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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Da kommt der Prinz -- ich hab' ihn so lieb gehabt -- und verschwört sich
hier in meine Hand, er wolle nun mit uns gehen und das dumme Zeug sein
lassen. Aber hat er es wol gethan?!" Hier nahm er mich bei der Hand und
führte mich in seiner Lebendigkeit in eine Ecke des Saals. Ganz leise, als
wenn wir Zeugen gehabt hätten, sagte er: "So ganz müssen Sie das aber
auch nicht glauben. Meinen Sie, wir hätten uns damals die Franzosen auf
den Hals laden wollen, denen sich die allzusehr gehetzten Piemontesen in die
Arme werfen mußten? Jene lauerten nur darauf, sich Savoyen zuzueignen."

Als ich Veranlassung nahm der Anerkennung zu gedenken, welche die
vortreffliche italienische Armee überall, vorzüglich bei uns, gesunden, da faltete
er die Hände, blickte nach Oben und sagte: "Ja, ja, sie sind gut, meine Sol-
daten; da hätten Sie sehen sollen, wie sich die gerauft haben." Ich muß
bemerken, daß hier überall raufen für schlagen gebraucht wird.

Auf die Engländer, namentlich auf Lord Palmerston, war der Mar¬
schall sehr übel zu sprechen. Wo man in Italien die revolutionären Fäden
verfolge, da finde man sicher im Centrum des Netzes einen englischen Agenten.
Kürzlich habe man aber einige dieser "Cujons" bei den Ohren gekriegt, und
er habe sich gar nicht genirt, sie tüchtig unter die Presse bringen zu lassen, so
daß man jetzt durchaus über alle diese Umtriebe an ka.it, sei. In dem Munde
des Marschalls, der die Milde selbst war, will das "unter die Presse bringen"
freilich nicht viel bedeuten.

Dann ging er die übrigen Großmächte durch, was durchaus den Charak¬
ter eines lauten Denkens hatte: "Mit den Franzosen geht es allernächst wie¬
der los, England kennt nichts als sein Handelsinteresse, und die Russen, nun
ja, das sind unsere theueren Freunde; aber, hören Sie mal, lieben thun
wir uns untereinander gar nicht. Unsere wahren Alliirten sind die Preußen,
wir haben ja einen Beruf, eine Pflicht, Ordnung zu erhalten, das Gesetz
M Wahren, die Throne unserer Herrscher zu stützen. Und' das sage ich Ihnen,
wenn wir uns im vorigen Herbst, zum besonderen Vergnügen der Demokraten,
bei den Ohren gekriegt hätten, es wäre der Nagel zu meinem Sarge ge¬
wesen."

Als ich erwiderte, daß wir sehr wohl wüßten, und es dankbar aner¬
kennten, wie der Marschall in Wien gesprochen, da nahm mich der liebe alte
Herr, mit Thränen im Auge, beim Kopfe und küßte mich. Ob wohl meine
Augen trocken blieben?! -- "Aber Excellenz! ich meine, es wäre ein tüchtiger
Kampf geworden, nicht um Union oder Bundestag, aber um das Höchste, für
das Vaterland und die Soldaten ehre!"

Die östreichischen Kameraden aus des Marschalls Umgebung in Kissingen
hatten mich versichert, wie entschieden gut der Marschall für Preußen gesinnt
sei, und daß ich lediglich als Preuße die beste Aufnahme finden werde, Es


7*

Da kommt der Prinz — ich hab' ihn so lieb gehabt — und verschwört sich
hier in meine Hand, er wolle nun mit uns gehen und das dumme Zeug sein
lassen. Aber hat er es wol gethan?!" Hier nahm er mich bei der Hand und
führte mich in seiner Lebendigkeit in eine Ecke des Saals. Ganz leise, als
wenn wir Zeugen gehabt hätten, sagte er: „So ganz müssen Sie das aber
auch nicht glauben. Meinen Sie, wir hätten uns damals die Franzosen auf
den Hals laden wollen, denen sich die allzusehr gehetzten Piemontesen in die
Arme werfen mußten? Jene lauerten nur darauf, sich Savoyen zuzueignen."

Als ich Veranlassung nahm der Anerkennung zu gedenken, welche die
vortreffliche italienische Armee überall, vorzüglich bei uns, gesunden, da faltete
er die Hände, blickte nach Oben und sagte: „Ja, ja, sie sind gut, meine Sol-
daten; da hätten Sie sehen sollen, wie sich die gerauft haben." Ich muß
bemerken, daß hier überall raufen für schlagen gebraucht wird.

Auf die Engländer, namentlich auf Lord Palmerston, war der Mar¬
schall sehr übel zu sprechen. Wo man in Italien die revolutionären Fäden
verfolge, da finde man sicher im Centrum des Netzes einen englischen Agenten.
Kürzlich habe man aber einige dieser „Cujons" bei den Ohren gekriegt, und
er habe sich gar nicht genirt, sie tüchtig unter die Presse bringen zu lassen, so
daß man jetzt durchaus über alle diese Umtriebe an ka.it, sei. In dem Munde
des Marschalls, der die Milde selbst war, will das „unter die Presse bringen"
freilich nicht viel bedeuten.

Dann ging er die übrigen Großmächte durch, was durchaus den Charak¬
ter eines lauten Denkens hatte: „Mit den Franzosen geht es allernächst wie¬
der los, England kennt nichts als sein Handelsinteresse, und die Russen, nun
ja, das sind unsere theueren Freunde; aber, hören Sie mal, lieben thun
wir uns untereinander gar nicht. Unsere wahren Alliirten sind die Preußen,
wir haben ja einen Beruf, eine Pflicht, Ordnung zu erhalten, das Gesetz
M Wahren, die Throne unserer Herrscher zu stützen. Und' das sage ich Ihnen,
wenn wir uns im vorigen Herbst, zum besonderen Vergnügen der Demokraten,
bei den Ohren gekriegt hätten, es wäre der Nagel zu meinem Sarge ge¬
wesen."

Als ich erwiderte, daß wir sehr wohl wüßten, und es dankbar aner¬
kennten, wie der Marschall in Wien gesprochen, da nahm mich der liebe alte
Herr, mit Thränen im Auge, beim Kopfe und küßte mich. Ob wohl meine
Augen trocken blieben?! — „Aber Excellenz! ich meine, es wäre ein tüchtiger
Kampf geworden, nicht um Union oder Bundestag, aber um das Höchste, für
das Vaterland und die Soldaten ehre!"

Die östreichischen Kameraden aus des Marschalls Umgebung in Kissingen
hatten mich versichert, wie entschieden gut der Marschall für Preußen gesinnt
sei, und daß ich lediglich als Preuße die beste Aufnahme finden werde, Es


7*
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/63>, abgerufen am 23.07.2024.