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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Entdeckung und Bestrafung von Mißvergnügten ausgiebt, so bleibt ihr für
Diebe und Mörder wenig davon übrig. Hat sie einen solchen einmal ins
Enge getrieben, so ist es in der Regel nicht schwer für ihn, sich dem Arm der
Gerechtigkeit durch eine Geldspende zu entziehen, und wäre dies unmöglich,
so bieten sich ihm Kirchen, Kapellen, Klöster, ja alle der Kirche gehörende
Grundstücke, deren Asylrccht der Papst bis heute aufrecht erhalten hat, als
bequeme 'Zufluchtsstätten dar. Zum Tode Verurtheilte werden bisweilen ver¬
gessen; denn die Kirche ist nicht blutdürstig, wenn es einen bloßen Räuber zu
strafen gilt. Welche Wirkung diese Milde hat, mag ein Blatt aus der Criminal-
statistik darthun. In Frankreich belief sich in einem der letzten zehn Jahre
die Zahl der wegen Verbrechen gegen die Person vollzognen Strafen auf 1921,
im Kirchenstaat auf 1344 -- jenes hat 36, dieser nicht vielmehr als 3 Millionen
Einwohner. Die römische Regierung findet die Näuberwirthschast natürlich un¬
bequem, aber sie kann ihre Boten und Posten durch Gendarmenbegleitung
schützen, und wer von den Privatleuten sich fürchtet, mag desgleichen thun
oder sich mit den Dieben durch ein Jahrgeld auf guten Fuß stellen.

Der Römer Abouts führt fort: "Der Papst und die mit ihm regieren¬
den Priester haben das Rechnungswesen nicht studirt und verwalten daher
die Finanzen übel. Bor zweihundert Jahren ließ man ein unverständiges
oder unehrliches Verfahren mit den Staatsgeldern hingehen, denn damals
wurden die Ausgaben für den Cultus und die päpstliche Hofhaltung von
139 Millionen Katholiken beschafft; jetzt aber, wo die 3 Millionen des Kirchen¬
staates alles tragen sollen, ist eine gute Finanzverwaltung dringendes
Bedürfniß."

Wenn irgend etwas an den Behauptungen des Berichterstatters Abouts
starke Uebertreibung sein sollte, hierin sagt er die volle Wahrheit. Die Staats¬
schuld Roms soll 80 Millionen Scudi, also fast 104 Mill. Thaler, betragen,
und sie vergrößert sich beinahe jedes Jahr, sei es durch öffentliche Anleihen, sei
es durch heimliche Ausgabe neuer Staatspapiere. Die Ausgaben repräsentiren
eine Abgabenlast von 70 Mill. Livre oder Franken; die Unterthanen haben aber
ein Drittel mehr zu steuern, da die Erhcbungskosten. auf die man in Eng¬
land nur 8, in Frankreich 14 Procent rechnet, im Kirchenstaat, wo man Günst¬
linge damit belohnt, daß man sie zu Steuerpüchtern macht, 31 Procent be¬
tragen. Dazu kommen noch sehr beträchtliche Provinzial- und Gemeindesteuern,
und alle diese Abgaben werden um so drückender, als ihre Vertheilung keine
gerechte ist, die Kirchen- und Klostergüter nichts, die großen weltlichen wenig,
die kleinen verhältnismäßig viel zu zahlen haben. Von 1851 bis jetzt gab
die Regierung in aller Stille Scheine der innern sünsprocentigen Schuld im
Betrag von 33 Mill. Lire aus und contrahirte außerdem verschiedene Anleihen,
unter andern im Jahre 1857 eine mit Rothschild, welche 17 Mill., jetzt eine


Entdeckung und Bestrafung von Mißvergnügten ausgiebt, so bleibt ihr für
Diebe und Mörder wenig davon übrig. Hat sie einen solchen einmal ins
Enge getrieben, so ist es in der Regel nicht schwer für ihn, sich dem Arm der
Gerechtigkeit durch eine Geldspende zu entziehen, und wäre dies unmöglich,
so bieten sich ihm Kirchen, Kapellen, Klöster, ja alle der Kirche gehörende
Grundstücke, deren Asylrccht der Papst bis heute aufrecht erhalten hat, als
bequeme 'Zufluchtsstätten dar. Zum Tode Verurtheilte werden bisweilen ver¬
gessen; denn die Kirche ist nicht blutdürstig, wenn es einen bloßen Räuber zu
strafen gilt. Welche Wirkung diese Milde hat, mag ein Blatt aus der Criminal-
statistik darthun. In Frankreich belief sich in einem der letzten zehn Jahre
die Zahl der wegen Verbrechen gegen die Person vollzognen Strafen auf 1921,
im Kirchenstaat auf 1344 — jenes hat 36, dieser nicht vielmehr als 3 Millionen
Einwohner. Die römische Regierung findet die Näuberwirthschast natürlich un¬
bequem, aber sie kann ihre Boten und Posten durch Gendarmenbegleitung
schützen, und wer von den Privatleuten sich fürchtet, mag desgleichen thun
oder sich mit den Dieben durch ein Jahrgeld auf guten Fuß stellen.

Der Römer Abouts führt fort: „Der Papst und die mit ihm regieren¬
den Priester haben das Rechnungswesen nicht studirt und verwalten daher
die Finanzen übel. Bor zweihundert Jahren ließ man ein unverständiges
oder unehrliches Verfahren mit den Staatsgeldern hingehen, denn damals
wurden die Ausgaben für den Cultus und die päpstliche Hofhaltung von
139 Millionen Katholiken beschafft; jetzt aber, wo die 3 Millionen des Kirchen¬
staates alles tragen sollen, ist eine gute Finanzverwaltung dringendes
Bedürfniß."

Wenn irgend etwas an den Behauptungen des Berichterstatters Abouts
starke Uebertreibung sein sollte, hierin sagt er die volle Wahrheit. Die Staats¬
schuld Roms soll 80 Millionen Scudi, also fast 104 Mill. Thaler, betragen,
und sie vergrößert sich beinahe jedes Jahr, sei es durch öffentliche Anleihen, sei
es durch heimliche Ausgabe neuer Staatspapiere. Die Ausgaben repräsentiren
eine Abgabenlast von 70 Mill. Livre oder Franken; die Unterthanen haben aber
ein Drittel mehr zu steuern, da die Erhcbungskosten. auf die man in Eng¬
land nur 8, in Frankreich 14 Procent rechnet, im Kirchenstaat, wo man Günst¬
linge damit belohnt, daß man sie zu Steuerpüchtern macht, 31 Procent be¬
tragen. Dazu kommen noch sehr beträchtliche Provinzial- und Gemeindesteuern,
und alle diese Abgaben werden um so drückender, als ihre Vertheilung keine
gerechte ist, die Kirchen- und Klostergüter nichts, die großen weltlichen wenig,
die kleinen verhältnismäßig viel zu zahlen haben. Von 1851 bis jetzt gab
die Regierung in aller Stille Scheine der innern sünsprocentigen Schuld im
Betrag von 33 Mill. Lire aus und contrahirte außerdem verschiedene Anleihen,
unter andern im Jahre 1857 eine mit Rothschild, welche 17 Mill., jetzt eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/352>, abgerufen am 23.07.2024.