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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Würdigkeiten Paccas dort den Eindruck völliger Unbedeutendheit. Die darauf
folgende Zeit, wo Rom säcularisut war, verschlimmerte diesen Zustand, sie
unterbrach die Tradition dessen, was von der alten Regierungskunst der Prä¬
laten in weltlichen Dingen geblieben, während sie zugleich den Römern zeigte,
daß man überhaupt besser regieren könne als bisher. Als der Papst in das
Patrimonium Sanct Peters wieder eingesetzt wurde, war der Mangel an
hellen Köpfen unter der allein zum Regieren berufenen Classe im Kirchenstaat
größer als je, zumal da sich im Gefolge der Franzosen der Unglaube einge¬
funden hatte und in der Regel nur mystische Geister, andere nur dann, wenn
sie nichts Besseres thun konnten, in den geistlichen Stand eintraten. Dazu
kam, daß die Prälatur jetzt fast ausschließlich, das Cardinalscollegium seiner
weitüberwiegenden Mehrheit nach aus Italienern bestand, wodurch nicht blos
der Universalität der Kirchenleitung Eintrag geschah, sondern auch die, wie
erwähnt, nicht zahlreichen Intelligenzen jener Prälatur sür kirchliche, nicht¬
italienische Fragen vorherrschend in Anspruch genommen wurden. Bei höhern
Regierungsstellen hatte der Fremde im Priesterrock den Vortritt vor dem Ein-
gebornen, der Laie war; da indeß die Erfahrung den Beweis geliefert hat,
daß dieser Rock nicht die Wunderkraft besitzt, Leuten, die zu andern Zwecken
gebildet sind, die'Gabe des Regierens zu ertheilen, so ist seit 1814 dieSäcu-
larisirung der Regierung des Kirchenstaates, d. h. die gleiche Berechtigung
der Laien zur Theilnahme an der Verwaltung und, damit diese eben Wahr¬
heit werde, die Ausschließung der Geistlichen von den meisten weltlichen Stel¬
len, das unabänderliche Verlangen der Bevölkerung, vorzüglich in der weiter
vorgeschrittenen nordöstlichen Hälfte.

Daß kein Papst auf eine solche Reform ehrlich eingehen kann, liegt schon
nach dem Obigen auf her Hand. Damit ist aber nur ein kleiner Theil dessen
erschöpft, was sich gegen die Vereinigung geistlicher und weltlicher Gewalt
in einer Hand und gegen die Möglichkeit befriedigender Verbesserungen im
Kirchenstaat sagen läßt. Der Kirchenstaat hat seinen Namen nicht blos da¬
von, daß er ein Staat ist, welcher der Kirche gehört, sondern zugleich davon,
daß er die Ausprägung des Ideals der Kirche vom Staate, daß er das ist, was
die Kirche aus der Welt machen würde, wenn die Tiara auch in irdischen Dingen
urhi et ordi gehste. Daß ein Kirchenfürst in seinen Staaten nach andern
Grundsätzen verfahren muß, als ein weltlicher, versteht sich von selbst. Das
Dogma ist für ihn oberstes Gesetz, die Unfehlbarkeit des Papstes in geistlichen
Dingen läßt den Gedanken an die Möglichkeit, daß er in weltlichen irren könne,
unziemlich, erscheinen, und schließt damit jede Opposition gegen seinen Willen,
jede Correctur desselben durch constitutionelle Institute aus. Der Papst kann
kein einziges Institut dieser Art einführen, ohne damit eine Sünde zu begehen.
Er muß als weltlicher Herrscher absolut sein, um absolut dem gehorchen zu


Würdigkeiten Paccas dort den Eindruck völliger Unbedeutendheit. Die darauf
folgende Zeit, wo Rom säcularisut war, verschlimmerte diesen Zustand, sie
unterbrach die Tradition dessen, was von der alten Regierungskunst der Prä¬
laten in weltlichen Dingen geblieben, während sie zugleich den Römern zeigte,
daß man überhaupt besser regieren könne als bisher. Als der Papst in das
Patrimonium Sanct Peters wieder eingesetzt wurde, war der Mangel an
hellen Köpfen unter der allein zum Regieren berufenen Classe im Kirchenstaat
größer als je, zumal da sich im Gefolge der Franzosen der Unglaube einge¬
funden hatte und in der Regel nur mystische Geister, andere nur dann, wenn
sie nichts Besseres thun konnten, in den geistlichen Stand eintraten. Dazu
kam, daß die Prälatur jetzt fast ausschließlich, das Cardinalscollegium seiner
weitüberwiegenden Mehrheit nach aus Italienern bestand, wodurch nicht blos
der Universalität der Kirchenleitung Eintrag geschah, sondern auch die, wie
erwähnt, nicht zahlreichen Intelligenzen jener Prälatur sür kirchliche, nicht¬
italienische Fragen vorherrschend in Anspruch genommen wurden. Bei höhern
Regierungsstellen hatte der Fremde im Priesterrock den Vortritt vor dem Ein-
gebornen, der Laie war; da indeß die Erfahrung den Beweis geliefert hat,
daß dieser Rock nicht die Wunderkraft besitzt, Leuten, die zu andern Zwecken
gebildet sind, die'Gabe des Regierens zu ertheilen, so ist seit 1814 dieSäcu-
larisirung der Regierung des Kirchenstaates, d. h. die gleiche Berechtigung
der Laien zur Theilnahme an der Verwaltung und, damit diese eben Wahr¬
heit werde, die Ausschließung der Geistlichen von den meisten weltlichen Stel¬
len, das unabänderliche Verlangen der Bevölkerung, vorzüglich in der weiter
vorgeschrittenen nordöstlichen Hälfte.

