Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bekommt. Als wir auf der Fahrt nach Amerika eines Abends, wo der Mond
hell schien, auf dem Verdeck eingeschlafen waren, weckte uns ein holländischer
Matrose, "damit wir nicht blind würden." Schwängerung un Mondschein,
heißt es in der Oberpfalz, hat mordsüchtige Kinder zur Folge. Endlich soll
der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulnis; des. Fleisch es und der
Fische befördern, die Barbiermesser stumpf machen. Der Montag gilt in den
verschiedensten Strichen Deutschlands für einen Unglückstag. im Lauenburgischen,
weil das an ihm Begonnene "nicht wochenalt wird", im Altenburgischen,
weil man das Glück für die Woche mit weggibt, wenn man an ihm etwas ver¬
leiht oder großes Geld ausgibt, am Rhein, weil die Mägde, die an ihm
einen Dienst antreten, viel zerbrechen oder bald wieder abziehen. Andere
hierher gehörige Regeln führt Grässe (des deutschen Landmanns Practica S.
199) an: Man darf Montags beim Kauf nichts schuldig bleiben, keinen Strumpf
links anziehen, sich beim Nachbar kein Feuer holen und ebenso keinem, der
solches holen will, dasselbe geben. Wer Montags in eine fremde Wohnung
kommt und darin nicht ausruht, der nimmt den Leuten die Ruhe mit weg,
oder macht, daß der Mann die Frau prügelt. Einiges hiervon bezieht sich
darauf, daß das Volk den Montag als ersten, nicht, wie die Kirche will, als
zweiten Tag der Woche auffaßt, das meiste aber steht in Beziehung zu dem
Tage, der nach dem Mond genannt ist.

Zahlreicher als diese Behauptungen vom Mond im Allgemeinen sind die Re¬
geln des Aberglaubens, welche sich auf seine Phasen beziehen. Die Haare
muß man sich in Tirol bei abnehmendem, im ganzen übrigen Deutschland da¬
gegen bei zunehmendem Monde verschneiden lassen, Eier im ersten Viertel
gelegt, sind gut zur Speise und zum Erzielen junger Brut; die aus dem letzten
Viertel dienen nicht zur Zucht. Alles Schlachtvieh und ebenso Krebse, Muscheln
und Austern sollen im Vollmond fetter sein. Kinder müssen während derselben
Phase entwöhnt werden, da sie dann besonders gedeihen; desgleichen soll man
in dieser Zeit die Kälber absetzen. Kürbisse sollen drei Tage vor dem vollen
Mond gesteckt werden, weil sie dann eine besondere Größe erlangen. Getreide
muß man (in Tirol wird der Roggen ausgenommen) nach allgemeinem Glau¬
ben bei zunehmendem Mond säen, bei abnehmendem Mond dagegen Erbsen
und Buchweizen, weil diese sonst zu lange blühen (in Westpreußen und der
Mark) ebenso alles das. was seine Frucht unter der Erde ansetzt, z. B. Kar¬
toffeln, Rüben und Möhren; wer letzteres nicht beobachtet, hat zu befürchten, daß
die Kraft dieser Gewächse zu sehr in das Kraut geht. Bracher soll man (in
Tirol), wenn "der Mond unter der Erde ist." Eine Bauernregel lautet:


bekommt. Als wir auf der Fahrt nach Amerika eines Abends, wo der Mond
hell schien, auf dem Verdeck eingeschlafen waren, weckte uns ein holländischer
Matrose, „damit wir nicht blind würden." Schwängerung un Mondschein,
heißt es in der Oberpfalz, hat mordsüchtige Kinder zur Folge. Endlich soll
der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulnis; des. Fleisch es und der
Fische befördern, die Barbiermesser stumpf machen. Der Montag gilt in den
verschiedensten Strichen Deutschlands für einen Unglückstag. im Lauenburgischen,
weil das an ihm Begonnene „nicht wochenalt wird", im Altenburgischen,
weil man das Glück für die Woche mit weggibt, wenn man an ihm etwas ver¬
leiht oder großes Geld ausgibt, am Rhein, weil die Mägde, die an ihm
einen Dienst antreten, viel zerbrechen oder bald wieder abziehen. Andere
hierher gehörige Regeln führt Grässe (des deutschen Landmanns Practica S.
