Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Geistliche und der Kirchner jenen mittelst einer Leiter. Die hölzernen Thüren
eines Schrankes wurden geöffnet, dann metallene, ein Vorhang von Goldstoff
Mückgeschlagen und von der Console an einem prachtvollen Krenz die riesige
Monstranz herabgenommen, in der sich die eiserne Krone befand. Es ist ein
mit vielen Edelsteinen besetzter goldener Reif mit Zacken, in dessen Jnnern
ein schmaler eiserner Draht mit Goldspangen befestigt ist. Da aber der letz¬
tere aus einem Nagel vom Kreuze Christi geschmiedet ist. so genießt die Krone
die höchste Verehrung. Deshalb knieten auch Alle nieder, als sie vorgezeigt
wurde, und. allein aufrecht, die protestantische Hauptperson zu sein, das
hat mir mehr Vergnügen gemacht als das Betrachten selbst. Man wollte die
Krone herausnehmen; ich leistete aber darauf Verzicht. Unmöglich kann mau
es aber unterlassen, die Köpfe Revue passiren zu lassen, welche jene trugen.
Für Agilolf. den Lombardenkönig, ließ sie 593 die Gemahlin Theodolinde
anfertigen, wonach sich das Geschenk Gregor des Großen, welcher 590 den
päpstlichen Stuhl bestieg, wol nur auf den heiligen Nagel reducirt. Dann
haben die Krone getragen Karl der Große. Napoleon. Ferdinand I. Ob sich
Franz Joseph, nach Herstellung einer Gesammtmonarchie hier krönen lassen
werde, wurde allgemein bezweifelt. Hübsch ist die Devise des gleichnamigen
Ordens: vieu me 1'a clormv, garo 5r yui 7 toueüöiÄ. Die Krönung fand
"brigcus nicht in Monza, sondern in Mailand statt, auch, so viel ich weiß,
nicht im Dom, sondern in Se. Ambrogio.

Als die Ceremonie zu Ende war. gab ich dem Geistlichen einen Kron-
thnler. den er irr cousxeew oirmium sehr unbefangen einsteckte; dagegen lehnte
der Guide, den ich später ebenfalls belohnen wollte, dieses auf das Ent¬
schiedenste ab. und das Wort ouors bedeutete mich, daß ihm an der Ehre mich
geführt zu haben, genügte. Allgemein bedauerte man, daß das Corps de.
Stabswache, zu Fuß und zu Pferd.'aufgelöst werden sollte: es bestand nur ans
Italienern, denen man bei der größten Brauchbarkeit volles Vertrauen hatte
schenken können. Dasselbe galt von der lediglich aus Eingeborenen bestehenden
wunderschönen Gendarmerie.

Der liebenswürdige Schloßkaplan führte mich nun in die ausgezeichneten
Treibhäuser; dann durchstrichen wir die nächsten Partien des Parks. Vor der
Trennung überraschte ich ihn mit der Frage: "Glauben Sie. mein Heu',
daß die Gestorbenen sehen und hören, was hier aus der Erde vorgeht?" Er
wich einer Antwort mit einer süßlichen Miene und leichtem Heben der Schul¬
tern aus. Ich fuhr fort: "Ich glaube es nicht; denn wenn Cicero, dem sie
"war den Himmel verschließen, aber doch eine Stelle im uno Mrum ein¬
räumen, wenn Marcus Tullius unsere lateinische Conversation gehört hätte,
so lüge er jetzt in Krümpfen." Der gute geistliche Herr lachte, daß ihm sein
dickes Bäuchlein schlitterte.


Geistliche und der Kirchner jenen mittelst einer Leiter. Die hölzernen Thüren
eines Schrankes wurden geöffnet, dann metallene, ein Vorhang von Goldstoff
Mückgeschlagen und von der Console an einem prachtvollen Krenz die riesige
Monstranz herabgenommen, in der sich die eiserne Krone befand. Es ist ein
mit vielen Edelsteinen besetzter goldener Reif mit Zacken, in dessen Jnnern
ein schmaler eiserner Draht mit Goldspangen befestigt ist. Da aber der letz¬
tere aus einem Nagel vom Kreuze Christi geschmiedet ist. so genießt die Krone
die höchste Verehrung. Deshalb knieten auch Alle nieder, als sie vorgezeigt
wurde, und. allein aufrecht, die protestantische Hauptperson zu sein, das
hat mir mehr Vergnügen gemacht als das Betrachten selbst. Man wollte die
Krone herausnehmen; ich leistete aber darauf Verzicht. Unmöglich kann mau
es aber unterlassen, die Köpfe Revue passiren zu lassen, welche jene trugen.
Für Agilolf. den Lombardenkönig, ließ sie 593 die Gemahlin Theodolinde
anfertigen, wonach sich das Geschenk Gregor des Großen, welcher 590 den
päpstlichen Stuhl bestieg, wol nur auf den heiligen Nagel reducirt. Dann
haben die Krone getragen Karl der Große. Napoleon. Ferdinand I. Ob sich
Franz Joseph, nach Herstellung einer Gesammtmonarchie hier krönen lassen
werde, wurde allgemein bezweifelt. Hübsch ist die Devise des gleichnamigen
Ordens: vieu me 1'a clormv, garo 5r yui 7 toueüöiÄ. Die Krönung fand
"brigcus nicht in Monza, sondern in Mailand statt, auch, so viel ich weiß,
nicht im Dom, sondern in Se. Ambrogio.

