Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Für eine Regulirung der Tiber, für Dämme gegen die Überschwemmungen
des Po und des Remo hat die Regierung kein Geld. Die vier letzten Päpste
haben, den Durchbruch des Anio bei Tivoli ausgenommen, der diese Stadt
vor den gefährlichen Hochwassern des Flusses schützt, nicht Einen rein nützlichen
Bau ausgeführt, wohl aber sind unter ihrer Regierung 40 Millionen Lire auf
Almosen verwendet worden. Hat die Kurie überhaupt gewisse Grundsätze in
Betreff von Handel und Gewerbe, so sind dieselben entweder von der tiefsten
Unwissenheit in volkswirtschaftlichen Dingen oder von der Absicht dictirt.
diese beiden Quellen des Wohlstandes nnr spärlich fließen zu lassen, indem
man glauben mag, ein armes Volk leichter beherrschen zu können als ein
reiches. Man legt auf Waaren, die zum Austausch gegen Fabrikate des Aus-
landes dienen. Ausgangszolle; die Institute, die den Handel fördern sollen,
läßt man von diesem nicht benutzen. Die römische Bank hat ein Kapital von
10 Mill. Lire, aber wenn ein Kaufmann einen Wechsel discontiren lassen
will, ist kein Geld vorhanden. Es gibt in Rom eine Börse, aber sie ist
wöchentlich nur einmal offen. Die Gründung von Vereinen zu industriellen
Zwecken, zur Hebung der Landwirthschaft wird von der Polizei nicht gestattet.
Eine große Industrie läßt man nicht aufkommen, und die kleine beeinträchtigt
man durch Monopole. Der Verkauf von Tabak. Salz. Zucker und Glas, die
Verfertigung von Stearinkerzen ist Günstlingen des Hofes vorbehalten; die
Körbe der Höker, welche auf dem Navonaplatz in Rom feilhalten, dürfen nur
von einem einzigen Korbmacher gekauft werden. Die Krämer von Tivoli, die
Fleischer von Frascati. die kleinen Kaufleute im Weichbild der Hauptstadt sind
sämmtlich Privilegirte. Wo irgend ein neues Gewerbe aufkommt, welches
sich gut zu lohnen verspricht, meldet sich sofort der Klient eines Prälaten,
um es für sich monopolisiren zu lassen. Hat Pius der Neunte für seine Per¬
son dem Nepotismus entsagt, so blüht diese alte Giftpflanze im Kreise seiner
Cardinäle und Prälaten so üppig wie je zuvor. Ein erbauliches Beispiel ist
der Cardinalsecretär Antonelli, der sich nicht nur selbst ein kolossales Vermögen
erworben, sondern auch seine vier Brüder, indem er sie an Stellen setzte, wo
viel Geld zu verdienen war, zu reichen Leuten gemacht hat. Alle vier sind
in den Grafenstand erhoben worden. Der eine ist Direktor der Bank und
des Leihhauses, ein zweiter verwaltet mit dem Titel eines Conservators die
nie controllirte Stadtkasse Roms, der dritte ist Großhändler mit Lebens-
mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Lagerhäuser leer
oder gefüllt sind, die unbegreiflichsten Ausfuhrverbote erlassen, die auffallend¬
sten Zollerleichterungen verkündigt.

Die Pflege der Künste und einiger Disciplinen der Wissenschaft ist, wenn
wir uns von den materiellen Interessen zu den geistigen wenden, die beste
Seite der päpstlichen Staatsverwaltung. Man vermehrt die Büchersammlungen.


Für eine Regulirung der Tiber, für Dämme gegen die Überschwemmungen
des Po und des Remo hat die Regierung kein Geld. Die vier letzten Päpste
haben, den Durchbruch des Anio bei Tivoli ausgenommen, der diese Stadt
vor den gefährlichen Hochwassern des Flusses schützt, nicht Einen rein nützlichen
Bau ausgeführt, wohl aber sind unter ihrer Regierung 40 Millionen Lire auf
Almosen verwendet worden. Hat die Kurie überhaupt gewisse Grundsätze in
Betreff von Handel und Gewerbe, so sind dieselben entweder von der tiefsten
Unwissenheit in volkswirtschaftlichen Dingen oder von der Absicht dictirt.
diese beiden Quellen des Wohlstandes nnr spärlich fließen zu lassen, indem
man glauben mag, ein armes Volk leichter beherrschen zu können als ein
reiches. Man legt auf Waaren, die zum Austausch gegen Fabrikate des Aus-
landes dienen. Ausgangszolle; die Institute, die den Handel fördern sollen,
läßt man von diesem nicht benutzen. Die römische Bank hat ein Kapital von
10 Mill. Lire, aber wenn ein Kaufmann einen Wechsel discontiren lassen
will, ist kein Geld vorhanden. Es gibt in Rom eine Börse, aber sie ist
wöchentlich nur einmal offen. Die Gründung von Vereinen zu industriellen
Zwecken, zur Hebung der Landwirthschaft wird von der Polizei nicht gestattet.
