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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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V. E. Ich fühle die ganze Kraft Ihrer Argumente, -- aber welches ist
Ihr Plan?

N. Mein Plan ist, gegen Abtretung der Lombardei Frieden zu schlie¬
ßen und damit allem Blutvergießen, so wie allen Gefahren und Schmierig¬
leiten, die uns bedrohen, ein Ende zu machen, -- diesen Vertrag aber so ein-
zurichten, daß auch die Befreiung des übrige" Italiens auf Umwegen
erreicht wird, oder vielmehr aus der faktische" Lage der Dinge, die wir ja
genau kennen, von selbst hervorgehen muß. Der östreichische Kaiser wird die
Lombardei, die wir ohnehin erobert haben, ausgeben; denn er ist in diesem
Augenblick durch die erlittenen Niederlagen sehr entmuthigt, -- er hat keinen
Feldherrn, dem er vertrauen kann, und seine übrigen Verlegenheiten -- zu¬
mal die finanziellen -- sind groß. Meinen weitern Plan aber wird er nicht
durchschauen. Um seinen Stolz zu schönen, werde ich vorschlagen, daß die
Abtretung der Lombardei an Frankreich geschehe, und ich übertrage sie dann
an Piemont. Franz Joseph wild in dieser Wendung nur ein Kompliment se¬
hen, das ich seinem Ehrgefühl mache, aber sie hat "och eine andere Bedeu¬
tung. Tritt er die Lombardei an Frankreich ab. so hat er es mit Frank¬
reich zu thun, wenn er sich jemals sollte beikommen lassen, diese Abtretung
rückgängig zu machen; und überträgt Frankreich das Land an Sie, so ist Ih¬
nen Frankreichs Garantie für immer gesichert. Beides wäre anders, wenn
die Abtretung direkt von Oestreich an Sardinien geschähe. Auch werden Sie
gestehen müssen, daß die Erwerbung einer so herrlichen Provinz mit mehr
als dritthalb Millionen Einwohnern, als Frucht eines zweimonatlichen Feld¬
zuges, eine sehr schöne Sache ist.

B. E. Eine sehr schöne und höchst dankenswerthe, ohne alle Frage.
Aber Parma. Modena. Toskana. die Romagna. das Venetianische, die vier
Festungen? Soll das Alles theils in östreichischen Händen, theils unter öst¬
reichischen Einfluß bleiben? Wo bliebe dann das mächtige norditalienische
Königreich, das wir längst als das einzige Mittel anerkannt haben, um
die östreichische Herrschaft für immer aus Italien zu verbannen?

N. Betrachten wir Eins nach dem Andern mit ruhigen Blicken, und
Sie werden sich gewiß zufrieden geben. Ich glaube mich nicht zu täuschen,
wenn ich voraussehe, daß die östreichische Politik nicht sehr scharfsichtig ist,
zumal in einem Augenblick großer Verlegenheiten. Um diesen Augenbick zu
benutzen und einen raschen Frieden mit der Abtretung der Lombardei zu er¬
langen, muß ich ihr einige Lockspeisen Hinhalten. Ich muß den Schein an¬
nehmen, als verzichte ich auf einen Theil meines Programmes. Ich muß
Oestreich die Hoffnung lassen. auch in Zukunft einen großen Einfluß in Ita¬
lien zu bewahren, -- mit einem Worte, ich muß Oestreich täuschen. Mit
meinem Gewissen bin ich darüber ganz im Namen. Sollte es nicht verzeih-


V. E. Ich fühle die ganze Kraft Ihrer Argumente, — aber welches ist
Ihr Plan?

N. Mein Plan ist, gegen Abtretung der Lombardei Frieden zu schlie¬
ßen und damit allem Blutvergießen, so wie allen Gefahren und Schmierig¬
leiten, die uns bedrohen, ein Ende zu machen, — diesen Vertrag aber so ein-
zurichten, daß auch die Befreiung des übrige» Italiens auf Umwegen
erreicht wird, oder vielmehr aus der faktische» Lage der Dinge, die wir ja
genau kennen, von selbst hervorgehen muß. Der östreichische Kaiser wird die
Lombardei, die wir ohnehin erobert haben, ausgeben; denn er ist in diesem
Augenblick durch die erlittenen Niederlagen sehr entmuthigt, — er hat keinen
Feldherrn, dem er vertrauen kann, und seine übrigen Verlegenheiten — zu¬
mal die finanziellen — sind groß. Meinen weitern Plan aber wird er nicht
durchschauen. Um seinen Stolz zu schönen, werde ich vorschlagen, daß die
Abtretung der Lombardei an Frankreich geschehe, und ich übertrage sie dann
an Piemont. Franz Joseph wild in dieser Wendung nur ein Kompliment se¬
hen, das ich seinem Ehrgefühl mache, aber sie hat »och eine andere Bedeu¬
tung. Tritt er die Lombardei an Frankreich ab. so hat er es mit Frank¬
reich zu thun, wenn er sich jemals sollte beikommen lassen, diese Abtretung
rückgängig zu machen; und überträgt Frankreich das Land an Sie, so ist Ih¬
nen Frankreichs Garantie für immer gesichert. Beides wäre anders, wenn
die Abtretung direkt von Oestreich an Sardinien geschähe. Auch werden Sie
gestehen müssen, daß die Erwerbung einer so herrlichen Provinz mit mehr
als dritthalb Millionen Einwohnern, als Frucht eines zweimonatlichen Feld¬
zuges, eine sehr schöne Sache ist.

