Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

so weit sie öffentlich ist. sich im Wesentlichen auf die Bildung von Geistlichen
richtet. Dazu serner, daß, wie die Unfehlbarkeit des Papstes in geistlichen
Dingen sich mit dem Glauben einer besondern höhern Weisheit in weltlichen
Angelegenheiten verbindet, die Weihe des Priesters, wo nicht als magische
Mittheilung besonderer Fähigkeit zur Verwaltung, wenigstens als ein Geadelt¬
werden aufgefaßt wird, an das sich Privilegien knüpfen. Das Papstthum hat
für diese Vertheilung der Aemter an Kleriker aber noch andere Gründe, und von
diesen möchte außer dem Herkommen, dessen Verletzung der Klerus keinem Papst er¬
lauben würde, der zwingendste folgender sein. Die weltlichen Stellen sind eine Art
Vorschule für Männer, die später in wichtigen, Kenntniß der Lebensverhältnisse
voraussetzenden Kirchenämtern verwendet werden sollen, und man erspart durch
diese Weise der Aemterbesetzung nicht unbedeutende Summen. Viele der
hohen Prälaten so wie der niedern Geistlichen versehen neben ihrem Amt ein
kirchliches, werden aber nur für das eine von beiden besoldet. Als noch die
Gaben der ganzen Christenheit nach Rom strömten, war es nicht nöthig, einen
Theil der zahlreichen Priesterschaft, die man nun einmal braucht, mit weltlichen
Posten zu versorgen; heutzutage ist Sparsamkeit ein Gebot der Noth. Welche
Seite von diesen doppelten Stellen nach dem Spruch, daß man nicht zweien
Herren dienen kann, vernachlässigt wird, mag der Leser vorläufig errathen.
Wir meinen, daß das Folgende mit seinem Urtheil zusammentreffen wird.

Wollte ein Papst den Versuch machen, diesen Mißständen abzuhelfen, so
hätte er sofort den bei Weitem größten Theil des Klerus gegen sich. "Wol
war," sagt Reuchlin in seiner Geschichte Italiens**), der wir im Nachstehenden
das Eine und das Andere entnehmen, "der Papst Pius der Siebente, ein durch
sein Märtyrerthum geläuterter frommer Mann, sein erster Minister, Cardinal
Consalvi, ein Gesinnungsgenosse Fossombronis, nur mit mehr Thatkraft aus¬
gerüstet. Aber wie in politisch ausgewühlten Zeiten die Wucht der Parteien
stärker ist als ihre Führer, so ist in Zeiten der Reaction eine privilegirte Kaste
mächtiger als die Männer am Steuerruder. Nicht nur in geistlichen Dingen
ist es für den persönlichen Willen des Papstes schwer sich Geltung zu ver¬
schaffen; denn eine Priesterkaste-vollends achtet kein menschliches Gesetz, sie
dünkt sich und ihr kanonisches Recht darüber erhaben und -- versteht jenes
in der Regel nicht; steht sie doch außerhalb derselben und des bürgerlichen
Lebens. Ihr Zweck ist nicht die sittliche und leibliche Wohlfahrt des Volkes,
die Erfüllung der Interessen und Wünsche der Laien, sondern der Sieg, der
Glanz, die Herrschaft der Kirche, welche sie selbst sind."



") Staatengeschichte der neuesten Zeit. 1, Band. -- Geschichte Italiens von Gründung
der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart. Von or. Hermann Reuchlin. Erster Theil.
Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1859. Ein sehr lesenswcrthcs, auf fleißigen Studien beruhen¬
des Werk, über das wir nach Erscheinen des zweiten Theils ausführlich Bericht erstatten
werden.

so weit sie öffentlich ist. sich im Wesentlichen auf die Bildung von Geistlichen
richtet. Dazu serner, daß, wie die Unfehlbarkeit des Papstes in geistlichen
Dingen sich mit dem Glauben einer besondern höhern Weisheit in weltlichen
Angelegenheiten verbindet, die Weihe des Priesters, wo nicht als magische
Mittheilung besonderer Fähigkeit zur Verwaltung, wenigstens als ein Geadelt¬
werden aufgefaßt wird, an das sich Privilegien knüpfen. Das Papstthum hat
für diese Vertheilung der Aemter an Kleriker aber noch andere Gründe, und von
diesen möchte außer dem Herkommen, dessen Verletzung der Klerus keinem Papst er¬
lauben würde, der zwingendste folgender sein. Die weltlichen Stellen sind eine Art
Vorschule für Männer, die später in wichtigen, Kenntniß der Lebensverhältnisse
voraussetzenden Kirchenämtern verwendet werden sollen, und man erspart durch
diese Weise der Aemterbesetzung nicht unbedeutende Summen. Viele der
hohen Prälaten so wie der niedern Geistlichen versehen neben ihrem Amt ein
kirchliches, werden aber nur für das eine von beiden besoldet. Als noch die
Gaben der ganzen Christenheit nach Rom strömten, war es nicht nöthig, einen
Theil der zahlreichen Priesterschaft, die man nun einmal braucht, mit weltlichen
Posten zu versorgen; heutzutage ist Sparsamkeit ein Gebot der Noth. Welche
Seite von diesen doppelten Stellen nach dem Spruch, daß man nicht zweien
Herren dienen kann, vernachlässigt wird, mag der Leser vorläufig errathen.
Wir meinen, daß das Folgende mit seinem Urtheil zusammentreffen wird.