Eine große Industrie läßt man nicht aufkommen, und die kleine beeinträchtigt
man durch Monopole. Der Verkauf von Tabak. Salz. Zucker und Glas, die
Verfertigung von Stearinkerzen ist Günstlingen des Hofes vorbehalten; die
Körbe der Höker, welche auf dem Navonaplatz in Rom feilhalten, dürfen nur
von einem einzigen Korbmacher gekauft werden. Die Krämer von Tivoli, die
Fleischer von Frascati. die kleinen Kaufleute im Weichbild der Hauptstadt sind
sämmtlich Privilegirte. Wo irgend ein neues Gewerbe aufkommt, welches
sich gut zu lohnen verspricht, meldet sich sofort der Klient eines Prälaten,
um es für sich monopolisiren zu lassen. Hat Pius der Neunte für seine Per¬
son dem Nepotismus entsagt, so blüht diese alte Giftpflanze im Kreise seiner
Cardinäle und Prälaten so üppig wie je zuvor. Ein erbauliches Beispiel ist
der Cardinalsecretär Antonelli, der sich nicht nur selbst ein kolossales Vermögen
erworben, sondern auch seine vier Brüder, indem er sie an Stellen setzte, wo
viel Geld zu verdienen war, zu reichen Leuten gemacht hat. Alle vier sind
in den Grafenstand erhoben worden. Der eine ist Direktor der Bank und
des Leihhauses, ein zweiter verwaltet mit dem Titel eines Conservators die
nie controllirte Stadtkasse Roms, der dritte ist Großhändler mit Lebens-
mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Lagerhäuser leer
oder gefüllt sind, die unbegreiflichsten Ausfuhrverbote erlassen, die auffallend¬
sten Zollerleichterungen verkündigt.

Die Pflege der Künste und einiger Disciplinen der Wissenschaft ist, wenn
wir uns von den materiellen Interessen zu den geistigen wenden, die beste
Seite der päpstlichen Staatsverwaltung. Man vermehrt die Büchersammlungen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109076"/>
          <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006"> Für eine Regulirung der Tiber, für Dämme gegen die Überschwemmungen<lb/>
des Po und des Remo hat die Regierung kein Geld. Die vier letzten Päpste<lb/>
haben, den Durchbruch des Anio bei Tivoli ausgenommen, der diese Stadt<lb/>
vor den gefährlichen Hochwassern des Flusses schützt, nicht Einen rein nützlichen<lb/>
Bau ausgeführt, wohl aber sind unter ihrer Regierung 40 Millionen Lire auf<lb/>
Almosen verwendet worden. Hat die Kurie überhaupt gewisse Grundsätze in<lb/>
Betreff von Handel und Gewerbe, so sind dieselben entweder von der tiefsten<lb/>
Unwissenheit in volkswirtschaftlichen Dingen oder von der Absicht dictirt.<lb/>
diese beiden Quellen des Wohlstandes nnr spärlich fließen zu lassen, indem<lb/>
man glauben mag, ein armes Volk leichter beherrschen zu können als ein<lb/>
reiches. Man legt auf Waaren, die zum Austausch gegen Fabrikate des Aus-<lb/>
landes dienen. Ausgangszolle; die Institute, die den Handel fördern sollen,<lb/>
läßt man von diesem nicht benutzen. Die römische Bank hat ein Kapital von<lb/>
10 Mill. Lire, aber wenn ein Kaufmann einen Wechsel discontiren lassen<lb/>
will, ist kein Geld vorhanden. Es gibt in Rom eine Börse, aber sie ist<lb/>
wöchentlich nur einmal offen. Die Gründung von Vereinen zu industriellen<lb/>
Zwecken, zur Hebung der Landwirthschaft wird von der Polizei nicht gestattet.<lb/>
Eine große Industrie läßt man nicht aufkommen, und die kleine beeinträchtigt<lb/>
man durch Monopole. Der Verkauf von Tabak. Salz. Zucker und Glas, die<lb/>
Verfertigung von Stearinkerzen ist Günstlingen des Hofes vorbehalten; die<lb/>
Körbe der Höker, welche auf dem Navonaplatz in Rom feilhalten, dürfen nur<lb/>
von einem einzigen Korbmacher gekauft werden. Die Krämer von Tivoli, die<lb/>
Fleischer von Frascati. die kleinen Kaufleute im Weichbild der Hauptstadt sind<lb/>
sämmtlich Privilegirte. Wo irgend ein neues Gewerbe aufkommt, welches<lb/>
sich gut zu lohnen verspricht, meldet sich sofort der Klient eines Prälaten,<lb/>
um es für sich monopolisiren zu lassen. Hat Pius der Neunte für seine Per¬<lb/>
son dem Nepotismus entsagt, so blüht diese alte Giftpflanze im Kreise seiner<lb/>
Cardinäle und Prälaten so üppig wie je zuvor. Ein erbauliches Beispiel ist<lb/>