Als die Ceremonie zu Ende war. gab ich dem Geistlichen einen Kron-
thnler. den er irr cousxeew oirmium sehr unbefangen einsteckte; dagegen lehnte
der Guide, den ich später ebenfalls belohnen wollte, dieses auf das Ent¬
schiedenste ab. und das Wort ouors bedeutete mich, daß ihm an der Ehre mich
geführt zu haben, genügte. Allgemein bedauerte man, daß das Corps de.
Stabswache, zu Fuß und zu Pferd.'aufgelöst werden sollte: es bestand nur ans
Italienern, denen man bei der größten Brauchbarkeit volles Vertrauen hatte
schenken können. Dasselbe galt von der lediglich aus Eingeborenen bestehenden
wunderschönen Gendarmerie.

Der liebenswürdige Schloßkaplan führte mich nun in die ausgezeichneten
Treibhäuser; dann durchstrichen wir die nächsten Partien des Parks. Vor der
Trennung überraschte ich ihn mit der Frage: „Glauben Sie. mein Heu',
daß die Gestorbenen sehen und hören, was hier aus der Erde vorgeht?" Er
wich einer Antwort mit einer süßlichen Miene und leichtem Heben der Schul¬
tern aus. Ich fuhr fort: „Ich glaube es nicht; denn wenn Cicero, dem sie
»war den Himmel verschließen, aber doch eine Stelle im uno Mrum ein¬
räumen, wenn Marcus Tullius unsere lateinische Conversation gehört hätte,
so lüge er jetzt in Krümpfen." Der gute geistliche Herr lachte, daß ihm sein
dickes Bäuchlein schlitterte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108787"/>
          <p xml:id="ID_184" prev="#ID_183"> Geistliche und der Kirchner jenen mittelst einer Leiter. Die hölzernen Thüren<lb/>
eines Schrankes wurden geöffnet, dann metallene, ein Vorhang von Goldstoff<lb/>
Mückgeschlagen und von der Console an einem prachtvollen Krenz die riesige<lb/>
Monstranz herabgenommen, in der sich die eiserne Krone befand. Es ist ein<lb/>
mit vielen Edelsteinen besetzter goldener Reif mit Zacken, in dessen Jnnern<lb/>
ein schmaler eiserner Draht mit Goldspangen befestigt ist. Da aber der letz¬<lb/>
tere aus einem Nagel vom Kreuze Christi geschmiedet ist. so genießt die Krone<lb/>
die höchste Verehrung. Deshalb knieten auch Alle nieder, als sie vorgezeigt<lb/>
wurde, und. allein aufrecht, die protestantische Hauptperson zu sein, das<lb/>
hat mir mehr Vergnügen gemacht als das Betrachten selbst. Man wollte die<lb/>
Krone herausnehmen; ich leistete aber darauf Verzicht. Unmöglich kann mau<lb/>
es aber unterlassen, die Köpfe Revue passiren zu lassen, welche jene trugen.<lb/>
Für Agilolf. den Lombardenkönig, ließ sie 593 die Gemahlin Theodolinde<lb/>
anfertigen, wonach sich das Geschenk Gregor des Großen, welcher 590 den<lb/>
päpstlichen Stuhl bestieg, wol nur auf den heiligen Nagel reducirt. Dann<lb/>
haben die Krone getragen Karl der Große. Napoleon. Ferdinand I. Ob sich<lb/>
Franz Joseph, nach Herstellung einer Gesammtmonarchie hier krönen lassen<lb/>
werde, wurde allgemein bezweifelt. Hübsch ist die Devise des gleichnamigen<lb/>
Ordens: vieu me 1'a clormv, garo 5r yui 7 toueüöiÄ. Die Krönung fand<lb/>
"brigcus nicht in Monza, sondern in Mailand statt, auch, so viel ich weiß,<lb/>
nicht im Dom, sondern in Se. Ambrogio.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_185"> Als die Ceremonie zu Ende war. gab ich dem Geistlichen einen Kron-<lb/>
thnler. den er irr cousxeew oirmium sehr unbefangen einsteckte; dagegen lehnte<lb/>
der Guide, den ich später ebenfalls belohnen wollte, dieses auf das Ent¬<lb/>
schiedenste ab. und das Wort ouors bedeutete mich, daß ihm an der Ehre mich<lb/>
geführt zu haben, genügte. Allgemein bedauerte man, daß das Corps de.<lb/>
Stabswache, zu Fuß und zu Pferd.'aufgelöst werden sollte: es bestand nur ans<lb/>
Italienern, denen man bei der größten Brauchbarkeit volles Vertrauen hatte<lb/>
schenken können. Dasselbe galt von der lediglich aus Eingeborenen bestehenden<lb/>