B. E. Eine sehr schöne und höchst dankenswerthe, ohne alle Frage.
Aber Parma. Modena. Toskana. die Romagna. das Venetianische, die vier
Festungen? Soll das Alles theils in östreichischen Händen, theils unter öst¬
reichischen Einfluß bleiben? Wo bliebe dann das mächtige norditalienische
Königreich, das wir längst als das einzige Mittel anerkannt haben, um
die östreichische Herrschaft für immer aus Italien zu verbannen?

N. Betrachten wir Eins nach dem Andern mit ruhigen Blicken, und
Sie werden sich gewiß zufrieden geben. Ich glaube mich nicht zu täuschen,
wenn ich voraussehe, daß die östreichische Politik nicht sehr scharfsichtig ist,
zumal in einem Augenblick großer Verlegenheiten. Um diesen Augenbick zu
benutzen und einen raschen Frieden mit der Abtretung der Lombardei zu er¬
langen, muß ich ihr einige Lockspeisen Hinhalten. Ich muß den Schein an¬
nehmen, als verzichte ich auf einen Theil meines Programmes. Ich muß
Oestreich die Hoffnung lassen. auch in Zukunft einen großen Einfluß in Ita¬
lien zu bewahren, — mit einem Worte, ich muß Oestreich täuschen. Mit
meinem Gewissen bin ich darüber ganz im Namen. Sollte es nicht verzeih-


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[0259] V. E. Ich fühle die ganze Kraft Ihrer Argumente, — aber welches ist Ihr Plan? N. Mein Plan ist, gegen Abtretung der Lombardei Frieden zu schlie¬ ßen und damit allem Blutvergießen, so wie allen Gefahren und Schmierig¬ leiten, die uns bedrohen, ein Ende zu machen, — diesen Vertrag aber so ein- zurichten, daß auch die Befreiung des übrige» Italiens auf Umwegen erreicht wird, oder vielmehr aus der faktische» Lage der Dinge, die wir ja genau kennen, von selbst hervorgehen muß. Der östreichische Kaiser wird die Lombardei, die wir ohnehin erobert haben, ausgeben; denn er ist in diesem Augenblick durch die erlittenen Niederlagen sehr entmuthigt, — er hat keinen Feldherrn, dem er vertrauen kann, und seine übrigen Verlegenheiten — zu¬ mal die finanziellen — sind groß. Meinen weitern Plan aber wird er nicht durchschauen. Um seinen Stolz zu schönen, werde ich vorschlagen, daß die Abtretung der Lombardei an Frankreich geschehe, und ich übertrage sie dann an Piemont. Franz Joseph wild in dieser Wendung nur ein Kompliment se¬ hen, das ich seinem Ehrgefühl mache, aber sie hat »och eine andere Bedeu¬ tung. Tritt er die Lombardei an Frankreich ab. so hat er es mit Frank¬ reich zu thun, wenn er sich jemals sollte beikommen lassen, diese Abtretung rückgängig zu machen; und überträgt Frankreich das Land an Sie, so ist Ih¬ nen Frankreichs Garantie für immer gesichert. Beides wäre anders, wenn die Abtretung direkt von Oestreich an Sardinien geschähe. Auch werden Sie gestehen müssen, daß die Erwerbung einer so herrlichen Provinz mit mehr als dritthalb Millionen Einwohnern, als Frucht eines zweimonatlichen Feld¬ zuges, eine sehr schöne Sache ist. B. E. Eine sehr schöne und höchst dankenswerthe, ohne alle Frage. Aber Parma. Modena. Toskana. die Romagna. das Venetianische, die vier Festungen? Soll das Alles theils in östreichischen Händen, theils unter öst¬ reichischen Einfluß bleiben? Wo bliebe dann das mächtige norditalienische Königreich, das wir längst als das einzige Mittel anerkannt haben, um die östreichische Herrschaft für immer aus Italien zu verbannen? N. Betrachten wir Eins nach dem Andern mit ruhigen Blicken, und Sie werden sich gewiß zufrieden geben. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich voraussehe, daß die östreichische Politik nicht sehr scharfsichtig ist, zumal in einem Augenblick großer Verlegenheiten. Um diesen Augenbick zu benutzen und einen raschen Frieden mit der Abtretung der Lombardei zu er¬ langen, muß ich ihr einige Lockspeisen Hinhalten. Ich muß den Schein an¬ nehmen, als verzichte ich auf einen Theil meines Programmes. Ich muß Oestreich die Hoffnung lassen. auch in Zukunft einen großen Einfluß in Ita¬ lien zu bewahren, — mit einem Worte, ich muß Oestreich täuschen. Mit meinem Gewissen bin ich darüber ganz im Namen. Sollte es nicht verzeih-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/259>, abgerufen am 23.07.2024.