Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

denn er ist nicht der Mann, der das Spiel verdirbt. Ohnehin versteht sich
von selbst, daß Sie im Stillen fortwährend dessen Rath und Mitwirkung
benutzen würden. Zu rechter Zeit setzen Sie ihn wieder öffentlich an seine
rechte Stelle. Ebenso versteht sich, daß Sie, obgleich einer scheinbaren Noth¬
wendigkeit nachgebend, doch Ihren richtigen Standpunkt vorsichtig behaupten
würden, um kein Recht aufzugeben und die italienischen Bevölkerungen nicht irre
zu machen. Sie werden Ihren Schmerz darüber ausdrücken, daß ein Theil
des Programmes unerfüllt bleibe, und auf dem Grundsatze beharren, daß die
definitive Entscheidung in Betreff der mittelitalienischen Länder dem National¬
willen angehöre, -- ein Grundsatz, den ich nicht bestreiten werde noch be-
streiten kann, da mein eigner Thron auf ihm ruht. Zugleich veranlassen
wir, daß dieser Nationalwille sich sobald als möglich, so bestimmt als mög¬
lich und so ruhig als möglich ausspreche. Wie diese Entscheidung ausfallen
wird, darüber hegen wie ja keinen Zweifel -- umso weniger, da der gesunde
Instinkt der Bevölkerungen und ihr italienischer Scharfsinn ihnen sagen wird,
wie ich es eigentlich meine. -- Dieses Spiel müssen wir fortsetzen bis die
Abtretung der Lombardei und Alles, was damit zusammenhängt, durch einen
förmlichen Friedensschluß zur unwiderruflichen Thatsache geworden ist. Dann
können wir den Schleier allmülig lüften. Um den Schein und die Ehre desto
besser zu wahren, beantrage ich einen Kongreß. Kommt er zu Stande, so
wagen wir dabei nichts; denn England wünscht entschieden die Unabhängig¬
keit Italiens und stimmt dein Prinzip der Nicht-Intervention durch Waffen¬
gewalt unbedingt bei; Rußland und Preußen aber sind Oestreich nicht hold,
und es ist zugleich ihr Interesse, dessen Macht und Einfluß in Italien ver¬
nichtet zu sehen. Kommt der Kongreß aber nicht zu Stande, um so besser!
Ich habe dann meinen guten Willen gezeigt und bin vor allen Vorwürfen
gesichert. Italien wird dabei eher gewinnen als verlieren. Denn die mittcl-
italischen Länder werden inzwischen, unter indirekter und kluger Mitwir¬
kung Ew. Maj., das was sie beschlossen faktisch durchführen, und so wird
sich der Stand der Dinge, auf den wir hinarbeiteten, einstweilen als "vol¬
lendete Thatsache' gestalten, und diese, geschützt durch das Prinzip der Nicht-
Intervention, wird keine Macht der Welt mehr wegräumen können. Je mehr
Zeit wir gewinnen, desto fester wird dieses t'ait aeeomM sich begründen, --
und Zeit zu gewinnen, ist ja eine so große Kunst. Freilich wird Oestreich
zu diesem Resultate sauer sehen. Allein was schadet das? Es kann mir kei¬
nen Wortbruch vorwerfen, sondern höchstens zu der Einsicht gelangen, daß
es sich in seinen Voraussetzungen getäuscht und meine Zusagen mißverstanden
habe. Die übrige Welt aber wird das Resultat mit Freude sehen; denn Italiens
Knechtung hat schon längst alle edlen Herzen empört. Uebrigens gedenke ich, für
alle Fälle zu sorgen : ich werde nach dem Frieden do,ovo bis ö0,ovo Mann in der