wunderschönen Gendarmerie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_186"> Der liebenswürdige Schloßkaplan führte mich nun in die ausgezeichneten<lb/>
Treibhäuser; dann durchstrichen wir die nächsten Partien des Parks. Vor der<lb/>
Trennung überraschte ich ihn mit der Frage: &#x201E;Glauben Sie. mein Heu',<lb/>
daß die Gestorbenen sehen und hören, was hier aus der Erde vorgeht?" Er<lb/>
wich einer Antwort mit einer süßlichen Miene und leichtem Heben der Schul¬<lb/>
tern aus. Ich fuhr fort: &#x201E;Ich glaube es nicht; denn wenn Cicero, dem sie<lb/>
»war den Himmel verschließen, aber doch eine Stelle im uno Mrum ein¬<lb/>
räumen, wenn Marcus Tullius unsere lateinische Conversation gehört hätte,<lb/>
so lüge er jetzt in Krümpfen." Der gute geistliche Herr lachte, daß ihm sein<lb/>
dickes Bäuchlein schlitterte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] Geistliche und der Kirchner jenen mittelst einer Leiter. Die hölzernen Thüren eines Schrankes wurden geöffnet, dann metallene, ein Vorhang von Goldstoff Mückgeschlagen und von der Console an einem prachtvollen Krenz die riesige Monstranz herabgenommen, in der sich die eiserne Krone befand. Es ist ein mit vielen Edelsteinen besetzter goldener Reif mit Zacken, in dessen Jnnern ein schmaler eiserner Draht mit Goldspangen befestigt ist. Da aber der letz¬ tere aus einem Nagel vom Kreuze Christi geschmiedet ist. so genießt die Krone die höchste Verehrung. Deshalb knieten auch Alle nieder, als sie vorgezeigt wurde, und. allein aufrecht, die protestantische Hauptperson zu sein, das hat mir mehr Vergnügen gemacht als das Betrachten selbst. Man wollte die Krone herausnehmen; ich leistete aber darauf Verzicht. Unmöglich kann mau es aber unterlassen, die Köpfe Revue passiren zu lassen, welche jene trugen. Für Agilolf. den Lombardenkönig, ließ sie 593 die Gemahlin Theodolinde anfertigen, wonach sich das Geschenk Gregor des Großen, welcher 590 den päpstlichen Stuhl bestieg, wol nur auf den heiligen Nagel reducirt. Dann haben die Krone getragen Karl der Große. Napoleon. Ferdinand I. Ob sich Franz Joseph, nach Herstellung einer Gesammtmonarchie hier krönen lassen werde, wurde allgemein bezweifelt. Hübsch ist die Devise des gleichnamigen Ordens: vieu me 1'a clormv, garo 5r yui 7 toueüöiÄ. Die Krönung fand "brigcus nicht in Monza, sondern in Mailand statt, auch, so viel ich weiß, nicht im Dom, sondern in Se. Ambrogio. Als die Ceremonie zu Ende war. gab ich dem Geistlichen einen Kron- thnler. den er irr cousxeew oirmium sehr unbefangen einsteckte; dagegen lehnte der Guide, den ich später ebenfalls belohnen wollte, dieses auf das Ent¬ schiedenste ab. und das Wort ouors bedeutete mich, daß ihm an der Ehre mich geführt zu haben, genügte. Allgemein bedauerte man, daß das Corps de. Stabswache, zu Fuß und zu Pferd.'aufgelöst werden sollte: es bestand nur ans Italienern, denen man bei der größten Brauchbarkeit volles Vertrauen hatte schenken können. Dasselbe galt von der lediglich aus Eingeborenen bestehenden wunderschönen Gendarmerie. Der liebenswürdige Schloßkaplan führte mich nun in die ausgezeichneten Treibhäuser; dann durchstrichen wir die nächsten Partien des Parks. Vor der Trennung überraschte ich ihn mit der Frage: „Glauben Sie. mein Heu', daß die Gestorbenen sehen und hören, was hier aus der Erde vorgeht?" Er wich einer Antwort mit einer süßlichen Miene und leichtem Heben der Schul¬ tern aus. Ich fuhr fort: „Ich glaube es nicht; denn wenn Cicero, dem sie »war den Himmel verschließen, aber doch eine Stelle im uno Mrum ein¬ räumen, wenn Marcus Tullius unsere lateinische Conversation gehört hätte, so lüge er jetzt in Krümpfen." Der gute geistliche Herr lachte, daß ihm sein dickes Bäuchlein schlitterte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/65>, abgerufen am 23.07.2024.