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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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erhalten hat, fragte er zunächst durch Lord Cooley bei Graf Walcwski an,
was die päpstliche Ehrenpräsidentschaft des italienischen Bundes bedeute, ob
der Papst durch einen Legaten Präsidiren oder em Laie zum wirklichen Prä¬
sidenten gewählt werden solle? Der französische Minister antwortet, es sei da¬
mit nur gemeint, daß der Sitz des Bnndesorganes in Rom sein sollte und
der Vertreter des Papstes bei feierlichen Gelegenheiten den Vortritt vor denen
der andern Vundcsstaatcn haben würde. Der wirkliche "orking) Präsident
solle der Repräsentant von Neapel oder Sardinien sein. Darauf hören wir
im ganzen Blaubuch nichts mehr von dieser Frage, die Lord John Russell
mit Recht wol als secundüre cura xostsi-lor betrachtet. Desto mehr ist von der
zweiten Frage des englischen Ministers die Rede, nämlich über Venetien; wenn
der Kaiser von Oestreich, heißt es, in den Bund eintritt, so wird er es mit
der ganzen moralischen und politischen Macht seines Reiches thun, wird er sich
aber darauf beschränken, Venetien rein national zu regieren? Graf Walewski
muß darauf zunächst in seiner Erzählung der Zusammenkunft von Villafranca
antworten, daß der Kaiser Franz Joseph verweigert hat, in Bezug auf seine
unzweifelhaften Rechte über Venetien irgend ein Zugeständnis) zu machen, er
hat es entschieden abgelehnt, einen Erzherzog als Vicekönig an die Spitze der
Regierung zu stellen, er wolle eher das Land verlieren wie die Lombardei, als
sich hinsichtlich der künftigen Verwaltung desselben binden. Er könne nur
sagen, daß er selbst einsehe, daß große Reformen nöthig seien, und weigere
sich nicht, sein Ehrenwort zu geben, daß in seinen Händen Venedig "8vraie,
von Lvulemeut Irsureusv, rrmis 8g.tiLi"it,(z." Graf Walewski hofft noch, daß
Oestreich thatsächlich Concessionen machen werde, und sührt als Vorbild für die
künftige Stellung Vcnetiens zu dem Bunde die Luxemburgs zu Deutschland
an, später geht er weiter und sagt: wenn nicht Oestreich bereit ist, Venetien
zu einem rein italienischen Staate zu machen mit einer nationalen Negierung
und Armee, wenn nicht wenigstens zwei Festungen Bundcsfestungcn, und das
Land nicht allen Bundesgesctzen unterworfen ist, so sind wir die ersten zu
sagen, daß eine Konföderation unmöglich ist. Lord John Russell bemerkt gegen
die angeführte Parallele sehr richtig, daß sie nicht zutreffe, der König von
Holland könne keinen Einfluß auf Deutschland üben, der sich mit dem ver¬
gleichen lasse, den Oestreich in Italien haben würde. Wollte es wirklich Vene¬
tien ganz national regieren, so würde diese Provinz sehr bald unter den Ein¬
fluß des größern italienischen Nachbarstaates Sardinien fallen, was Oestreich
nicht leiden könne und zu neuen Conflicten führen müsse. Der Kaiser, der den
Papst und die restaurirten Erzherzöge für sich haben werde, müsse übermäch¬
tig im Bundesrathe sein, er selbst werde sich nur als Souverän des mächtigen
Oestreich, mit östreichischer Macht und Politik fühlen. Was solle aus den Frei¬
heiten Piemonts werden vor einem Tribunal, dem der Papst Vorsitze und in dem


erhalten hat, fragte er zunächst durch Lord Cooley bei Graf Walcwski an,
was die päpstliche Ehrenpräsidentschaft des italienischen Bundes bedeute, ob
der Papst durch einen Legaten Präsidiren oder em Laie zum wirklichen Prä¬
sidenten gewählt werden solle? Der französische Minister antwortet, es sei da¬
mit nur gemeint, daß der Sitz des Bnndesorganes in Rom sein sollte und
der Vertreter des Papstes bei feierlichen Gelegenheiten den Vortritt vor denen
der andern Vundcsstaatcn haben würde. Der wirkliche »orking) Präsident
solle der Repräsentant von Neapel oder Sardinien sein. Darauf hören wir
im ganzen Blaubuch nichts mehr von dieser Frage, die Lord John Russell
mit Recht wol als secundüre cura xostsi-lor betrachtet. Desto mehr ist von der
zweiten Frage des englischen Ministers die Rede, nämlich über Venetien; wenn
der Kaiser von Oestreich, heißt es, in den Bund eintritt, so wird er es mit
der ganzen moralischen und politischen Macht seines Reiches thun, wird er sich
aber darauf beschränken, Venetien rein national zu regieren? Graf Walewski
muß darauf zunächst in seiner Erzählung der Zusammenkunft von Villafranca
antworten, daß der Kaiser Franz Joseph verweigert hat, in Bezug auf seine
unzweifelhaften Rechte über Venetien irgend ein Zugeständnis) zu machen, er
hat es entschieden abgelehnt, einen Erzherzog als Vicekönig an die Spitze der
Regierung zu stellen, er wolle eher das Land verlieren wie die Lombardei, als
sich hinsichtlich der künftigen Verwaltung desselben binden. Er könne nur
sagen, daß er selbst einsehe, daß große Reformen nöthig seien, und weigere
sich nicht, sein Ehrenwort zu geben, daß in seinen Händen Venedig „8vraie,
von Lvulemeut Irsureusv, rrmis 8g.tiLi»it,(z." Graf Walewski hofft noch, daß
Oestreich thatsächlich Concessionen machen werde, und sührt als Vorbild für die
künftige Stellung Vcnetiens zu dem Bunde die Luxemburgs zu Deutschland
an, später geht er weiter und sagt: wenn nicht Oestreich bereit ist, Venetien
zu einem rein italienischen Staate zu machen mit einer nationalen Negierung
und Armee, wenn nicht wenigstens zwei Festungen Bundcsfestungcn, und das
Land nicht allen Bundesgesctzen unterworfen ist, so sind wir die ersten zu
sagen, daß eine Konföderation unmöglich ist. Lord John Russell bemerkt gegen
die angeführte Parallele sehr richtig, daß sie nicht zutreffe, der König von
Holland könne keinen Einfluß auf Deutschland üben, der sich mit dem ver¬
gleichen lasse, den Oestreich in Italien haben würde. Wollte es wirklich Vene¬
tien ganz national regieren, so würde diese Provinz sehr bald unter den Ein¬
fluß des größern italienischen Nachbarstaates Sardinien fallen, was Oestreich
nicht leiden könne und zu neuen Conflicten führen müsse. Der Kaiser, der den
Papst und die restaurirten Erzherzöge für sich haben werde, müsse übermäch¬
tig im Bundesrathe sein, er selbst werde sich nur als Souverän des mächtigen
Oestreich, mit östreichischer Macht und Politik fühlen. Was solle aus den Frei¬
heiten Piemonts werden vor einem Tribunal, dem der Papst Vorsitze und in dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/414>, abgerufen am 25.08.2024.