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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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so wird der Herr aussteigen. Ihr haltet die Pferde und seht Euch nicht eher
um. als bis sich ein schwarzer Hund zu Euch gesellt. Der wird Euch, nach¬
dem Ihr gesehen, was Eurem Herrn geschieht, nach Hause führen." So
geschah es denn auch, da der Bauer einwilligen mußte, weil er sonst seine
Pferde nicht wieder heimbekvmmen hätte. Am folgenden Morgen stieg der
Herr in den Wagen, der Teufel machte den Fuhrmann, der Bauer stellte sich
als Bedienter hinten auf und fort flog die Kutsche wie vom Winde gezogen.
So kamen sie endlich über neun Grenzen nach einer großen kahlen Wiese.
Hier hielt der Teufel an, der Herr stieg aus und der Bauer wandte sogleich
den Wage" um. Als der Hund erschien, blickte er sich um, und statt der
Wiese sah er nichts als dicken Rauch und Qualm. Entsetzt sprang er in den
Wagen und fuhr, dem Hunde folgend, nach Hause. Der böse Edelmann aber
mußte in der Hölle bleiben.

In einem Dorfe war ein Mädchen, Namens Käthe, das ebenso boshaft
als tanzlustig war. Die Folge jener Eigenschaft war, daß Niemand etwas
mit ihr zu thun haben, am wenigsten mit ihr tanzen wollte, und wenn sie
den Dudelsackspfeifer selber bezahlt Hütte. Dennoch stellte sie sich zu jedem
Tanze ein. So war sie an die vierzig Jahr alt geworden, ohne jemals mit
ins Rad gezogen worden zu sein. Da dachte sie einst: "Bin schon so alt
und habe noch nie getanzt. Daß doch der Teufel käme und mit mir eins
tanzte!" Der Wunsch war kaum heraus, so war ein grüner Jäger da, der
sich zu ihr setzte, ihr einschenken ließ und sie zu einem Solo aufzog. Sie
tanzte den ganzen Abend mit ihm und hatte noch nicht genug. "Könnt ich
doch all mein Lebtag so wie heute mit Euch tanzen," sagte sie beim Nach-
Hausegehen. "Das kann sein." antwortete der Grüne, "Du brauchst Dich
mir bloß an den Hals zu hängen." Käthe that's. Da verwandelte sich der
Jäger plötzlich in den Teufel und flog mit ihr geradewegs zur Hölle. Dort
wollten ihm seine Kollegen das Mädchen abnehmen, sie aber hielt fest wie
eine Zange, und so mußte er sich mit ihr um den Hals zum Oberteufel ver¬
fügen. Hier klagte er seine Noth: es habe ihn gedauert, daß sie keinen Tänzer
bekommen, so habe er sie zu trösten versucht und ihr zum Schluß einmal die
Hölle zeigen wollen. Nun aber wolle sie ihn nicht loslassen. Lucifer nannte
ihn einen Dummkopf. Er hätte sich vorsehen sollen. Jetzt möge er nur auf
die Welt zurückkehren und versuchen, wie er sie los würde. Verdrießlich trabte
der Teufel zurück, aber was er auch that, was er versprach, wie er schimpfte.
Käthe blieb ihm auf dem Halse. Da fand er endlich, aufs äußerste erschöpft,
auf einer Wiese einen Schäfer in einem großen Pelze, den er bat. ihm seine
Last ein Stückchen abzunehmen. Der Schäfer willigte ein. ließ Kälber sich
an den Pelz hängen und trug sie bis zu einem Teich, wo er den Pelz leise
aufknüpfte und ihn mit der Jungfer plötzlich ins Wasser plumpen ließ. Dafür


so wird der Herr aussteigen. Ihr haltet die Pferde und seht Euch nicht eher
um. als bis sich ein schwarzer Hund zu Euch gesellt. Der wird Euch, nach¬
dem Ihr gesehen, was Eurem Herrn geschieht, nach Hause führen." So
geschah es denn auch, da der Bauer einwilligen mußte, weil er sonst seine
Pferde nicht wieder heimbekvmmen hätte. Am folgenden Morgen stieg der
Herr in den Wagen, der Teufel machte den Fuhrmann, der Bauer stellte sich
als Bedienter hinten auf und fort flog die Kutsche wie vom Winde gezogen.
So kamen sie endlich über neun Grenzen nach einer großen kahlen Wiese.
Hier hielt der Teufel an, der Herr stieg aus und der Bauer wandte sogleich
den Wage» um. Als der Hund erschien, blickte er sich um, und statt der
Wiese sah er nichts als dicken Rauch und Qualm. Entsetzt sprang er in den
Wagen und fuhr, dem Hunde folgend, nach Hause. Der böse Edelmann aber
mußte in der Hölle bleiben.