Greojboten l. is60. ZZ

denn er ist nicht der Mann, der das Spiel verdirbt. Ohnehin versteht sich
von selbst, daß Sie im Stillen fortwährend dessen Rath und Mitwirkung
benutzen würden. Zu rechter Zeit setzen Sie ihn wieder öffentlich an seine
rechte Stelle. Ebenso versteht sich, daß Sie, obgleich einer scheinbaren Noth¬
wendigkeit nachgebend, doch Ihren richtigen Standpunkt vorsichtig behaupten
würden, um kein Recht aufzugeben und die italienischen Bevölkerungen nicht irre
zu machen. Sie werden Ihren Schmerz darüber ausdrücken, daß ein Theil
des Programmes unerfüllt bleibe, und auf dem Grundsatze beharren, daß die
definitive Entscheidung in Betreff der mittelitalienischen Länder dem National¬
willen angehöre, — ein Grundsatz, den ich nicht bestreiten werde noch be-
streiten kann, da mein eigner Thron auf ihm ruht. Zugleich veranlassen
wir, daß dieser Nationalwille sich sobald als möglich, so bestimmt als mög¬
lich und so ruhig als möglich ausspreche. Wie diese Entscheidung ausfallen
wird, darüber hegen wie ja keinen Zweifel — umso weniger, da der gesunde
Instinkt der Bevölkerungen und ihr italienischer Scharfsinn ihnen sagen wird,
wie ich es eigentlich meine. — Dieses Spiel müssen wir fortsetzen bis die
Abtretung der Lombardei und Alles, was damit zusammenhängt, durch einen
förmlichen Friedensschluß zur unwiderruflichen Thatsache geworden ist. Dann
können wir den Schleier allmülig lüften. Um den Schein und die Ehre desto
besser zu wahren, beantrage ich einen Kongreß. Kommt er zu Stande, so
wagen wir dabei nichts; denn England wünscht entschieden die Unabhängig¬
keit Italiens und stimmt dein Prinzip der Nicht-Intervention durch Waffen¬
gewalt unbedingt bei; Rußland und Preußen aber sind Oestreich nicht hold,
und es ist zugleich ihr Interesse, dessen Macht und Einfluß in Italien ver¬
nichtet zu sehen. Kommt der Kongreß aber nicht zu Stande, um so besser!
Ich habe dann meinen guten Willen gezeigt und bin vor allen Vorwürfen
gesichert. Italien wird dabei eher gewinnen als verlieren. Denn die mittcl-
italischen Länder werden inzwischen, unter indirekter und kluger Mitwir¬
kung Ew. Maj., das was sie beschlossen faktisch durchführen, und so wird
sich der Stand der Dinge, auf den wir hinarbeiteten, einstweilen als „vol¬
lendete Thatsache' gestalten, und diese, geschützt durch das Prinzip der Nicht-
Intervention, wird keine Macht der Welt mehr wegräumen können. Je mehr
Zeit wir gewinnen, desto fester wird dieses t'ait aeeomM sich begründen, —
und Zeit zu gewinnen, ist ja eine so große Kunst. Freilich wird Oestreich
zu diesem Resultate sauer sehen. Allein was schadet das? Es kann mir kei¬
nen Wortbruch vorwerfen, sondern höchstens zu der Einsicht gelangen, daß
es sich in seinen Voraussetzungen getäuscht und meine Zusagen mißverstanden
habe. Die übrige Welt aber wird das Resultat mit Freude sehen; denn Italiens
Knechtung hat schon längst alle edlen Herzen empört. Uebrigens gedenke ich, für
alle Fälle zu sorgen : ich werde nach dem Frieden do,ovo bis ö0,ovo Mann in der