199) an: Man darf Montags beim Kauf nichts schuldig bleiben, keinen Strumpf
links anziehen, sich beim Nachbar kein Feuer holen und ebenso keinem, der
solches holen will, dasselbe geben. Wer Montags in eine fremde Wohnung
kommt und darin nicht ausruht, der nimmt den Leuten die Ruhe mit weg,
oder macht, daß der Mann die Frau prügelt. Einiges hiervon bezieht sich
darauf, daß das Volk den Montag als ersten, nicht, wie die Kirche will, als
zweiten Tag der Woche auffaßt, das meiste aber steht in Beziehung zu dem
Tage, der nach dem Mond genannt ist.

Zahlreicher als diese Behauptungen vom Mond im Allgemeinen sind die Re¬
geln des Aberglaubens, welche sich auf seine Phasen beziehen. Die Haare
muß man sich in Tirol bei abnehmendem, im ganzen übrigen Deutschland da¬
gegen bei zunehmendem Monde verschneiden lassen, Eier im ersten Viertel
gelegt, sind gut zur Speise und zum Erzielen junger Brut; die aus dem letzten
Viertel dienen nicht zur Zucht. Alles Schlachtvieh und ebenso Krebse, Muscheln
und Austern sollen im Vollmond fetter sein. Kinder müssen während derselben
Phase entwöhnt werden, da sie dann besonders gedeihen; desgleichen soll man
in dieser Zeit die Kälber absetzen. Kürbisse sollen drei Tage vor dem vollen
Mond gesteckt werden, weil sie dann eine besondere Größe erlangen. Getreide
muß man (in Tirol wird der Roggen ausgenommen) nach allgemeinem Glau¬
ben bei zunehmendem Mond säen, bei abnehmendem Mond dagegen Erbsen
und Buchweizen, weil diese sonst zu lange blühen (in Westpreußen und der
Mark) ebenso alles das. was seine Frucht unter der Erde ansetzt, z. B. Kar¬
toffeln, Rüben und Möhren; wer letzteres nicht beobachtet, hat zu befürchten, daß
die Kraft dieser Gewächse zu sehr in das Kraut geht. Bracher soll man (in
Tirol), wenn „der Mond unter der Erde ist." Eine Bauernregel lautet:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109232"/>
          <p xml:id="ID_1474" prev="#ID_1473"> bekommt. Als wir auf der Fahrt nach Amerika eines Abends, wo der Mond<lb/>
hell schien, auf dem Verdeck eingeschlafen waren, weckte uns ein holländischer<lb/>
Matrose, &#x201E;damit wir nicht blind würden." Schwängerung un Mondschein,<lb/>
heißt es in der Oberpfalz, hat mordsüchtige Kinder zur Folge. Endlich soll<lb/>
der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulnis; des. Fleisch es und der<lb/>
Fische befördern, die Barbiermesser stumpf machen. Der Montag gilt in den<lb/>
verschiedensten Strichen Deutschlands für einen Unglückstag. im Lauenburgischen,<lb/>
weil das an ihm Begonnene &#x201E;nicht wochenalt wird", im Altenburgischen,<lb/>
weil man das Glück für die Woche mit weggibt, wenn man an ihm etwas ver¬<lb/>
leiht oder großes Geld ausgibt, am Rhein, weil die Mägde, die an ihm<lb/>
einen Dienst antreten, viel zerbrechen oder bald wieder abziehen. Andere<lb/>
hierher gehörige Regeln führt Grässe (des deutschen Landmanns Practica S.<lb/>
199) an: Man darf Montags beim Kauf nichts schuldig bleiben, keinen Strumpf<lb/>
links anziehen, sich beim Nachbar kein Feuer holen und ebenso keinem, der<lb/>
solches holen will, dasselbe geben. Wer Montags in eine fremde Wohnung<lb/>
kommt und darin nicht ausruht, der nimmt den Leuten die Ruhe mit weg,<lb/>
oder macht, daß der Mann die Frau prügelt. Einiges hiervon bezieht sich<lb/>
darauf, daß das Volk den Montag als ersten, nicht, wie die Kirche will, als<lb/>
zweiten Tag der Woche auffaßt, das meiste aber steht in Beziehung zu dem<lb/>
Tage, der nach dem Mond genannt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1475"> Zahlreicher als diese Behauptungen vom Mond im Allgemeinen sind die Re¬<lb/>
geln des Aberglaubens, welche sich auf seine Phasen beziehen. Die Haare<lb/>
muß man sich in Tirol bei abnehmendem, im ganzen übrigen Deutschland da¬<lb/>
gegen bei zunehmendem Monde verschneiden lassen, Eier im ersten Viertel<lb/>
gelegt, sind gut zur Speise und zum Erzielen junger Brut; die aus dem letzten<lb/>
