchaus verkehrtes Mittel, „denn sie
würde in der That ein Mißtrauensvotum gegen die Existenz des Staates
selbst sein." Das mögen sich vor Allen die Holländer merken, welche nicht
selten das Budget eines Ministeriums verwerfen, ohne zu bedenken, daß dieser
Anstoß zum Rücktritte eines Münsters ein Attentat gegen die Existenz ihres
Staates ist. Weiterhin wird die Finanzverwaltung bedeutet, daß ihre Ver¬
antwortlichkeit nicht von der Steuerbewilligung abhängt, sondern erst mit der
Allerhöchsten Sanction des Budgets beginnt und nur dem Staatsoberhaupt
gegenüber einen Sinn hat. Die Engländer denken zwar anders, aber Herr
Stein schreibt nicht für Holländer oder Engländer, sondern für einen gewissen
andern Staatencomplex, in dessen Hauptstadt eben jetzt ein Reichsrath über
dem Budget schwitzt; die Herren Reichsrathe können aus unserm Buche er¬
fahren, was die „Wissenschaft" dazu sagen würde, wenn sie etwa mit der
Budgetbewilligung Umstände machen wollten. — Die zweite Lehre bei Ge¬
legenheit der Ausgaben ist die. daß sie reproductiv sein, daß sie wieder Kapi¬
tal bilden müssen. — „Die Kapitalbildung in der Staatswirthschaft ist
.daher nichts anderes als der Proceß, durch welchen die Ausgaben des Staats
die Kapitalien und mit ihnen das Einkommen aller Staatsangehörigen in
ihrer wirtschaftlichen Entwicklung befördern und dadurch ihre eigenen Quellen
vermehren. Dies ist der höhere Kreislauf der Güter, den wir als
die Staatswirthschaft bezeichnen." Die übliche Unterscheidung zwischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/121>, abgerufen am 05.07.2024.