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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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B.-V. über die einzelnen streitigen Paragraphen der Verfassung, wenn er
nicht der ständischen Erklärung ganz beistimme, die Einigung kaum näher
rücken und eine Vermittlung eher erschweren als erleichtern.

Die Regierung von Baiern, Württemberg, Lichtenstein, Reuß,
Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck. Hessen-Homburg stimmten ohne
nähere Angabe der Gründe einfach für die Zurückverweisung an den Ausschuß,
und zwar Baiern mit dem etwas orakelhasten Motiv: "nachdem tief eingreifende
Einwendungen gegen die Anträge des Ausschusses erhoben worden" seien. Der
Gesandte der Niederlande war noch nicht instruirt. Von Dänemark wollen
wir zuletzt sprechen.

Preußen hat in der Mittheilung der kurhcsfischen Regierung nicht die
Bürgschaften für eine beruhigende definitive Erledigung der Berfassungs-
cmgelcgenheit finden können, die der Bundesbcschluß von 1852 voraussetze, und
glaubt nicht, daß die vom Ausschuß vorgeschlagenen einzelnen Modificationen
die tiefern und grundgesetzlichcn Bedenken beseitigen können, welche gegen die
bundesrechtlichcn Grundlagen der bisherigen Behandlung der Frage entstanden
sind. Durch wiederholte Prüfung und die in den letzten sieben Jahren über
die Entwicklung der Angelegenheit gewonnenen Erfahrung ist die preußische
Regierung zu der Ansicht gelangt, daß der Zweck der Intervention des Bun¬
des durch die 1852 publicirte Verfassung nicht erreicht werden könne. Sie
findet den nur provisorischen Zustand der durch den Bundesbeschluß von 1852
geschaffenen Zustände, auch abgesehen von der principiellen Frage, schon durch
die uur vorläufig und im Allgemeinen ertheilte Billigung und die Forderung
der spätern Wiedervorlegung der revidirten Verfassung bezeichnet, und sieht
deßhalb die 1852 außer Wirksamkeit gesetzte, in ihrem rechtlichen Bestand aber
nicht definitiv ausgehobene Verfassung von 1831 als die rechtliche Grundlage
der weiteren Entwicklung an, erachtet es nicht für unmöglich, einzelne den
Bundcsgrundgesetzen widersprechende Bestimmungen in derselben zu bezeichnen
und vom übrigen Inhalt zu trennen, und hält es demnach für den allein zu
jener definitiven Beruhigung führenden Weg, daß der provisorische Zwischen-
zustand auf ordnungsmäßige Weise wieder aufgehoben und die Verfassung von
1831 wieder in Wirksamkeit gesetzt, gleichzeitig aber die bundeswidrigen Be¬
stimmungen derselben auf einem der Verfassung wie dem Bundesrecht ent¬
sprechenden Weg aus ihr entfernt werden.

Mit Preußen stimmen im Wesentlichen überein Sachsen-Weimar-Eise¬
nach, Sachsen-Coburg-Gotha und die freien Städte, indem die beiden
ersten noch schärfer aussprechen, daß die Verfassung von 1852 nicht auf verfassungs¬
mäßige Weise entstanden, die von 1831 nebst den Gesetzen, welche auf dem
durch diese Verfassung vorgezeichneten Wege "unzweifelhaft rechtsgiltig" ent¬
standen seien, wieder in Wirksamkeit zu setzen sei, und der Ausschuß diejenigen


B.-V. über die einzelnen streitigen Paragraphen der Verfassung, wenn er
nicht der ständischen Erklärung ganz beistimme, die Einigung kaum näher
rücken und eine Vermittlung eher erschweren als erleichtern.

Die Regierung von Baiern, Württemberg, Lichtenstein, Reuß,
Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck. Hessen-Homburg stimmten ohne
nähere Angabe der Gründe einfach für die Zurückverweisung an den Ausschuß,
und zwar Baiern mit dem etwas orakelhasten Motiv: „nachdem tief eingreifende
Einwendungen gegen die Anträge des Ausschusses erhoben worden" seien. Der
Gesandte der Niederlande war noch nicht instruirt. Von Dänemark wollen
wir zuletzt sprechen.

Preußen hat in der Mittheilung der kurhcsfischen Regierung nicht die
Bürgschaften für eine beruhigende definitive Erledigung der Berfassungs-
cmgelcgenheit finden können, die der Bundesbcschluß von 1852 voraussetze, und
glaubt nicht, daß die vom Ausschuß vorgeschlagenen einzelnen Modificationen
die tiefern und grundgesetzlichcn Bedenken beseitigen können, welche gegen die
bundesrechtlichcn Grundlagen der bisherigen Behandlung der Frage entstanden
sind. Durch wiederholte Prüfung und die in den letzten sieben Jahren über
die Entwicklung der Angelegenheit gewonnenen Erfahrung ist die preußische
Regierung zu der Ansicht gelangt, daß der Zweck der Intervention des Bun¬
des durch die 1852 publicirte Verfassung nicht erreicht werden könne. Sie
findet den nur provisorischen Zustand der durch den Bundesbeschluß von 1852
geschaffenen Zustände, auch abgesehen von der principiellen Frage, schon durch
die uur vorläufig und im Allgemeinen ertheilte Billigung und die Forderung
der spätern Wiedervorlegung der revidirten Verfassung bezeichnet, und sieht
deßhalb die 1852 außer Wirksamkeit gesetzte, in ihrem rechtlichen Bestand aber
nicht definitiv ausgehobene Verfassung von 1831 als die rechtliche Grundlage
der weiteren Entwicklung an, erachtet es nicht für unmöglich, einzelne den
Bundcsgrundgesetzen widersprechende Bestimmungen in derselben zu bezeichnen
und vom übrigen Inhalt zu trennen, und hält es demnach für den allein zu
jener definitiven Beruhigung führenden Weg, daß der provisorische Zwischen-
zustand auf ordnungsmäßige Weise wieder aufgehoben und die Verfassung von
1831 wieder in Wirksamkeit gesetzt, gleichzeitig aber die bundeswidrigen Be¬
stimmungen derselben auf einem der Verfassung wie dem Bundesrecht ent¬
sprechenden Weg aus ihr entfernt werden.

Mit Preußen stimmen im Wesentlichen überein Sachsen-Weimar-Eise¬
nach, Sachsen-Coburg-Gotha und die freien Städte, indem die beiden
ersten noch schärfer aussprechen, daß die Verfassung von 1852 nicht auf verfassungs¬
mäßige Weise entstanden, die von 1831 nebst den Gesetzen, welche auf dem
durch diese Verfassung vorgezeichneten Wege „unzweifelhaft rechtsgiltig" ent¬
standen seien, wieder in Wirksamkeit zu setzen sei, und der Ausschuß diejenigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/58>, abgerufen am 05.02.2025.