Wollte ein Papst den Versuch machen, diesen Mißständen abzuhelfen, so
hätte er sofort den bei Weitem größten Theil des Klerus gegen sich. „Wol
war," sagt Reuchlin in seiner Geschichte Italiens**), der wir im Nachstehenden
das Eine und das Andere entnehmen, „der Papst Pius der Siebente, ein durch
sein Märtyrerthum geläuterter frommer Mann, sein erster Minister, Cardinal
Consalvi, ein Gesinnungsgenosse Fossombronis, nur mit mehr Thatkraft aus¬
gerüstet. Aber wie in politisch ausgewühlten Zeiten die Wucht der Parteien
stärker ist als ihre Führer, so ist in Zeiten der Reaction eine privilegirte Kaste
mächtiger als die Männer am Steuerruder. Nicht nur in geistlichen Dingen
ist es für den persönlichen Willen des Papstes schwer sich Geltung zu ver¬
schaffen; denn eine Priesterkaste-vollends achtet kein menschliches Gesetz, sie
dünkt sich und ihr kanonisches Recht darüber erhaben und — versteht jenes
in der Regel nicht; steht sie doch außerhalb derselben und des bürgerlichen
Lebens. Ihr Zweck ist nicht die sittliche und leibliche Wohlfahrt des Volkes,
die Erfüllung der Interessen und Wünsche der Laien, sondern der Sieg, der
Glanz, die Herrschaft der Kirche, welche sie selbst sind."



