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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Mittel und auf den Kongressen von Troppau und Laibach ward die bewaff¬
nete Intervention beschlossen. Der König war dorthin eingeladen und unter
dem Borgeben, die beschworne Verfassung vor den Souveränen vertheidigen
zu wollen, folgte er der Aufforderung, indem er den Kronprinzen als Regenten
einsetzte. Aber er, der nur um sich zu retten der Revolution nachgegeben,
ließ es sich gerne gefallen für unfrei erklärt zu werden und dem Regenten die
unabänderlichen Beschlüsse der drei Monarchen mitzutheilen; der Kampf der
darauf folgte und sein Ausgang sind bekannt. Die östreichische Armee rückte
nach einem militärischen Spaziergang in Neapel ein. Später als im Süden
brach in Piemont die Bewegung aus, um gleichfalls mit Annahme der spa¬
nischen Verfassung zu beginnen und mit dem Einmarsch der Oestreichs zu
enden. Indeß hier erreichte Metternich doch nicht alles was er wollte. Karl
Albert war zum Regenten ernannt und meinte es ernst mit seinem Anschluß
an die nationale Bewegung, der Staatssanzier, der die entscheidende Wichtig¬
keit der Stellung Piemonts vollkommen würdigte, wollte seine legitime An¬
wartschaft auf den Thron ausschließen und die modenesische Linie zur Erbfolge
bringen, um so die letzte unabhängige italienische Dynastie zu beseitige".
Daß das Princip der Legitimität durch diese revolutionäre Aufhebung der
salischen Ordnung zu Gunsten der Tochter Victor Emanuels und Herzogin von
Modena angegriffen wurde, störte den kaiserlichen Minister wenig, der be¬
kanntlich nicht die Borurtheile seiner Adepten theilte. Aber das Projekt weckte
doch den Widerstand Frankreichs, das Oestreich nicht unbeschränkt in Italien kann
herrschen lassen. Villölc beauftragte seinen Bevollmächtigten auf dem Congresse
von Verona sich den ehrgeizigen Absichten des wiener Hofes entschieden zu
widersetzen, Frankreich und Rußland näherten sich gegen Oestreich, und Kaiser
Alexander vertrat entschieden die Rechte Karl Alberts. der nur einige Zeit auf
Reisen ging. Metternich verfolgte seinen Plan noch mehrere Jahre, erlangte
aber dabei so wenig Erfolge als bei den erneuerten Versuchen eines italienischen
Fürstenbundes. Dagegen benutzte er die Anwesenheit der östreichischen Truppen
in Neapel, um jenen Bertrag zu schließen, der den König verband in seinen
Staaten niemals Institutionen einzuführen, welche mit denen des lombardisch-
venetianischen Königreichs in Widerspruch stünden, der Vertrag über Piacenza
von 1822 läßt dem Kaiser die Bestimmung der Zahl der östreichischen Truppen,
die dort befindlichen herzoglichen stehen unter seinem Commando, die östrei¬
chischen Ingenieure verfügen frei über die Festungswerke.

Nach diesen mißlungenen Bewegungen legte sich die Reaction in ihrer gan¬
zen bleiernen Schwere wieder über die Halbinsel und die innere Geschichte der
italienischen Staaten bis 1830 bietet das unerfreulichste Bild harter Verfol¬
gungen und allgemeinen Darniederliegens des öffentlichen Geistes, zwar war
die Reaction nicht gewaltsam blutig wie z. B. 1799 in Neapel; aber sie er-


Grenzbotm III. 1660. 1 4

Mittel und auf den Kongressen von Troppau und Laibach ward die bewaff¬
nete Intervention beschlossen. Der König war dorthin eingeladen und unter
dem Borgeben, die beschworne Verfassung vor den Souveränen vertheidigen
zu wollen, folgte er der Aufforderung, indem er den Kronprinzen als Regenten
einsetzte. Aber er, der nur um sich zu retten der Revolution nachgegeben,
ließ es sich gerne gefallen für unfrei erklärt zu werden und dem Regenten die
unabänderlichen Beschlüsse der drei Monarchen mitzutheilen; der Kampf der
darauf folgte und sein Ausgang sind bekannt. Die östreichische Armee rückte
nach einem militärischen Spaziergang in Neapel ein. Später als im Süden
brach in Piemont die Bewegung aus, um gleichfalls mit Annahme der spa¬
nischen Verfassung zu beginnen und mit dem Einmarsch der Oestreichs zu
enden. Indeß hier erreichte Metternich doch nicht alles was er wollte. Karl
Albert war zum Regenten ernannt und meinte es ernst mit seinem Anschluß
an die nationale Bewegung, der Staatssanzier, der die entscheidende Wichtig¬
keit der Stellung Piemonts vollkommen würdigte, wollte seine legitime An¬
wartschaft auf den Thron ausschließen und die modenesische Linie zur Erbfolge
bringen, um so die letzte unabhängige italienische Dynastie zu beseitige».
Daß das Princip der Legitimität durch diese revolutionäre Aufhebung der
salischen Ordnung zu Gunsten der Tochter Victor Emanuels und Herzogin von
Modena angegriffen wurde, störte den kaiserlichen Minister wenig, der be¬
kanntlich nicht die Borurtheile seiner Adepten theilte. Aber das Projekt weckte
doch den Widerstand Frankreichs, das Oestreich nicht unbeschränkt in Italien kann
herrschen lassen. Villölc beauftragte seinen Bevollmächtigten auf dem Congresse
von Verona sich den ehrgeizigen Absichten des wiener Hofes entschieden zu
widersetzen, Frankreich und Rußland näherten sich gegen Oestreich, und Kaiser
Alexander vertrat entschieden die Rechte Karl Alberts. der nur einige Zeit auf
Reisen ging. Metternich verfolgte seinen Plan noch mehrere Jahre, erlangte
aber dabei so wenig Erfolge als bei den erneuerten Versuchen eines italienischen
Fürstenbundes. Dagegen benutzte er die Anwesenheit der östreichischen Truppen
in Neapel, um jenen Bertrag zu schließen, der den König verband in seinen
Staaten niemals Institutionen einzuführen, welche mit denen des lombardisch-
venetianischen Königreichs in Widerspruch stünden, der Vertrag über Piacenza
von 1822 läßt dem Kaiser die Bestimmung der Zahl der östreichischen Truppen,
die dort befindlichen herzoglichen stehen unter seinem Commando, die östrei¬
chischen Ingenieure verfügen frei über die Festungswerke.