Daß kein Papst auf eine solche Reform ehrlich eingehen kann, liegt schon
nach dem Obigen auf her Hand. Damit ist aber nur ein kleiner Theil dessen
erschöpft, was sich gegen die Vereinigung geistlicher und weltlicher Gewalt
in einer Hand und gegen die Möglichkeit befriedigender Verbesserungen im
Kirchenstaat sagen läßt. Der Kirchenstaat hat seinen Namen nicht blos da¬
von, daß er ein Staat ist, welcher der Kirche gehört, sondern zugleich davon,
daß er die Ausprägung des Ideals der Kirche vom Staate, daß er das ist, was
die Kirche aus der Welt machen würde, wenn die Tiara auch in irdischen Dingen
urhi et ordi gehste. Daß ein Kirchenfürst in seinen Staaten nach andern
Grundsätzen verfahren muß, als ein weltlicher, versteht sich von selbst. Das
Dogma ist für ihn oberstes Gesetz, die Unfehlbarkeit des Papstes in geistlichen
Dingen läßt den Gedanken an die Möglichkeit, daß er in weltlichen irren könne,
unziemlich, erscheinen, und schließt damit jede Opposition gegen seinen Willen,
jede Correctur desselben durch constitutionelle Institute aus. Der Papst kann
kein einziges Institut dieser Art einführen, ohne damit eine Sünde zu begehen.
Er muß als weltlicher Herrscher absolut sein, um absolut dem gehorchen zu


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[0297] Würdigkeiten Paccas dort den Eindruck völliger Unbedeutendheit. Die darauf folgende Zeit, wo Rom säcularisut war, verschlimmerte diesen Zustand, sie unterbrach die Tradition dessen, was von der alten Regierungskunst der Prä¬ laten in weltlichen Dingen geblieben, während sie zugleich den Römern zeigte, daß man überhaupt besser regieren könne als bisher. Als der Papst in das Patrimonium Sanct Peters wieder eingesetzt wurde, war der Mangel an hellen Köpfen unter der allein zum Regieren berufenen Classe im Kirchenstaat größer als je, zumal da sich im Gefolge der Franzosen der Unglaube einge¬ funden hatte und in der Regel nur mystische Geister, andere nur dann, wenn sie nichts Besseres thun konnten, in den geistlichen Stand eintraten. Dazu kam, daß die Prälatur jetzt fast ausschließlich, das Cardinalscollegium seiner weitüberwiegenden Mehrheit nach aus Italienern bestand, wodurch nicht blos der Universalität der Kirchenleitung Eintrag geschah, sondern auch die, wie erwähnt, nicht zahlreichen Intelligenzen jener Prälatur sür kirchliche, nicht¬ italienische Fragen vorherrschend in Anspruch genommen wurden. Bei höhern Regierungsstellen hatte der Fremde im Priesterrock den Vortritt vor dem Ein- gebornen, der Laie war; da indeß die Erfahrung den Beweis geliefert hat, daß dieser Rock nicht die Wunderkraft besitzt, Leuten, die zu andern Zwecken gebildet sind, die'Gabe des Regierens zu ertheilen, so ist seit 1814 dieSäcu- larisirung der Regierung des Kirchenstaates, d. h. die gleiche Berechtigung der Laien zur Theilnahme an der Verwaltung und, damit diese eben Wahr¬ heit werde, die Ausschließung der Geistlichen von den meisten weltlichen Stel¬ len, das unabänderliche Verlangen der Bevölkerung, vorzüglich in der weiter vorgeschrittenen nordöstlichen Hälfte. Daß kein Papst auf eine solche Reform ehrlich eingehen kann, liegt schon nach dem Obigen auf her Hand. Damit ist aber nur ein kleiner Theil dessen erschöpft, was sich gegen die Vereinigung geistlicher und weltlicher Gewalt in einer Hand und gegen die Möglichkeit befriedigender Verbesserungen im Kirchenstaat sagen läßt. Der Kirchenstaat hat seinen Namen nicht blos da¬ von, daß er ein Staat ist, welcher der Kirche gehört, sondern zugleich davon, daß er die Ausprägung des Ideals der Kirche vom Staate, daß er das ist, was die Kirche aus der Welt machen würde, wenn die Tiara auch in irdischen Dingen urhi et ordi gehste. Daß ein Kirchenfürst in seinen Staaten nach andern Grundsätzen verfahren muß, als ein weltlicher, versteht sich von selbst. Das Dogma ist für ihn oberstes Gesetz, die Unfehlbarkeit des Papstes in geistlichen Dingen läßt den Gedanken an die Möglichkeit, daß er in weltlichen irren könne, unziemlich, erscheinen, und schließt damit jede Opposition gegen seinen Willen, jede Correctur desselben durch constitutionelle Institute aus. Der Papst kann kein einziges Institut dieser Art einführen, ohne damit eine Sünde zu begehen. Er muß als weltlicher Herrscher absolut sein, um absolut dem gehorchen zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/297>, abgerufen am 23.07.2024.