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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Nechbcrg erklärt dieselben aufs neue für terrorisirt, sie wünschten im Stillen
die Rückkehr der Souveräne. Der Gesandte erwidert, wenn er so fest darauf
baue, daß die Majorität dies wolle, so möge man sie auffordern dies aus-
zusprechen. Graf Nechbcrg entgegnet, "ein östreichischer Minister, der einem
solchen Vorschlag zustimmen würde, verdiene des Hochverraths angeklagt zu
werden. Niemals wird ein Kaiser von Oestreich einer derartigen Maßregel
zustimmen, die der traditionellen Politik und den geheiligten Rechten der Mo¬
narchie zuwider läuft. Wie können wir auf andre das anwenden, was wir
niemals als auf uns anwendbar gelten lassen würden? Niederlage, ja Unter¬
gang ist einer solchen Principienlosigkcit vorzuziehen."

Wem fällt nicht hier das Wort Robespierre's ein: van'iKscmt Iss Kolonie?
virent pu' un xi'iimivö. Die Gegensätze berühren sich. Der absolutistische
Minister und der Convcntsmann stehen auf einem Standpunkt. Wie im vo¬
rigen Jahr Oestreich die Existenz der italienischen Frage leugnete und einfach
auf den wiener Verträgen feststand, so jetzt aus den Präliminarien von Villa-
franca, die doch,von den Thatsachen ganz überholt sind. Das ist die Regie-
rungskunst, welche Staaten und Dynastien ins Verderben stürzt. Nur in
einem Punkte bekennt der Minister mit theurer Erfahrung eine heilsame
Lection erhalten zu haben. Oestreich wünsche nicht ein Uebergewicht in Ita¬
lien wieder zu gewinnen (tlurt etre costly exxviienecz ok dir<z past lnrs given
a säkular^ losson in tius rizsxeet uncl tuae fus nsitner entorta-lnsel elle
>visd nor etre int.ent.ion o5 intvrkoring in Iwlig-n g.Üa.ii's).

Man kann die englische Politik grundsätzlich verwerfen, aber mau wird
ihr den Vorzug der Klarheit und Conseaucnz nicht versagen, sie erklärt mit
richtiger Voraussicht den italienischen Bund sowie die Restauration der Für¬
sten für unmöglich. In der päpstlichen Frage beobachtet sie als protestantische
Macht eine taktvolle Zurückhaltung. Indessen war es auch viel leichter sür
England, das nicht am Kriege und Friedensschluß theilgenommen, eine klare
Position zu nehmen als für Frankreich, das an die Präliminarien von Villa-
franca gebunden war. Dieselben waren der Art, daß sie dem Kaiser Napo¬
leon erlaubten seine Absichten in Dunkel zu hüllen. Er thut zuerst anscheinend
Alles, um seine Verpflichtungen zu erfüllen, ermahnt den Papst zu Reformen,
schickt Gesandte, um die Italiener zu überreden die Fürsten wieder zu nehmen,
aber bei Worten bleibt es. Wir haben uns nie überreden können, daß ein
so scharfer und nüchterner Kopf an unmögliche Dinge, wie eine Restauration
in den Herzogthümern, einen italienischen Bund und ernsthafte Reformen der
Päpstlichen Negierung glauben könne, es waren vor dem Krieg Kricgsmittel,
es waren nachdem Friedcnsmittel für ihn, hinter denen der Fortgang der
Ereignisse so lange versteckt werden konnte, bis es an der Zeit war hervor¬
zutreten und weiter zu gehen. Auch die sardinische Regierung nimmt außer-


Nechbcrg erklärt dieselben aufs neue für terrorisirt, sie wünschten im Stillen
die Rückkehr der Souveräne. Der Gesandte erwidert, wenn er so fest darauf
baue, daß die Majorität dies wolle, so möge man sie auffordern dies aus-
zusprechen. Graf Nechbcrg entgegnet, „ein östreichischer Minister, der einem
solchen Vorschlag zustimmen würde, verdiene des Hochverraths angeklagt zu
werden. Niemals wird ein Kaiser von Oestreich einer derartigen Maßregel
zustimmen, die der traditionellen Politik und den geheiligten Rechten der Mo¬
narchie zuwider läuft. Wie können wir auf andre das anwenden, was wir
niemals als auf uns anwendbar gelten lassen würden? Niederlage, ja Unter¬
gang ist einer solchen Principienlosigkcit vorzuziehen."

Wem fällt nicht hier das Wort Robespierre's ein: van'iKscmt Iss Kolonie?
virent pu' un xi'iimivö. Die Gegensätze berühren sich. Der absolutistische
Minister und der Convcntsmann stehen auf einem Standpunkt. Wie im vo¬
rigen Jahr Oestreich die Existenz der italienischen Frage leugnete und einfach
auf den wiener Verträgen feststand, so jetzt aus den Präliminarien von Villa-
franca, die doch,von den Thatsachen ganz überholt sind. Das ist die Regie-
rungskunst, welche Staaten und Dynastien ins Verderben stürzt. Nur in
einem Punkte bekennt der Minister mit theurer Erfahrung eine heilsame
Lection erhalten zu haben. Oestreich wünsche nicht ein Uebergewicht in Ita¬
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Man kann die englische Politik grundsätzlich verwerfen, aber mau wird
ihr den Vorzug der Klarheit und Conseaucnz nicht versagen, sie erklärt mit
richtiger Voraussicht den italienischen Bund sowie die Restauration der Für¬
sten für unmöglich. In der päpstlichen Frage beobachtet sie als protestantische
Macht eine taktvolle Zurückhaltung. Indessen war es auch viel leichter sür
England, das nicht am Kriege und Friedensschluß theilgenommen, eine klare
Position zu nehmen als für Frankreich, das an die Präliminarien von Villa-
franca gebunden war. Dieselben waren der Art, daß sie dem Kaiser Napo¬
leon erlaubten seine Absichten in Dunkel zu hüllen. Er thut zuerst anscheinend
Alles, um seine Verpflichtungen zu erfüllen, ermahnt den Papst zu Reformen,
schickt Gesandte, um die Italiener zu überreden die Fürsten wieder zu nehmen,
aber bei Worten bleibt es. Wir haben uns nie überreden können, daß ein
so scharfer und nüchterner Kopf an unmögliche Dinge, wie eine Restauration
in den Herzogthümern, einen italienischen Bund und ernsthafte Reformen der
Päpstlichen Negierung glauben könne, es waren vor dem Krieg Kricgsmittel,
es waren nachdem Friedcnsmittel für ihn, hinter denen der Fortgang der
Ereignisse so lange versteckt werden konnte, bis es an der Zeit war hervor¬
zutreten und weiter zu gehen. Auch die sardinische Regierung nimmt außer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/419>, abgerufen am 23.07.2024.