Nach diesen mißlungenen Bewegungen legte sich die Reaction in ihrer gan¬
zen bleiernen Schwere wieder über die Halbinsel und die innere Geschichte der
italienischen Staaten bis 1830 bietet das unerfreulichste Bild harter Verfol¬
gungen und allgemeinen Darniederliegens des öffentlichen Geistes, zwar war
die Reaction nicht gewaltsam blutig wie z. B. 1799 in Neapel; aber sie er-


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[0117] Mittel und auf den Kongressen von Troppau und Laibach ward die bewaff¬ nete Intervention beschlossen. Der König war dorthin eingeladen und unter dem Borgeben, die beschworne Verfassung vor den Souveränen vertheidigen zu wollen, folgte er der Aufforderung, indem er den Kronprinzen als Regenten einsetzte. Aber er, der nur um sich zu retten der Revolution nachgegeben, ließ es sich gerne gefallen für unfrei erklärt zu werden und dem Regenten die unabänderlichen Beschlüsse der drei Monarchen mitzutheilen; der Kampf der darauf folgte und sein Ausgang sind bekannt. Die östreichische Armee rückte nach einem militärischen Spaziergang in Neapel ein. Später als im Süden brach in Piemont die Bewegung aus, um gleichfalls mit Annahme der spa¬ nischen Verfassung zu beginnen und mit dem Einmarsch der Oestreichs zu enden. Indeß hier erreichte Metternich doch nicht alles was er wollte. Karl Albert war zum Regenten ernannt und meinte es ernst mit seinem Anschluß an die nationale Bewegung, der Staatssanzier, der die entscheidende Wichtig¬ keit der Stellung Piemonts vollkommen würdigte, wollte seine legitime An¬ wartschaft auf den Thron ausschließen und die modenesische Linie zur Erbfolge bringen, um so die letzte unabhängige italienische Dynastie zu beseitige». Daß das Princip der Legitimität durch diese revolutionäre Aufhebung der salischen Ordnung zu Gunsten der Tochter Victor Emanuels und Herzogin von Modena angegriffen wurde, störte den kaiserlichen Minister wenig, der be¬ kanntlich nicht die Borurtheile seiner Adepten theilte. Aber das Projekt weckte doch den Widerstand Frankreichs, das Oestreich nicht unbeschränkt in Italien kann herrschen lassen. Villölc beauftragte seinen Bevollmächtigten auf dem Congresse von Verona sich den ehrgeizigen Absichten des wiener Hofes entschieden zu widersetzen, Frankreich und Rußland näherten sich gegen Oestreich, und Kaiser Alexander vertrat entschieden die Rechte Karl Alberts. der nur einige Zeit auf Reisen ging. Metternich verfolgte seinen Plan noch mehrere Jahre, erlangte aber dabei so wenig Erfolge als bei den erneuerten Versuchen eines italienischen Fürstenbundes. Dagegen benutzte er die Anwesenheit der östreichischen Truppen in Neapel, um jenen Bertrag zu schließen, der den König verband in seinen Staaten niemals Institutionen einzuführen, welche mit denen des lombardisch- venetianischen Königreichs in Widerspruch stünden, der Vertrag über Piacenza von 1822 läßt dem Kaiser die Bestimmung der Zahl der östreichischen Truppen, die dort befindlichen herzoglichen stehen unter seinem Commando, die östrei¬ chischen Ingenieure verfügen frei über die Festungswerke. Nach diesen mißlungenen Bewegungen legte sich die Reaction in ihrer gan¬ zen bleiernen Schwere wieder über die Halbinsel und die innere Geschichte der italienischen Staaten bis 1830 bietet das unerfreulichste Bild harter Verfol¬ gungen und allgemeinen Darniederliegens des öffentlichen Geistes, zwar war die Reaction nicht gewaltsam blutig wie z. B. 1799 in Neapel; aber sie er- Grenzbotm III. 1660. 1 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/117>, abgerufen am 26.07.2024.