") Staatengeschichte der neuesten Zeit. 1, Band. — Geschichte Italiens von Gründung
der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart. Von or. Hermann Reuchlin. Erster Theil.
Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1859. Ein sehr lesenswcrthcs, auf fleißigen Studien beruhen¬
des Werk, über das wir nach Erscheinen des zweiten Theils ausführlich Bericht erstatten
werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109021"/>
          <p xml:id="ID_845" prev="#ID_844"> so weit sie öffentlich ist. sich im Wesentlichen auf die Bildung von Geistlichen<lb/>
richtet. Dazu serner, daß, wie die Unfehlbarkeit des Papstes in geistlichen<lb/>
Dingen sich mit dem Glauben einer besondern höhern Weisheit in weltlichen<lb/>
Angelegenheiten verbindet, die Weihe des Priesters, wo nicht als magische<lb/>
Mittheilung besonderer Fähigkeit zur Verwaltung, wenigstens als ein Geadelt¬<lb/>
werden aufgefaßt wird, an das sich Privilegien knüpfen. Das Papstthum hat<lb/>
für diese Vertheilung der Aemter an Kleriker aber noch andere Gründe, und von<lb/>
diesen möchte außer dem Herkommen, dessen Verletzung der Klerus keinem Papst er¬<lb/>
lauben würde, der zwingendste folgender sein. Die weltlichen Stellen sind eine Art<lb/>
Vorschule für Männer, die später in wichtigen, Kenntniß der Lebensverhältnisse<lb/>
voraussetzenden Kirchenämtern verwendet werden sollen, und man erspart durch<lb/>
diese Weise der Aemterbesetzung nicht unbedeutende Summen. Viele der<lb/>
hohen Prälaten so wie der niedern Geistlichen versehen neben ihrem Amt ein<lb/>
kirchliches, werden aber nur für das eine von beiden besoldet. Als noch die<lb/>
Gaben der ganzen Christenheit nach Rom strömten, war es nicht nöthig, einen<lb/>
Theil der zahlreichen Priesterschaft, die man nun einmal braucht, mit weltlichen<lb/>
Posten zu versorgen; heutzutage ist Sparsamkeit ein Gebot der Noth. Welche<lb/>
Seite von diesen doppelten Stellen nach dem Spruch, daß man nicht zweien<lb/>
Herren dienen kann, vernachlässigt wird, mag der Leser vorläufig errathen.<lb/>
Wir meinen, daß das Folgende mit seinem Urtheil zusammentreffen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_846"> Wollte ein Papst den Versuch machen, diesen Mißständen abzuhelfen, so<lb/>
hätte er sofort den bei Weitem größten Theil des Klerus gegen sich. &#x201E;Wol<lb/>
war," sagt Reuchlin in seiner Geschichte Italiens**), der wir im Nachstehenden<lb/>
das Eine und das Andere entnehmen, &#x201E;der Papst Pius der Siebente, ein durch<lb/>
sein Märtyrerthum geläuterter frommer Mann, sein erster Minister, Cardinal<lb/>
Consalvi, ein Gesinnungsgenosse Fossombronis, nur mit mehr Thatkraft aus¬<lb/>
gerüstet. Aber wie in politisch ausgewühlten Zeiten die Wucht der Parteien<lb/>
stärker ist als ihre Führer, so ist in Zeiten der Reaction eine privilegirte Kaste<lb/>
mächtiger als die Männer am Steuerruder. Nicht nur in geistlichen Dingen<lb/>
ist es für den persönlichen Willen des Papstes schwer sich Geltung zu ver¬<lb/>
schaffen; denn eine Priesterkaste-vollends achtet kein menschliches Gesetz, sie<lb/>
dünkt sich und ihr kanonisches Recht darüber erhaben und &#x2014; versteht jenes<lb/>
in der Regel nicht; steht sie doch außerhalb derselben und des bürgerlichen<lb/>
Lebens. Ihr Zweck ist nicht die sittliche und leibliche Wohlfahrt des Volkes,<lb/>
die Erfüllung der Interessen und Wünsche der Laien, sondern der Sieg, der<lb/>
Glanz, die Herrschaft der Kirche, welche sie selbst sind."</p><lb/>
          <note xml:id="FID_23" place="foot"> ") Staatengeschichte der neuesten Zeit. 1, Band. &#x2014; Geschichte Italiens von Gründung<lb/>
der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart. Von or. Hermann Reuchlin. Erster Theil.<lb/>
Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1859. Ein sehr lesenswcrthcs, auf fleißigen Studien beruhen¬<lb/>
des Werk, über das wir nach Erscheinen des zweiten Theils ausführlich Bericht erstatten<lb/>
werden.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0299] so weit sie öffentlich ist. sich im Wesentlichen auf die Bildung von Geistlichen richtet. Dazu serner, daß, wie die Unfehlbarkeit des Papstes in geistlichen Dingen sich mit dem Glauben einer besondern höhern Weisheit in weltlichen Angelegenheiten verbindet, die Weihe des Priesters, wo nicht als magische Mittheilung besonderer Fähigkeit zur Verwaltung, wenigstens als ein Geadelt¬ werden aufgefaßt wird, an das sich Privilegien knüpfen. Das Papstthum hat für diese Vertheilung der Aemter an Kleriker aber noch andere Gründe, und von diesen möchte außer dem Herkommen, dessen Verletzung der Klerus keinem Papst er¬ lauben würde, der zwingendste folgender sein. Die weltlichen Stellen sind eine Art Vorschule für Männer, die später in wichtigen, Kenntniß der Lebensverhältnisse voraussetzenden Kirchenämtern verwendet werden sollen, und man erspart durch diese Weise der Aemterbesetzung nicht unbedeutende Summen. Viele der hohen Prälaten so wie der niedern Geistlichen versehen neben ihrem Amt ein kirchliches, werden aber nur für das eine von beiden besoldet. Als noch die Gaben der ganzen Christenheit nach Rom strömten, war es nicht nöthig, einen Theil der zahlreichen Priesterschaft, die man nun einmal braucht, mit weltlichen Posten zu versorgen; heutzutage ist Sparsamkeit ein Gebot der Noth. Welche Seite von diesen doppelten Stellen nach dem Spruch, daß man nicht zweien Herren dienen kann, vernachlässigt wird, mag der Leser vorläufig errathen. Wir meinen, daß das Folgende mit seinem Urtheil zusammentreffen wird. Wollte ein Papst den Versuch machen, diesen Mißständen abzuhelfen, so hätte er sofort den bei Weitem größten Theil des Klerus gegen sich. „Wol war," sagt Reuchlin in seiner Geschichte Italiens**), der wir im Nachstehenden das Eine und das Andere entnehmen, „der Papst Pius der Siebente, ein durch sein Märtyrerthum geläuterter frommer Mann, sein erster Minister, Cardinal Consalvi, ein Gesinnungsgenosse Fossombronis, nur mit mehr Thatkraft aus¬ gerüstet. Aber wie in politisch ausgewühlten Zeiten die Wucht der Parteien stärker ist als ihre Führer, so ist in Zeiten der Reaction eine privilegirte Kaste mächtiger als die Männer am Steuerruder. Nicht nur in geistlichen Dingen ist es für den persönlichen Willen des Papstes schwer sich Geltung zu ver¬ schaffen; denn eine Priesterkaste-vollends achtet kein menschliches Gesetz, sie dünkt sich und ihr kanonisches Recht darüber erhaben und — versteht jenes in der Regel nicht; steht sie doch außerhalb derselben und des bürgerlichen Lebens. Ihr Zweck ist nicht die sittliche und leibliche Wohlfahrt des Volkes, die Erfüllung der Interessen und Wünsche der Laien, sondern der Sieg, der Glanz, die Herrschaft der Kirche, welche sie selbst sind." ") Staatengeschichte der neuesten Zeit. 1, Band. — Geschichte Italiens von Gründung der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart. Von or. Hermann Reuchlin. Erster Theil. Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1859. Ein sehr lesenswcrthcs, auf fleißigen Studien beruhen¬ des Werk, über das wir nach Erscheinen des zweiten Theils ausführlich Bericht erstatten werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/299
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/299>, abgerufen am 23.07.2024.