In einem Dorfe war ein Mädchen, Namens Käthe, das ebenso boshaft
als tanzlustig war. Die Folge jener Eigenschaft war, daß Niemand etwas
mit ihr zu thun haben, am wenigsten mit ihr tanzen wollte, und wenn sie
den Dudelsackspfeifer selber bezahlt Hütte. Dennoch stellte sie sich zu jedem
Tanze ein. So war sie an die vierzig Jahr alt geworden, ohne jemals mit
ins Rad gezogen worden zu sein. Da dachte sie einst: „Bin schon so alt
und habe noch nie getanzt. Daß doch der Teufel käme und mit mir eins
tanzte!" Der Wunsch war kaum heraus, so war ein grüner Jäger da, der
sich zu ihr setzte, ihr einschenken ließ und sie zu einem Solo aufzog. Sie
tanzte den ganzen Abend mit ihm und hatte noch nicht genug. „Könnt ich
doch all mein Lebtag so wie heute mit Euch tanzen," sagte sie beim Nach-
Hausegehen. „Das kann sein." antwortete der Grüne, „Du brauchst Dich
mir bloß an den Hals zu hängen." Käthe that's. Da verwandelte sich der
Jäger plötzlich in den Teufel und flog mit ihr geradewegs zur Hölle. Dort
wollten ihm seine Kollegen das Mädchen abnehmen, sie aber hielt fest wie
eine Zange, und so mußte er sich mit ihr um den Hals zum Oberteufel ver¬
fügen. Hier klagte er seine Noth: es habe ihn gedauert, daß sie keinen Tänzer
bekommen, so habe er sie zu trösten versucht und ihr zum Schluß einmal die
Hölle zeigen wollen. Nun aber wolle sie ihn nicht loslassen. Lucifer nannte
ihn einen Dummkopf. Er hätte sich vorsehen sollen. Jetzt möge er nur auf
die Welt zurückkehren und versuchen, wie er sie los würde. Verdrießlich trabte
der Teufel zurück, aber was er auch that, was er versprach, wie er schimpfte.
Käthe blieb ihm auf dem Halse. Da fand er endlich, aufs äußerste erschöpft,
auf einer Wiese einen Schäfer in einem großen Pelze, den er bat. ihm seine
Last ein Stückchen abzunehmen. Der Schäfer willigte ein. ließ Kälber sich
an den Pelz hängen und trug sie bis zu einem Teich, wo er den Pelz leise
aufknüpfte und ihn mit der Jungfer plötzlich ins Wasser plumpen ließ. Dafür


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[0446] so wird der Herr aussteigen. Ihr haltet die Pferde und seht Euch nicht eher um. als bis sich ein schwarzer Hund zu Euch gesellt. Der wird Euch, nach¬ dem Ihr gesehen, was Eurem Herrn geschieht, nach Hause führen." So geschah es denn auch, da der Bauer einwilligen mußte, weil er sonst seine Pferde nicht wieder heimbekvmmen hätte. Am folgenden Morgen stieg der Herr in den Wagen, der Teufel machte den Fuhrmann, der Bauer stellte sich als Bedienter hinten auf und fort flog die Kutsche wie vom Winde gezogen. So kamen sie endlich über neun Grenzen nach einer großen kahlen Wiese. Hier hielt der Teufel an, der Herr stieg aus und der Bauer wandte sogleich den Wage» um. Als der Hund erschien, blickte er sich um, und statt der Wiese sah er nichts als dicken Rauch und Qualm. Entsetzt sprang er in den Wagen und fuhr, dem Hunde folgend, nach Hause. Der böse Edelmann aber mußte in der Hölle bleiben. In einem Dorfe war ein Mädchen, Namens Käthe, das ebenso boshaft als tanzlustig war. Die Folge jener Eigenschaft war, daß Niemand etwas mit ihr zu thun haben, am wenigsten mit ihr tanzen wollte, und wenn sie den Dudelsackspfeifer selber bezahlt Hütte. Dennoch stellte sie sich zu jedem Tanze ein. So war sie an die vierzig Jahr alt geworden, ohne jemals mit ins Rad gezogen worden zu sein. Da dachte sie einst: „Bin schon so alt und habe noch nie getanzt. Daß doch der Teufel käme und mit mir eins tanzte!" Der Wunsch war kaum heraus, so war ein grüner Jäger da, der sich zu ihr setzte, ihr einschenken ließ und sie zu einem Solo aufzog. Sie tanzte den ganzen Abend mit ihm und hatte noch nicht genug. „Könnt ich doch all mein Lebtag so wie heute mit Euch tanzen," sagte sie beim Nach- Hausegehen. „Das kann sein." antwortete der Grüne, „Du brauchst Dich mir bloß an den Hals zu hängen." Käthe that's. Da verwandelte sich der Jäger plötzlich in den Teufel und flog mit ihr geradewegs zur Hölle. Dort wollten ihm seine Kollegen das Mädchen abnehmen, sie aber hielt fest wie eine Zange, und so mußte er sich mit ihr um den Hals zum Oberteufel ver¬ fügen. Hier klagte er seine Noth: es habe ihn gedauert, daß sie keinen Tänzer bekommen, so habe er sie zu trösten versucht und ihr zum Schluß einmal die Hölle zeigen wollen. Nun aber wolle sie ihn nicht loslassen. Lucifer nannte ihn einen Dummkopf. Er hätte sich vorsehen sollen. Jetzt möge er nur auf die Welt zurückkehren und versuchen, wie er sie los würde. Verdrießlich trabte der Teufel zurück, aber was er auch that, was er versprach, wie er schimpfte. Käthe blieb ihm auf dem Halse. Da fand er endlich, aufs äußerste erschöpft, auf einer Wiese einen Schäfer in einem großen Pelze, den er bat. ihm seine Last ein Stückchen abzunehmen. Der Schäfer willigte ein. ließ Kälber sich an den Pelz hängen und trug sie bis zu einem Teich, wo er den Pelz leise aufknüpfte und ihn mit der Jungfer plötzlich ins Wasser plumpen ließ. Dafür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/446>, abgerufen am 23.07.2024.