der Cardinalsecretär Antonelli, der sich nicht nur selbst ein kolossales Vermögen<lb/>
erworben, sondern auch seine vier Brüder, indem er sie an Stellen setzte, wo<lb/>
viel Geld zu verdienen war, zu reichen Leuten gemacht hat. Alle vier sind<lb/>
in den Grafenstand erhoben worden. Der eine ist Direktor der Bank und<lb/>
des Leihhauses, ein zweiter verwaltet mit dem Titel eines Conservators die<lb/>
nie controllirte Stadtkasse Roms, der dritte ist Großhändler mit Lebens-<lb/>
mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Lagerhäuser leer<lb/>
oder gefüllt sind, die unbegreiflichsten Ausfuhrverbote erlassen, die auffallend¬<lb/>
sten Zollerleichterungen verkündigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1008" next="#ID_1009"> Die Pflege der Künste und einiger Disciplinen der Wissenschaft ist, wenn<lb/>
wir uns von den materiellen Interessen zu den geistigen wenden, die beste<lb/>
Seite der päpstlichen Staatsverwaltung. Man vermehrt die Büchersammlungen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] Für eine Regulirung der Tiber, für Dämme gegen die Überschwemmungen des Po und des Remo hat die Regierung kein Geld. Die vier letzten Päpste haben, den Durchbruch des Anio bei Tivoli ausgenommen, der diese Stadt vor den gefährlichen Hochwassern des Flusses schützt, nicht Einen rein nützlichen Bau ausgeführt, wohl aber sind unter ihrer Regierung 40 Millionen Lire auf Almosen verwendet worden. Hat die Kurie überhaupt gewisse Grundsätze in Betreff von Handel und Gewerbe, so sind dieselben entweder von der tiefsten Unwissenheit in volkswirtschaftlichen Dingen oder von der Absicht dictirt. diese beiden Quellen des Wohlstandes nnr spärlich fließen zu lassen, indem man glauben mag, ein armes Volk leichter beherrschen zu können als ein reiches. Man legt auf Waaren, die zum Austausch gegen Fabrikate des Aus- landes dienen. Ausgangszolle; die Institute, die den Handel fördern sollen, läßt man von diesem nicht benutzen. Die römische Bank hat ein Kapital von 10 Mill. Lire, aber wenn ein Kaufmann einen Wechsel discontiren lassen will, ist kein Geld vorhanden. Es gibt in Rom eine Börse, aber sie ist wöchentlich nur einmal offen. Die Gründung von Vereinen zu industriellen Zwecken, zur Hebung der Landwirthschaft wird von der Polizei nicht gestattet. Eine große Industrie läßt man nicht aufkommen, und die kleine beeinträchtigt man durch Monopole. Der Verkauf von Tabak. Salz. Zucker und Glas, die Verfertigung von Stearinkerzen ist Günstlingen des Hofes vorbehalten; die Körbe der Höker, welche auf dem Navonaplatz in Rom feilhalten, dürfen nur von einem einzigen Korbmacher gekauft werden. Die Krämer von Tivoli, die Fleischer von Frascati. die kleinen Kaufleute im Weichbild der Hauptstadt sind sämmtlich Privilegirte. Wo irgend ein neues Gewerbe aufkommt, welches sich gut zu lohnen verspricht, meldet sich sofort der Klient eines Prälaten, um es für sich monopolisiren zu lassen. Hat Pius der Neunte für seine Per¬ son dem Nepotismus entsagt, so blüht diese alte Giftpflanze im Kreise seiner Cardinäle und Prälaten so üppig wie je zuvor. Ein erbauliches Beispiel ist der Cardinalsecretär Antonelli, der sich nicht nur selbst ein kolossales Vermögen erworben, sondern auch seine vier Brüder, indem er sie an Stellen setzte, wo viel Geld zu verdienen war, zu reichen Leuten gemacht hat. Alle vier sind in den Grafenstand erhoben worden. Der eine ist Direktor der Bank und des Leihhauses, ein zweiter verwaltet mit dem Titel eines Conservators die nie controllirte Stadtkasse Roms, der dritte ist Großhändler mit Lebens- mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Lagerhäuser leer oder gefüllt sind, die unbegreiflichsten Ausfuhrverbote erlassen, die auffallend¬ sten Zollerleichterungen verkündigt. Die Pflege der Künste und einiger Disciplinen der Wissenschaft ist, wenn wir uns von den materiellen Interessen zu den geistigen wenden, die beste Seite der päpstlichen Staatsverwaltung. Man vermehrt die Büchersammlungen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/354>, abgerufen am 23.07.2024.