Greojboten l. is60. ZZ
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108983"/>
            <p xml:id="ID_728" prev="#ID_727" next="#ID_729"> denn er ist nicht der Mann, der das Spiel verdirbt. Ohnehin versteht sich<lb/>
von selbst, daß Sie im Stillen fortwährend dessen Rath und Mitwirkung<lb/>
benutzen würden. Zu rechter Zeit setzen Sie ihn wieder öffentlich an seine<lb/>
rechte Stelle. Ebenso versteht sich, daß Sie, obgleich einer scheinbaren Noth¬<lb/>
wendigkeit nachgebend, doch Ihren richtigen Standpunkt vorsichtig behaupten<lb/>
würden, um kein Recht aufzugeben und die italienischen Bevölkerungen nicht irre<lb/>
zu machen. Sie werden Ihren Schmerz darüber ausdrücken, daß ein Theil<lb/>
des Programmes unerfüllt bleibe, und auf dem Grundsatze beharren, daß die<lb/>
definitive Entscheidung in Betreff der mittelitalienischen Länder dem National¬<lb/>
willen angehöre, &#x2014; ein Grundsatz, den ich nicht bestreiten werde noch be-<lb/>
streiten kann, da mein eigner Thron auf ihm ruht. Zugleich veranlassen<lb/>
wir, daß dieser Nationalwille sich sobald als möglich, so bestimmt als mög¬<lb/>
lich und so ruhig als möglich ausspreche. Wie diese Entscheidung ausfallen<lb/>
wird, darüber hegen wie ja keinen Zweifel &#x2014; umso weniger, da der gesunde<lb/>
Instinkt der Bevölkerungen und ihr italienischer Scharfsinn ihnen sagen wird,<lb/>
wie ich es eigentlich meine. &#x2014; Dieses Spiel müssen wir fortsetzen bis die<lb/>
Abtretung der Lombardei und Alles, was damit zusammenhängt, durch einen<lb/>
förmlichen Friedensschluß zur unwiderruflichen Thatsache geworden ist. Dann<lb/>
können wir den Schleier allmülig lüften. Um den Schein und die Ehre desto<lb/>
besser zu wahren, beantrage ich einen Kongreß. Kommt er zu Stande, so<lb/>
wagen wir dabei nichts; denn England wünscht entschieden die Unabhängig¬<lb/>
keit Italiens und stimmt dein Prinzip der Nicht-Intervention durch Waffen¬<lb/>
gewalt unbedingt bei; Rußland und Preußen aber sind Oestreich nicht hold,<lb/>
und es ist zugleich ihr Interesse, dessen Macht und Einfluß in Italien ver¬<lb/>
nichtet zu sehen. Kommt der Kongreß aber nicht zu Stande, um so besser!<lb/>
Ich habe dann meinen guten Willen gezeigt und bin vor allen Vorwürfen<lb/>
gesichert. Italien wird dabei eher gewinnen als verlieren. Denn die mittcl-<lb/>
italischen Länder werden inzwischen, unter indirekter und kluger Mitwir¬<lb/>
kung Ew. Maj., das was sie beschlossen faktisch durchführen, und so wird<lb/>
sich der Stand der Dinge, auf den wir hinarbeiteten, einstweilen als &#x201E;vol¬<lb/>
lendete Thatsache' gestalten, und diese, geschützt durch das Prinzip der Nicht-<lb/>
Intervention, wird keine Macht der Welt mehr wegräumen können. Je mehr<lb/>
Zeit wir gewinnen, desto fester wird dieses t'ait aeeomM sich begründen, &#x2014;<lb/>
und Zeit zu gewinnen, ist ja eine so große Kunst. Freilich wird Oestreich<lb/>
zu diesem Resultate sauer sehen. Allein was schadet das? Es kann mir kei¬<lb/>
nen Wortbruch vorwerfen, sondern höchstens zu der Einsicht gelangen, daß<lb/>
es sich in seinen Voraussetzungen getäuscht und meine Zusagen mißverstanden<lb/>
habe. Die übrige Welt aber wird das Resultat mit Freude sehen; denn Italiens<lb/>
Knechtung hat schon längst alle edlen Herzen empört. Uebrigens gedenke ich, für<lb/>
alle Fälle zu sorgen : ich werde nach dem Frieden do,ovo bis ö0,ovo Mann in der</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Greojboten l. is60. ZZ</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0261] denn er ist nicht der Mann, der das Spiel verdirbt. Ohnehin versteht sich von selbst, daß Sie im Stillen fortwährend dessen Rath und Mitwirkung benutzen würden. Zu rechter Zeit setzen Sie ihn wieder öffentlich an seine rechte Stelle. Ebenso versteht sich, daß Sie, obgleich einer scheinbaren Noth¬ wendigkeit nachgebend, doch Ihren richtigen Standpunkt vorsichtig behaupten würden, um kein Recht aufzugeben und die italienischen Bevölkerungen nicht irre zu machen. Sie werden Ihren Schmerz darüber ausdrücken, daß ein Theil des Programmes unerfüllt bleibe, und auf dem Grundsatze beharren, daß die definitive Entscheidung in Betreff der mittelitalienischen Länder dem National¬ willen angehöre, — ein Grundsatz, den ich nicht bestreiten werde noch be- streiten kann, da mein eigner Thron auf ihm ruht. Zugleich veranlassen wir, daß dieser Nationalwille sich sobald als möglich, so bestimmt als mög¬ lich und so ruhig als möglich ausspreche. Wie diese Entscheidung ausfallen wird, darüber hegen wie ja keinen Zweifel — umso weniger, da der gesunde Instinkt der Bevölkerungen und ihr italienischer Scharfsinn ihnen sagen wird, wie ich es eigentlich meine. — Dieses Spiel müssen wir fortsetzen bis die Abtretung der Lombardei und Alles, was damit zusammenhängt, durch einen förmlichen Friedensschluß zur unwiderruflichen Thatsache geworden ist. Dann können wir den Schleier allmülig lüften. Um den Schein und die Ehre desto besser zu wahren, beantrage ich einen Kongreß. Kommt er zu Stande, so wagen wir dabei nichts; denn England wünscht entschieden die Unabhängig¬ keit Italiens und stimmt dein Prinzip der Nicht-Intervention durch Waffen¬ gewalt unbedingt bei; Rußland und Preußen aber sind Oestreich nicht hold, und es ist zugleich ihr Interesse, dessen Macht und Einfluß in Italien ver¬ nichtet zu sehen. Kommt der Kongreß aber nicht zu Stande, um so besser! Ich habe dann meinen guten Willen gezeigt und bin vor allen Vorwürfen gesichert. Italien wird dabei eher gewinnen als verlieren. Denn die mittcl- italischen Länder werden inzwischen, unter indirekter und kluger Mitwir¬ kung Ew. Maj., das was sie beschlossen faktisch durchführen, und so wird sich der Stand der Dinge, auf den wir hinarbeiteten, einstweilen als „vol¬ lendete Thatsache' gestalten, und diese, geschützt durch das Prinzip der Nicht- Intervention, wird keine Macht der Welt mehr wegräumen können. Je mehr Zeit wir gewinnen, desto fester wird dieses t'ait aeeomM sich begründen, — und Zeit zu gewinnen, ist ja eine so große Kunst. Freilich wird Oestreich zu diesem Resultate sauer sehen. Allein was schadet das? Es kann mir kei¬ nen Wortbruch vorwerfen, sondern höchstens zu der Einsicht gelangen, daß es sich in seinen Voraussetzungen getäuscht und meine Zusagen mißverstanden habe. Die übrige Welt aber wird das Resultat mit Freude sehen; denn Italiens Knechtung hat schon längst alle edlen Herzen empört. Uebrigens gedenke ich, für alle Fälle zu sorgen : ich werde nach dem Frieden do,ovo bis ö0,ovo Mann in der Greojboten l. is60. ZZ

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/261
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/261>, abgerufen am 23.07.2024.