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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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eine starke Kriegs-Dampfflotte, eine Anzahl bedeutender Küstenfestungen, eine
Centralfestung Paris, sowie ein stehendes Lager zur Vertheidigung seiner
Küsten; England Seefestungen, eine Reihe befestigter Thürme und eine Flotte,
aber keinen Centralpunkt, kein befestigtes Lager, demnach einen wesentlichen
Faktor weniger als Frankreich. Paris und London sind in wenigen Marschen
von der Küste aus zu erreichen, ersteres ist eine Festung, letzteres eine offne
Stadt.

Wenden wir diese Beispiele auf unsere Nord- und Ostseeküsten an, so
müssen wir diese erst in ihrer geographisch politischen Gestaltung betrachten.
Die Nordseeküsten gehören keinem mächtigen Staate an: Hannover, Oldenburg,
Bremen, Hamburg und Holstein theilen sich in dieses so wichtige Gebiet,
und nur der Jahdebusen, Preußen gehörig, ist so befestigt, daß er den
Namen einer "Befestigung" überhaupt kaum verdient. Eine Kriegsflotte zum
Schutze dieser Küste mangelt gänzlich -- denn die wenigen preußischen Kriegs¬
schiffe kann man nicht so nennen, -- eine rückwärts gelegene Festung ersten
Ranges mit befestigtem Lager, von wo aus man dem gekanteten Feind ent¬
gegenrücken und ihn so zur Wiedereinschiffung zwingen kann, fehlt gleichfalls, die,
gekantete feindliche Armee kann sich im Gegentheil nach allen Richtungen
frei bewegen, unterst die drei preußischen Festungen Wesel, Minden und Mag¬
deburg weit rückwärts im Binnenland bilden eine Barriere. Welche Hülfs¬
mittel kann der Feind aus den Lünderstrecken, welche sich von der Küste bis
dorthin ausdehnen, ziehen, welche zog nicht Napoleon der Erste aus Hamburg
allein! -- Man wird entgegnen, daß zur Vertheidigung jener Länderstrecken
das Bundesheer da sei; dieses bedarf aber der Stützpunkte und gesicherter"
Operationsbasen, und dafür ist in jenen Ländern nicht gesorgt. Zum Schutze
dieser Striche müßte unserer Ansicht nach folgendes geschehen:

Erstens: Befestigung der Mündungen der Eins, Elbe und Weser.
Zweitens: Aufstellung von Dampfkanonenbootflottillen, um diese noch besser
zu vertheidigen und die Bewegungen der feindlichen Flotte zu beobachten
und zu melden. Drittens: Errichtung zweier starker Festungen mit befestig¬
ten Lagern und Aufstellung von Operationsheeren daselbst. Die eine müßte
etwas rückwärts zwischen Eins und Weser und die andere ebenso zwischen
letzterer und der Elbe zu liegen kommen. -- Wenn Deutschlands Sicherheit
wesentlich von der seiner Küsten abhängt, indem ein von dort aus vordringen¬
der Feind unsere Nheinlinie flankiren könnte, so sollten jene Festungen auf
Bundeskosten erbaut werden. Gleich einer Bastion springt Holstein vor und
bildet mit seiner Fortsetzung Schleswig und Jütland die Grenze zwischen der
Ost- und der Nordsee. Verbindet sich Dünemark mit den Feinden Deutsch¬
lands, so werden sich die Vortheile, welche uns die geographische Lage jener
Halbinsel bietet, in Nachtheile verwandeln, wofern sich die politische Gestal-


eine starke Kriegs-Dampfflotte, eine Anzahl bedeutender Küstenfestungen, eine
Centralfestung Paris, sowie ein stehendes Lager zur Vertheidigung seiner
Küsten; England Seefestungen, eine Reihe befestigter Thürme und eine Flotte,
aber keinen Centralpunkt, kein befestigtes Lager, demnach einen wesentlichen
Faktor weniger als Frankreich. Paris und London sind in wenigen Marschen
von der Küste aus zu erreichen, ersteres ist eine Festung, letzteres eine offne
Stadt.

Wenden wir diese Beispiele auf unsere Nord- und Ostseeküsten an, so
müssen wir diese erst in ihrer geographisch politischen Gestaltung betrachten.
Die Nordseeküsten gehören keinem mächtigen Staate an: Hannover, Oldenburg,
Bremen, Hamburg und Holstein theilen sich in dieses so wichtige Gebiet,
und nur der Jahdebusen, Preußen gehörig, ist so befestigt, daß er den
Namen einer „Befestigung" überhaupt kaum verdient. Eine Kriegsflotte zum
Schutze dieser Küste mangelt gänzlich — denn die wenigen preußischen Kriegs¬
schiffe kann man nicht so nennen, — eine rückwärts gelegene Festung ersten
Ranges mit befestigtem Lager, von wo aus man dem gekanteten Feind ent¬
gegenrücken und ihn so zur Wiedereinschiffung zwingen kann, fehlt gleichfalls, die,
gekantete feindliche Armee kann sich im Gegentheil nach allen Richtungen
frei bewegen, unterst die drei preußischen Festungen Wesel, Minden und Mag¬
deburg weit rückwärts im Binnenland bilden eine Barriere. Welche Hülfs¬
mittel kann der Feind aus den Lünderstrecken, welche sich von der Küste bis
dorthin ausdehnen, ziehen, welche zog nicht Napoleon der Erste aus Hamburg
allein! — Man wird entgegnen, daß zur Vertheidigung jener Länderstrecken
das Bundesheer da sei; dieses bedarf aber der Stützpunkte und gesicherter"
Operationsbasen, und dafür ist in jenen Ländern nicht gesorgt. Zum Schutze
dieser Striche müßte unserer Ansicht nach folgendes geschehen:

Erstens: Befestigung der Mündungen der Eins, Elbe und Weser.
Zweitens: Aufstellung von Dampfkanonenbootflottillen, um diese noch besser
zu vertheidigen und die Bewegungen der feindlichen Flotte zu beobachten
und zu melden. Drittens: Errichtung zweier starker Festungen mit befestig¬
ten Lagern und Aufstellung von Operationsheeren daselbst. Die eine müßte
etwas rückwärts zwischen Eins und Weser und die andere ebenso zwischen
letzterer und der Elbe zu liegen kommen. — Wenn Deutschlands Sicherheit
wesentlich von der seiner Küsten abhängt, indem ein von dort aus vordringen¬
der Feind unsere Nheinlinie flankiren könnte, so sollten jene Festungen auf
Bundeskosten erbaut werden. Gleich einer Bastion springt Holstein vor und
bildet mit seiner Fortsetzung Schleswig und Jütland die Grenze zwischen der
Ost- und der Nordsee. Verbindet sich Dünemark mit den Feinden Deutsch¬
lands, so werden sich die Vortheile, welche uns die geographische Lage jener
Halbinsel bietet, in Nachtheile verwandeln, wofern sich die politische Gestal-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/324>, abgerufen am 23.07.2024.