Viertel dienen nicht zur Zucht. Alles Schlachtvieh und ebenso Krebse, Muscheln<lb/>
und Austern sollen im Vollmond fetter sein. Kinder müssen während derselben<lb/>
Phase entwöhnt werden, da sie dann besonders gedeihen; desgleichen soll man<lb/>
in dieser Zeit die Kälber absetzen. Kürbisse sollen drei Tage vor dem vollen<lb/>
Mond gesteckt werden, weil sie dann eine besondere Größe erlangen. Getreide<lb/>
muß man (in Tirol wird der Roggen ausgenommen) nach allgemeinem Glau¬<lb/>
ben bei zunehmendem Mond säen, bei abnehmendem Mond dagegen Erbsen<lb/>
und Buchweizen, weil diese sonst zu lange blühen (in Westpreußen und der<lb/>
Mark) ebenso alles das. was seine Frucht unter der Erde ansetzt, z. B. Kar¬<lb/>
toffeln, Rüben und Möhren; wer letzteres nicht beobachtet, hat zu befürchten, daß<lb/>
die Kraft dieser Gewächse zu sehr in das Kraut geht. Bracher soll man (in<lb/>
Tirol), wenn &#x201E;der Mond unter der Erde ist."  Eine Bauernregel lautet:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_10" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0510] bekommt. Als wir auf der Fahrt nach Amerika eines Abends, wo der Mond hell schien, auf dem Verdeck eingeschlafen waren, weckte uns ein holländischer Matrose, „damit wir nicht blind würden." Schwängerung un Mondschein, heißt es in der Oberpfalz, hat mordsüchtige Kinder zur Folge. Endlich soll der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulnis; des. Fleisch es und der Fische befördern, die Barbiermesser stumpf machen. Der Montag gilt in den verschiedensten Strichen Deutschlands für einen Unglückstag. im Lauenburgischen, weil das an ihm Begonnene „nicht wochenalt wird", im Altenburgischen, weil man das Glück für die Woche mit weggibt, wenn man an ihm etwas ver¬ leiht oder großes Geld ausgibt, am Rhein, weil die Mägde, die an ihm einen Dienst antreten, viel zerbrechen oder bald wieder abziehen. Andere hierher gehörige Regeln führt Grässe (des deutschen Landmanns Practica S. 199) an: Man darf Montags beim Kauf nichts schuldig bleiben, keinen Strumpf links anziehen, sich beim Nachbar kein Feuer holen und ebenso keinem, der solches holen will, dasselbe geben. Wer Montags in eine fremde Wohnung kommt und darin nicht ausruht, der nimmt den Leuten die Ruhe mit weg, oder macht, daß der Mann die Frau prügelt. Einiges hiervon bezieht sich darauf, daß das Volk den Montag als ersten, nicht, wie die Kirche will, als zweiten Tag der Woche auffaßt, das meiste aber steht in Beziehung zu dem Tage, der nach dem Mond genannt ist. Zahlreicher als diese Behauptungen vom Mond im Allgemeinen sind die Re¬ geln des Aberglaubens, welche sich auf seine Phasen beziehen. Die Haare muß man sich in Tirol bei abnehmendem, im ganzen übrigen Deutschland da¬ gegen bei zunehmendem Monde verschneiden lassen, Eier im ersten Viertel gelegt, sind gut zur Speise und zum Erzielen junger Brut; die aus dem letzten Viertel dienen nicht zur Zucht. Alles Schlachtvieh und ebenso Krebse, Muscheln und Austern sollen im Vollmond fetter sein. Kinder müssen während derselben Phase entwöhnt werden, da sie dann besonders gedeihen; desgleichen soll man in dieser Zeit die Kälber absetzen. Kürbisse sollen drei Tage vor dem vollen Mond gesteckt werden, weil sie dann eine besondere Größe erlangen. Getreide muß man (in Tirol wird der Roggen ausgenommen) nach allgemeinem Glau¬ ben bei zunehmendem Mond säen, bei abnehmendem Mond dagegen Erbsen und Buchweizen, weil diese sonst zu lange blühen (in Westpreußen und der Mark) ebenso alles das. was seine Frucht unter der Erde ansetzt, z. B. Kar¬ toffeln, Rüben und Möhren; wer letzteres nicht beobachtet, hat zu befürchten, daß die Kraft dieser Gewächse zu sehr in das Kraut geht. Bracher soll man (in Tirol), wenn „der Mond unter der Erde ist." Eine Bauernregel lautet:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/510
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/510>, abgerufen am 23.07.2024.